Polnische Wirtschaft privat
Böses Erwachen und Sofortmaßnahmen
Dienstag, 30.Juli 2002
Nun steht dem Slippen von meiner Seite nichts entgegen, aber ein Kranführer ist nicht aufzutreiben. Nur zwei Leute dürfen den Kran bedienen, der gestrige Kranführer, der mit seinem Motorboot nach Wolin unterwegs ist und der 1.Vorsitzende, der irgendwo auf dem Haff bei der Regattaleitung der Oderhaffregatta ist. Er soll aber heute abend einen Termin hier im Clubhaus haben. Hoffentlich hat er dann auch Zeit, schnell mal eben ein deutsches Boot zu Wasser zu lassen. Um 18.30 ist er da, und zielsicher geht es ans Abslippen und unmittelbar danach hebt er den Mast aufs Boot, drei Mann packen mit an, und schon steht das Rigg. Vor dem Dunkelwerden spanne ich noch alle Wanten, räume an Land die Böcke und den Müll weg und beschließe, aus diesem Anlaß heute abend mir nicht an Bord Abendbrot zu machen, sondern irgendwo essen zu gehen.
Als ich das Portemonnaie aus dem Schapp holen will, stockt mir der Atem. Zwischen den Kojen schwappt Wasser in Mengen, wie ich es noch nie an Bord hatte. Sofort eimerweise pützen, bis ich die Leckstelle ausmachen kann. Es ist irgendwo am Kiel, dort läuft das Wasser zwischen die Sandwichschalen und dann in die Bilge. Etwa 3 Stunden ist das Boot jetzt auf dem Wasser, gut 30 Liter habe ich jetzt rausgelenzt. Ich kann also nur jeweils zwei Stunden schlafen, dann werde ich wieder lenzen müssen. Aufslippen geht heute abend nicht mehr, der Kranführer ist längst wieder weg.
Ich renne zunächst einmal zu Marek nach Haus, nur seine Frau ist dort, aber sie versteht, was los ist. Zehn Minuten später ist Marek an Bord und mag es kaum glauben. "Kurva" flucht er, was immer das heißen mag. Das Boot müsse wieder raus, alles noch mal von vorn. Gut gesagt, aber wie ? Vor dem Wochenende wird es keinen Kranführer geben, das heißt, alle zwei Stunden pützen, wenn es nicht noch schlimmer wird. Und wer muß pützen?
Was hat Marek falsch gemacht ? Darüber haben wir jetzt nicht die Zeit nachzudenken. Ich sage Marek, dass ich nach Hause fahren würde, um bessere Hilfsmittel zu holen: einen hydraulischen Wagenheber, um den Kiel ins Boot von unten zu drücken und nicht das Boot mit dem Kran auf den Kiel fallen lassen. Neues Sikaflex (Panthera) müßte ich extra in Hamburg besorgen. Schließlich würde ich auch noch einen Staubsauger und eine Heißluftpistole mitbringen, denn die Kiellinie müsse laminiert werden, dazu aber müsse sie knochentrocken sein.
Marek ahnt wohl, dass ich mit Kielreparaturen doch wohl schon Erfahrung habe und wird sehr kleinlaut. Ich brauche zwei Tage, um nach Hamburg und Neumünster zu fahren, solange müsse er alle zwei Stunden lenzen und notfalls an Bord schlafen. Ob Marek überhaupt Zeit hat, frage ich gar nicht erst, es muß einfach so gehen. Heute nacht schlafe ich noch an Bord, und da werde ich testen, nach wieviel Stunden man spätestens wieder pützen muß.
Ich müßte alle 3 Stunden pützen, aber ich verschlafe und wache nach 5 Stunden auf. Auch 50 Liter lassen sich in der Bilge unterbringen, ohne daß die Klamotten naß werden, nur das Lenzen dauert etwas länger.
Mittwoch, den 31.Juli 2002
Noch bevor Marek auftaucht, packe ich meine Sachen und lasse mich per Taxi nach Ahlbeck zur Grenze bringen. Dort startet um 8.04 Uhr der Zug nach Züssow, mit allen Anschlüssen bin ich um 15 Uhr in Hamburg und komme gerade noch vor Geschäftsschluß zu Adolf C.C.Rüegg, um 4 neue Kartuschen spezielle Dichtungsmasse zu kaufen, die man angeblich auch auf nassen Oberflächen verarbeiten können soll. Dem Verkäufer erzähle ich von unserem Mißgeschick. Er rät mir, das Boot das nächste Mal gründlich austrocknen zu lassen, bevor laminiert wird und bevor der Kiel wieder eingesetzt wird. Dann geht es nach Neumünster, um die anderen Sachen zusammenzusuchen. Der Seesack wird zwar nicht ganz voll, aber das Gewicht des ganzen Sperrgutes macht mir zu schaffen, besonders der hydraulische Wagenheber.
Morgen muß ich sofort wieder zurück nach Swinemünde.
Donnerstag, 1.August 2002
In der Bahn habe ich Zeit, mir auszumalen, was sich in Swinemünde inzwischen abspielt und wie es die nächsten Tage weitergehen wird. Als ich gegen 20 Uhr aus dem Taxi steige, sehe ich Binky gerade in den Seilen des Krans, der sich anschickt, das Boot aufzuslippen. Der Mast ist schon abmontiert und Hilfswillige laufen massenweise umher. 5 Minuten später liegt BINKY an Land, und statt mich zu duschen, kann ich an Bord erst einmal lenzen. Doch man bedeutet mir, ich solle gleich die Muttern der Kielbolzen lösen, am besten im Bilgewasser, dann fiele der Kiel raus und das Wasser liefe von selbst ab. Das mache ich dann auch, aber erst, nachdem ich durchgesetzt habe, dass vorher der Kiel abgestützt wird, bis alle 8 Muttern ab sind.
Dann setzt man das Boot auf einen Bock mit 4 passenden Stützen, ganz sanft und darauf bedacht, dass das Boot hundertprozentig gerade liegt. Zur Sicherung bleiben die Seile des Krans stramm, nun kann ich an Bord schlafen. Theoretisch. Erst gibt es ein kräftiges Gewitter, bei dem nichts trocken bleibt, alle Hilfswilligen verkrümeln sich, es wird dunkel und ich bleibe allein zurück. Ich schmiere mir noch ein Brot, trinke ein Bier, und dann ist mir alles egal und ich schlafe in einem Chaos von Klamotten ein. Nur das Autan gegen die Mücken muß griffbereit sein.
Freitag, 2.August 2002
Es ist schwülwarm, jeden Moment kann es wieder regnen. Und da soll das Boot nun austrocknen ! Zunächst mache ich mich von innen ans Trockenwischen. Dann lege ich die Stromleitung, um den Staubsauger anzuschließen. Dabei werde ich naß und bringe eine Menge Dreck mit ins Boot, der erst wieder weggewischt werden muß. Nachdem der Staubsager angeschlossen und das Abluftrohr zu einer Blasvorrichtung umfunktioniert ist, puste ich Luft zwischen die Sandwichschalen in die Kiellinie. Ich sehe, dass Wassermassen dazwischen herausgedrückt werden, die nach unten ablaufen. Aber immer neues Wasser läuft nach. Der Staubsauger wird stundenlang angeschlossen bleiben müssen. Das Heißluftgebläse schalte ich noch dazu, um gezielt pusten zu können, und so kriege ich zumindest die Innenseite der Bilge bis 10 Uhr trocken. Nun taucht auch Marek auf. Er staunt, wie weit ich schon bin und pustet nun von außen/unten in die Kiellinie. Aber gegen den Strom kann man schlecht schwimmen, immer wieder kommt ihm Wasser entgegen und ich bedeute ihm, das es besser ist, von innen ein paar Löcher ins Sandwich zu bohren und nur von innen, von oben nach unten zu pusten. Hierbei wechseln wir uns ab, bis es gegen mittag zumindest nirgends mehr tropft.
Nun kommt die Feinarbeit, den Luftraum zwischen den Bootsschalen zu trocknen und dafür zu sorgen, dass kein Wasser aus der Innenausschäumung austritt. Jeder mögliche Winkel wird ausgetestet, mit dem man noch Heißluft zwischen die Schalen pressen kann. Bestimmte Bohrlöcher zuhalten, in andere reinpusten und dann fühlen, ob die austretende Luft sich feucht anfühlt. Inzwischen schüttet es draußen und das Regenwasser läuft in Streifen außen am Boot runter. Aber die Kiellinie erreicht es Gott sei Dank nicht. Am Nachmittag bastele ich eine Zuluftleitung, die die Warmluft des Heißluftgebläses ansaugt und über den Staubsauger zwischen die Schalen pustet, ohne daß immer jemand Staubsauger und/oder Heißluftgerät festhalten muß. So kann ich bei laufenden Motoren ein Mittagsschläfchen halten und sogar ein Bier trinken. Inzwischen macht sich Marek von außen ans Abschleifen der Klebereste des alten Sikaflex. Dabei merkt er spätestens, dass es auf großen nassen Flächen überhaupt nicht gehaftet hatte. Jetzt aber will er ordentliche Arbeit leisten, das Laminat wird mit der Flex freigelegt und mit Aceton gesäubert. Morgen könnte er mit dem Laminieren beginnen, wenn es nicht regnet, verkündet er. Nach nur 24 Stunden Trocknung ? Um sicher zu gehen, lasse ich die ganze Nacht meine Gebläsevorrichtung weiterlaufen, auch, wenn ich kaum dabei schlafen kann.
Aufbruch: | 28.07.2002 |
Dauer: | 9 Tage |
Heimkehr: | 05.08.2002 |