Jenseits des Darfur
...unsere Transafrika Reise, x-ter Teil...heute sind wir im Sudan unterwegs, abseits der ausgetretenen Pfade entdecken wir das vom Buergerkrieg zerruettete Kordofan...
Jenseits des Darfur
Jenseits des Darfur
...ich lehne mich in meinem Stuhl zurueck und versuche, die gesamte Szene vor meinen Augen einmal mit etwas Abstand, so von aussen her, zu betrachten. Unwillkuerlich fange ich an, zu grinsen, denn es ist unglaublich absurd. Freudestrahlend haelt mir Andrea einen schwarzen Fuss in's Gesicht, freudig ueberrascht stelle ich fest, dass es ihr eigener ist - uebersaet mit Henna. Genau dieses Ereignis ist, was uns so "anders" vorkommt. Haeuptling Mohammad Rahal Mohammad Rahal (ja, wirklich zweimal bitte!) hat speziell Andrea eine Einladung der Frauen ueberbracht, sie war eingeladen worden, an einer Kaffeezeremonie und Hennabemalung teilzunehmen. Und so sitzen wir nun hier - schon 3 Stunden und es werden wohl noch mindestens 2 hinzukommen. Die Frauen des Kadugli-Stammes sind offensichtlich sehr froh, ihr Henna einmal auf weisser Haut auszuprobieren. Dabei reichen ihnen offenbar Andreas Haende nicht - die Fuesse waren auch noch dran. Nun hatte sie schwarze Blumen und kringelige Muster auf Armen und Beinen. Die Frauen um uns herum schwatzten und lachten, leider verstanden wir nicht soviel - es war entweder arabisch oder die stammeseigene Sprache. Fatima, die einzige englischsprachige Stammesfrau, hatte viel mit der Uebersetzung zu tun, sie erklaerte uns, dass eine jede Braut solch ein Hennamuster bekaeme, bevor sie heiratet. Und ploetzlich hatte sie eine "hervorragende" Idee - im Sudan bekommt nicht nur die Frau ein Henna, sondern der Mann auch, zwar nicht Arme und Beine, aber die Fingerkuppen der linken Hand. Innerlich runzelte ich die Stirn, fragte mich, wie das wohl aussehen wuerde, ich als Mann mit einem Henna! Und wohlgemerkt genierte ich mich eh ein bisschen, denn wir waren umringt von Frauen, die Maenner hatten sich alle zurueckgezogen und ich also nun als einziger Mann inmitten all der singenden, lachenden Frauen. Das machte fuer mich die Situation noch unrealer!
Nach Kadugli, in die Nuba-Berge, zu kommen, war wie so vieles auf unserer Reise ein riesiger Zufall gewesen. Haetten wir Abdel Salam und Taha nicht in Khartum getroffen, waeren wir eventuell gar nicht hierher gekommen. Wir hatten zwar schon von den Nuba Bergen im Reisefuehrer gelesen, und der Sueden Sudans interessierte uns eh, aber manchmal braucht es noch das extra Quentchen Glueck. Taha's Schwester naemlich wohnt in El Obeid, auf halbem Wege nach Kadugli, und dann hat er noch einen Freund in Kadugli selber, einen Offizier. So stand also fuer uns fest, wir schauen uns dort einmal um. Im Sudan geht aber leider nunmal nichts ohne "Reiseerlaubnisse", die hatten wir jedoch innerhalb 24 Stunden - und das kostenlos! Etwas aufgeregt hatten wir uns auf den Weg in das suedliche Kordofan gemacht, was wuerde uns dort wohl so alles erwarten?
Die Landschaft suedlich Khartums ist bis auf die Ufer des Blauen und Weissen Nils recht karg und trocken. Endlos weit scheinende, savannenartige Ebenen, dazwischen recht aufgeraeumt aussehende Strohhuettendoerfchen und kaum Verkehr. Als wir El Obeid immer naeher kamen, sahen wir auch die ersten Affenbrotbaeume in der flimmernden Hitze aufragen, sie wirken wie riesige Baeume, die irgendwer verkehrt herum in den Boden gestopft hat. In El Obeid kamen wir kurz vor Sonnenuntergang an und waren froh, dass Ihsan, Taha's Schwester englisch sprach. Wir trafen uns mit ihr an einer Tankstelle und folgten ihr nach Hause. Woran man sich in diesen Teilen der Welt als erstes gewoehnen muss, ist, dass einen immer jemand an- oder hinterherstiert. Wir haben auch auf dem Weg nach El Obeid keine weissen Menschen gesehen. Ihsan und ihr Mann waren sehr gastfreundlich, schienen erfreut ueber unseren Besuch und mit Hand, Fuss und Englisch sprachen wir ueber unsere Reise und den Sudan. Natuerlich durften wir nach dem Abendessen nicht mehr wegfahren, sondern "mussten" uns erst eine Nacht ausruhen, bevor wir weiterfahren konnten. Am naechsten Morgen machte uns Ihsan ein herrliches Fruehstueck mit gebratener Leber, einer scharfen Sauce, Tameeyia (sudanesische Falafel) und Bohnen. Und sogar noch selbstgemachten Kuchen und Saft aus der Affenbrotbaumfruchht! Wow! Wir verabschiedeten uns und begaben uns auf unseren Weg nach Kadugli, noch 350 km entfernt. Wir freuten uns anfangs ueber den Asphalt, der sich jedoch nach einigen Kilometern verlor und in eine ausgewaschene Schotterstrasse ueberging. Oftmals fuhren wir auch einfach neben der Strasse durch den Busch, weil es da weniger ruckelte und schaukelte. Die Fahrt nach Kadugli dauerte fast den ganzen Tag, sodass wir dann am spaeten Nachmittag unser Lager unweit der Stadt irgendwo im Busch aufschlugen. Natuerlich hatten wir in unzaehligen Medienberichten ueber die gefaehrliche Sicherheitslage im Sudan gehoert und gelesen, aber hier im Lande sieht es anders aus - wir sind ja nicht im Darfur!
Am naechsten Morgen trafen wir uns in Kadugli mit Hafiz, Taha's Freund, dem Offizier, welcher uns mit Jabir bekanntmachte. Jabir ist 23, arbeitet als "information officer" fuer die SPLA/M (Sudanese People's Liberation Army/Movement) und erklaerte sich bereit, uns durch Kadugli und die Nuba Berge zu fuehren. Er war uns gleich von Anfang an sympathisch. Das ist eine andere Sache hier in Kadugli - wir moegen die Menschen hier sehr, man sagt, im Suedsudan sind die Afrikaner am schwaerzesten und ich muss sagen, dass es wahr ist. Die Staemme hier haben sehr fein geschnittene Gesichter, sind wirklich rabenschwarz und viele Stammesangehoerige haben verschiedene Narben im Gesicht, Punkte oder Schnitte.
Wir haben Jabir Tutu vom Kadja-Stamm sehr viel zu verdanken, durch ihn lernten wir viel ueber die tragische Geschichte des Sudans und machten Bekanntschaft mit sehr vielen Leuten und Staemmen in Kadugli. Wir konnten diesem Landstrich jedoch ansehen, dass hier 22 Jahre lang ein Buergerkrieg wuetete, der erst im Jahre 2005 sein Ende fand, es seitdem aber eher einem Waffenstillstand als einem Frieden gleicht. Wir sassen in der guten Woche, die wir hier verbrachten, sehr oft in einem der Strassencafes und unterhielten uns, wenn sprachlich moeglich, mit einigen Leuten. Die Strassencafes uebrigens sind nichts weiter als eine "Kaffeefrau", die mit einem Waegelchen mit unzaehligen Glaesern Kraeutern, Kaffee und Tee an einer Strassenecke steht, ein paar Plastikstuehle im Kreis aufstellt und ueber einer Art Holzkohlegrill Wasser und Milch kocht. Hier sitzt man dann zu jeder moeglichen Tageszeit und trinkt Kaffee. Nachts hat das ganze dann noch mehr Charme, weil es in Kadugli Stromprobleme gibt, sitzt man dann in voelliger Dunkelheit, erkennt nur das Glimmen der Holzkohle, leuchtende Mobiltelefone und die weissen Zaehne der Sudanesen. Und nur zu oft trifft man hier auf die lebenden "Opfer" des Buergerkrieges - zumeist recht junge Maenner, die ihre psychische Gesundheit im Krieg unwiederbringlich verloren haben und nun halbverrueckt nachts im Cafe sitzen und ihre verworrenen Geschichten erzaehlen. Traurig!
Wie kamen wir zu dieser Hennazeremonie im Kadugli-Stamm? Jabir wollte uns den groessten Stamm der Gegend zeigen und so waren wir nach Hadjaralmak gefahren, einem "Doerfchen" ausserhalb Kaduglis. Dort lernten wir Mohammad Rahal Mohammad Rahal (ja, zweimal!) kennen, den Haeuptling des Kadugli-Stammes. Mit ihm sassen wir zusammen unter jenem Baum, unter dem wir gerade sitzen und voller Wunder auf Andrea's Haende und Fuesse schauen, beobachten, wie die Frauen singend kleine Meisterwerke mit Henna zeichnen. Mohammad Rahal hatte uns viel ueber seinen Stamm erzaehlt, zeigt uns Photos seiner Vorfahren, halbvergilbte Aufnahmen eines britischen Kolonialisten, der einem schwarzen, praechtig geschmueckten Mann die Hand reicht. Mohammad Rahal erzaehlte uns von den Leiden seines Volkes, Verluste, die alle hier hinnehmen mussten, als der Buergerkrieg die Nuba Berge erschuetterte. Viele Maenner sind gefallen, viele Frauen vergewaltigt worden. Mohammad Rahal sieht traurig aus, wenn er das erzaehlt. Und wenn man den schwarzen Sudanesen glauben kann, ist das alles nur, weil der Sudan ein natuerliches Konfliktpotential traegt - er ist eine Grenze zwischen arabischer und schwarzafrikanischer Welt. Genau das ist laut unseres Haeuptlings hier passiert - Nordsudan und seine Araber wollen sich die Schwarzen im Sueden unterwerfen, die jedoch geben nicht klein bei - und schon hat man den schoensten Buergerkrieg geschaffen. Die Maenner, mit denen wir sprachen, heben ihre Arme gen Himmel und meinen, nur Allah koenne ihre Hoffnungen auf Frieden seit 2005 erfuellen. Mohammad Rahal hat mich gebeten, die Geschichte seines Stammes mitzunehmen und Leuten davon zu erzaehlen. Er hatte uns eingeladen, 3 oder mehr Monate bei Ihnen zu bleiben. Wir waren sehr ueberrascht, mussten aber leider absagen, da wir noch viele Kilometer zu fahren haben! Bevor wir Hadjaralmak verliessen (es war Kaffeezeit in Kadugli!!!) lud uns Mohammad Rahal ein, zu seiner Willkommenszeremonie zu kommen, er sei erst vor ein paar Tagen von seiner Hadsch (Pilgerfahrt) wiedergekommen und wuerde seinen neuen Status im Dorf des Stammes feiern. Wir fuehlten uns geehrt und nahmen dankend an. Jabir wuerde natuerlich mit uns mitkommen muessen, er ist inzwischen zu unserem Freund geworden und war stets ein guter Mittler zwischen uns und dem Rest der Nuba Berge! 
Die Zeremonie war groesser als erwartet! Selbst der Commissioner des Nuba Distrikts war gekommen. Wir wurden zu sechst an Tische platziert, auf denen man uns reichlich Essen servierte, jedoch ohne Besteck und Teller, das "kisera", eine Art Sorghum-Fladenbrot, riss man sich mit der rechten Hand in Stuecke und tauchte es in eine Schuessel mit Sosse, entweder "okra" - das sind wie kleine, schleimige Zucchinis, oder eine scharfe Ziegenfleischsosse. Alkohol gab es gar nicht, nur Wasser und nach dem Essen suessen, starken Tee. Wir waren voll und schwitzten nach dem heissen Tee in der 40+ Grad Hitze des suedsudanesischen Winters!
Etwas besonderes wartete noch auf uns - der "Kambala", ein traditioneller Tanz des Kadugli-Stammes. Auserwaehlte Maenner ziehen eine Art Bastrock an, Schellen um die Fuesse und Kuhhoerner auf dem Kopf. Dann fangen die Frauen an, in die Haende zu klatschen und mit ihren hohen Stimmchen zu singen, waehrend die Maenner rhythmisch im Kreis umhertanzen, ihre Fuesse auf den Boden stampfen und brummen. Die Luft vibriert von der Energie der Tanzenden und der Staub taucht die Abendsonne in einen mystischen Schleier. Der Kambala ist ein Tanz, der zur Ernte gesungen wird, fuer Fruchtbarkeit und Reichtum.
Andrea und ich schauen uns immer wieder an, zwinkern uns gegenseitig zu und sind einfach nur dankbar, dass wir so etwas erleben koennen, dass wir die richtigen Zufaelle erkannt und genutzt haben. Wir sind immer wieder traurig, wenn wir sehen, wie einem Land in den Medien Unrecht getan wird, bzw. wieviele Reisende dieses Land einfach nur so schnell wie moeglich hinter sich bringen wollen. Das hat der Sudan nicht verdient! Wir haben hier Freundschaften geschlossen und haben uns in den Nuba Bergen echt wohl gefuehlt, erstens gab es hier keine weissen Touristen, hoechstens UN-Mitarbeiter, jedoch sieht man die NIE in der Stadt, die sitzen alle in ihren klimatisierten Bueros ausserhalb Kaduglis, obwohl sie eigentlich die Menschen verstehen sollten, denen sie helfen! Zweitens ist ein Land ohne viel Tourismus noch ein pures, nicht korumpiertes Land - dafuer sind wir echt dankbar!
Aufbruch: | Dezember 2009 |
Dauer: | unbekannt |
Heimkehr: | Dezember 2009 |