Im Land der Dogon (Mali)
Eine Drei-Tage-Wanderung durch Dogon-Land
Doch nun wird es ernst. Mit Seydou und Mabou fahren wir in die Ortschaft Sanga. Dort gibt es ein komfortables Gästehaus mit Restaurant und einer Abstellmöglichkeit für unser Auto. Schnell organisiert Seydou einige Träger, die uns Wasser und Bier(!) voraustragen. Mit Wanderschuhen und einem kleinen Rucksäckchen geht es dann auf unsere Drei-Tages-Tour. Über die Dogon-Dörfer Engele, Banani, Ibi und Nini wollen wir am ersten Abend Koundou erreichen. Schon der Klang dieser Namen entzückt! Und genauso wie diese Namen klingen, so sehen die Orte dann auch aus: entzückend und nicht ganz von dieser Welt.
Von Engele geht es durch eine Schlucht abwärts nach Banani. Während wir mühsam über große Felsen klettern und uns durch das Bachbett hinunterarbeiten, laufen Kinder und Frauen mit schwersten Lasten auf dem Kopf, barfuß oder mit abgerissenen Gummisandalen, leichtfüßig an uns vorbei und amüsieren sich über diese unbeholfenen Weißen.
Nach der Durchquerung von Banani schlängelt sich der Fußweg entlang eines Tals in Richtung Nordosten. Jetzt am Nachmittag sticht die Sonne unbarmherzig. Die Träger, trotz der Lasten beträchtlich schneller als wir, sind mit den begehrten Wasserflaschen längst unseren Blicken entschwunden. Dürstend und schwitzend kämpfen wir uns auf einem sandigen Weg vorwärts. Plötzlich erklingt am Wegesrand eine Melodie. Auf einer Flöte spielt ein Hirte eine anmutige Weise. Gerne nehmen wir das als Anlass für eine kurze Rast. Unter einem schattenspendenden Baum lauschen wir der Musik und genießen den Blick auf die Felswände und die in ihnen versteckten und nur bei ganz genauem Hinsehen auszumachenden Dörfer. Zur Erfrischung reicht uns Seydou Früchte des Baobab-Baumes. Man pult eine trockene, weiße Masse aus dem Gehäuse und kaut sie. Zu unserer Überraschung prickelt es im Mund wie beim Genuss von Brausestäbchen!
Wie schön ist es, als wir in Koundou ein kleines Gasthaus vorfinden, wo uns ein wunderbares Abendessen aus Reis und geschmortem Fleisch erwartet und wir uns mit einer wirklich verdienten Eimerdusche erfrischen können. Unsere Schlafsäcke breiten wir auf dem Dach aus. Unser Hund Rex kann uns nicht dorthin begleiten: die Hühnerleiter überfordert ihn.
Das Frühstück in Dogon-Land schmeckt fein: zu Kaffee und Tee gibt es köstliche, frisch herausgebackene Schmalznudeln. Der neue Tag kann kommen!
Die Wanderung führt uns weiter entlang des Tals. Zu beiden Seiten ziehen sich die Felswände hoch, in denen wir immer wieder Dörfer ausmachen. Eines dieser "Felsennester" ist Youga Piri. Aus ihm stammt unser Führer Mabou. Gerne würden wir das Dorf besuchen, vor allem weil von dort aus Felshöhlen der Telem erreichbar sind. Leider sind wir schon zu erschöpft, um diesen Abstecher hinauf durch steile Felswände noch bewältigen zu können. Mabou erzählt, dass in seinem Dorf die Menschen noch ihrer überlieferten Religion anhängen und im Gegensatz zu anderen Dörfern weder Islam noch Christentum dort Fuß gefasst hätten. Man versteht, wie die Dogon unberührt von äußeren Einflüssen ihre Kultur und Religion bis in die heutige Zeit retten konnten. In Anbetracht dieser anstrengenden Kletterpartien resignierte wohl auch mancher religiöse Eiferer. Männer des Dorfes kommen uns entgegen und wir übergeben ihnen, auch ohne das Dorf besucht zu haben, unsere Gastgeschenke: Kolanüsse und Datteln.
Telemwohnungen
Endlich erreichen wir Yendouma, das sich - wie könne es anders sein - die Felswand hinaufzieht. Gleich am Dorfeingang werden auf einer Terrasse, die diesmal über eine richtige Treppe erreichbar ist, unter einem schattenspendenden Strohdach Matten für uns ausgebreitet. Das vor uns eingetroffene Bier ist schon gekühlt. Welch ein Genuss! Nach der Rast spazieren wir durch enge Gassen hinauf zu dem Versammlungsplatz der Alten, dem sogenannten Toguna, einem nach unten offenen Bau mit acht Säulen und Strohdach, von dem man einen unbeschreiblich großartigen Blick auf das unten gelegene Tal genießt. Nachdem wir auch hier unsere Gastgeschenke übergeben haben, lassen wir die Seele baumeln und es reift die Erkenntnis, dass an diesem Ort mit dieser Aussicht nur sehr weise Entscheidungen getroffen werden können.
Beratungsplatz der Alten
Ein Felsüberhang dient als Küche, in dem unser wohlschmeckendes Abendessen am offenem Feuer zubereitet wird. Selbstredend, dass es in diesen Dogon-Dörfern keine Elektrizität und somit auch kein elektrisches Licht, kein Fernsehen und kein Telefon gibt. Als abends langsam die Sonne untergeht, breitet sich eine in rosazartes Licht getauchte Stimmung der Ruhe über das Dorf, den Berg und das Tal. Noch einige Frauen kommen mit ihren gefüllten Kalebassen zurück vom Brunnen unten im Tal, wo noch Tiere getränkt werden. In diesem Augenblick von tiefer Schönheit kann man nicht anders als sein Herz der Meditation zu öffnen um einzutauchen in das Gefühl des Einssein mit dem Universum.
Wir erfrischen uns mit der jetzt schon gewohnten Eimerdusche und bereiten dann auf der Terrasse unser Nachtlager unter einem funkelnden und glitzernden Sternenhimmel.
Noch vor der Dämmerung wecken uns die Kikerikis der Dorfgockel, denen bald der Ruf des Muezzins, der zum Morgengebet mahnt, folgt. Langsam erwacht der neue Tag. Wir machen uns bereit für das Frühstück - es gibt wieder diese leckeren dogonischen Schmalznudeln - und brechen auf zur nächsten Etappe. Es geht zurück nach Sanga. Heute ist Weihnachten, der 24. Dezember.
Frühstück in Dogon-Land
Auf unserem Weg begegnen uns Fulbe, oder auch Peul, ein nomadisches Hirtenvolk, mit ihren Rinderherden. Die Fulbe haben hier eine Übereinkunft mit den Dogon, die es ihnen gestattet, auf den abgeernteten Feldern ihre Rinder weiden zu lassen. Fröhlich grüßen die jungen Männer, die wunderbare große Lederhüte mit Federschmuck tragen und wegen ihres Schönheitskultes berühmt sind. Allerdings wird berichtet, dass das Verhältnis zwischen Fulbe und Dogon gespannt sei.
Unser heutiger Fußpfad führt vom Tal wieder hinauf auf das Plateau. Es geht durch märchenhafte Landschaften, die von Herrn Tolkien erfunden sein und von Hobbits bewohnt werden könnten. Wir marschieren durch die Kaskaden ausgetrockneter Flussbetten zu dem Dorf Tiogou, in dem uns Kinder lautstark begrüßen und ein Stück des Weges begleiten. Bald erreichen wir unseren Ausgangspunkt Sanga, den Ort, in dem der französische Ethnologe Marcel Griaule lebte, der erstmals die Kultur der Dogon erforschte und einem breiten Publikum bekannt machte.
Aufbruch: | 17.12.2001 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 05.01.2002 |