Bus/Bahnreise Jordanien, Syrien, Türkei

Reisezeit: April 2011  |  von Wilfried Virmond

Vom Toten Meer über Jerash nach Damaskus

Tag 6
Sonntag, 17. April 2011
Vom Toten Meer über Jerash nach Damaskus in Syrien

Der Tag beginnt angenehm, natürlich sonnig und mit 18°C schon relativ warm. Wir wissen ja auch noch nicht, was heute alles passiert. Wenn wir auch bereits um 6:30 Uhr geweckt worden sind. Besonders angenehm: Auf der kompletten Reise brauchen wir keine Koffer zu schleppen, zu und vom Zimmer, aus dem Bus und hinein, aus dem Zug und wieder hinein, niemals mußte ich mein sauschweres Gepäck selbst transportieren. Dank der vorher zugesandten Kofferanhänger läßt sich das auch gut durchführen. Man muß sein Gepäck nur gelegentlich identifizieren; alles andere läuft automatisch und ist, wie gesagt, außerordentlich angenehm. (Als Traveller müßte ich es eigentlich besser wissen und mit leichtem Gepäck reisen. Aber das wird sich ab sofort ändern und ist beschlossene Sache!) Übrigens: Koffer sind auf dieser Tour verpönt, ich habe natürlich eine Tasche.

Heute gibt es das zweite und letzte Frühstück draußen auf der Terrasse. Alles Gepäck mußte zur Abholung durch hilfreiche Geister wieder vorher vor die Zimmertüren gestellt werden.

Leider vermisse ich kurz darauf bei der Abfahrt im Bus meine (Ingrid mühsam abgeschwatzte) Lieblings-Sonnenbrille. Das bedeutet: Schnell nochmal zurück ins Hotel wetzen, an der Rezeption neuen Zimmerschlüssel machen lassen, im dort zurückgelassenen Bademantel die Brille rausholen und blitzschnell zurücksausen. Nochmal Glück gehabt, der Bus mußte nicht allzu lange warten. Doch dann geht es endlich los, ich habe es erst gar nicht gemerkt, wir haben heute einen ähnlichen Bus aber nicht denselben von gestern. Am Mövenpick Resort und am Holiday Inn Resort vorbei geht es über eine Schnellstraße in die Berge hinauf und dann nach Norden auf der Autobahn um Ammann herum. Unser nächstes Ziel ist das antike Jerash.

Jordanien hat inzwischen reichlich Industrie, auch ein Mercedes-LKW Werk, Zement, Marmor, Glas, Chemie und Medikamente, Kosmetik mit Grundstoffen aus dem Toten Meer und natürlich sehr viel Agrarindustrie. Außerdem, nicht zu vergessen, die Tourismus-Branche mit inzwischen 13% am Bruttosozialprodukt. Leider hält man hier nichts oder nur ganz wenig von Solar- oder Windstrom, obwohl hier beide Energieformen reichlich vorhanden wären.

Bergauf wird auch gerne dreispurig auf den zwei Spuren überholt. Der Verkehr läuft sehr routiniert ab, man sollte sich nur entsprechend anpassen. Aber auch hier wird wieder mit Laser geschossen. In Amman habe ich sogar ein paar Ampelblitzer gesehen.

Große und kleine LKW mit original-deutscher Aufschrift fahren herum, wie in Ägypten. Handwerker und Spediteure können hier ihre LKW wiedersehen. Persil, Rexona und viele andere deutsche Produkte werden hier beworben. Mit der englischen Sprache hat man es nicht so genau: "Entersection" und ein paar andere Fehler habe ich auf großen Autobahn-Schildern gesehen. Oder die Wörter sind richtig und ich kenne sie nur nicht.

Kurz vor Amman gibt es einen großen Harley-Laden, obwohl ich im gesamten Land noch nicht einmal eine Handvoll Motorräder gesehen habe. Inzwischen sind wir wieder tausend Meter über dem Meer.

Interessant: Atef erzählt uns, daß der Koran keine Burka (Kopfvermummung) vorschreibt, höchstens ein Kopftuch.

Hinter Amman wird es hügeliger und bergiger. Hier gibt es endlich Kiefernwälder, alles ist grün und fruchtbar, die Wüste liegt eindeutig hinter uns. Im Nordwesten soll es sogar Naturwälder mit Eichen und Wildschweinen geben. An Bier trinkt man hier meistens im Land hergestelltes holländisches Amstel.

Süß: Ziegen nennt Atef scherzhaft Pulloverschweine.

Wieder geht es zur Abwechslung in ein Tal hinunter, ein Fluß wird überquert und den Berg wieder hinauf. Wieder betätigt unser Busfahrer emsig seinen "Blinkerhebel" zum Bremsen. In Jordanien gibt es nur ein paar Flüsse. Unzählige Gärtnereien liegen hier an der Straße.

Endlich kommen wir in Jerash an, (wird auch Jarash, Djerash oder Gerasa genannt), einer Stadt mit achttausend Jahren Geschichte und vielen prachtvollen Baudenkmälern aus allen Jahrtausenden. Dieser Ort ist das Pompeji des Ostens, mit langer (und berühmter) Kolonnadenstraße, obligatorischem Amphitheater und vielen Tempeln.

Besonders herausragend ist das Nymphäum, eine zweistöckige imposante Brunnenanlage. Das von Statuen ausgeschüttete Wasser floß hier in eine riesige mit Löwenköpfen verzierte Marmorschale und ist von den Leuten damals bestimmt sehr bestaunt worden.

"Die römische Stadtanlage aus der Zeit Kaiser Hadrians mit dem berühmten Artemis-Tempel sucht ihresgleichen im Mittleren Osten" lese ich. Natürlich auch wieder Weltkulturerbe. Und für mich ein weiteres Weltwunder. Auch dieser Ort war lange unter Wüstensand begraben und ist erst seit 1950 wiederentdeckt worden.

Mit deutlich über 30 Grad ist es hier gnadenlos heiß und es gibt nur wenig Schatten. Autsch: Leider stoße ich mich heftig an einem seit tausenden Jahren faul herumliegenden und hinterlistig auf mich lauernden Steinklotz, beachte die Wunde am Schienbein aber erstmal nicht. Gut, daß wir bereits am Toten Meer waren, mit der Wunde wäre ich bestimmt vor Schmerzen übers Wasser gelaufen...

Die nach einigen Erdbeben immer wieder aufgebauten Säulen und Tempel aus Römer- und Griechenzeit sind absolut spektakulär. Die Leute fotografieren, bis die Akkus glühen. Auch wieder ein Magischer Ort, an dem sich die Erde langsamer dreht.

Nur leider stören die überall auf den Säulen gefühllos platzierten Überwachungskameras. (Man könnte ja einen der tonnenschweren Steine klauen - oder ihn gar anpinkeln...) Auch die Stromleitungen und Mülleimer passen nicht ins Bild. Aber vor allem die fliegenden Händler nerven mal wieder. Natürlich haben alle ein Handy dabei, und wenn sie noch so arm sind. Und natürlich auch die Kinder. Und jeder Beduine. Es gibt in dieser Beziehung keinen Kultursprung mehr. Die Handymafia ist halt überall auf der Welt.

Wo sind nur all die vielen bearbeiteten Steine hergekommen? frage ich mich immer wieder. Welch eine qualvolle Arbeit! Auf meine Frage sagt man mir, daß die Steine aus dem Süden Ägyptens kamen, über den Nil und dann übers Mittelmeer oder über die arabische Halbinsel. Mannomann, die armen Menschen.

Ein römisches Wagenrennen (wie bei Ben Hur) wird in weiter Ferne am anderen Ende des riesigen Geländes aufgeführt, würde aber Extra-Eintritt kosten. Wir sind leider viel zu weit weg.

Ingrid führt uns stattdessen die tadellose Akustik des Amphitheaters vor. Es gibt hier sogar noch ein zweites Amphitheater am anderen Ende.

Inzwischen hören wir, daß heute der andere (rote) Bus mit gerissenem Keilriemen liegen geblieben war. Mühsam und ohne Klimaanlage kam er gerade noch bis Jerash. Jetzt wird ein Ersatzbus besorgt.

Auch hier, wie schon auf der Zitadelle in Amman, ertönt original-schottische Dudelsackmusik. Ich weiß nicht, ob es einen besonderen Grund dafür gibt oder ob die Musikanten einfach nur ihr Geld so verdienen.

Anschließend, also "nach der Arbeit", haben wir uns endlich das Mittagessen verdient, das uns auch wieder schnell und professionell serviert wird. Bald sitzen wir schon wieder im Bus weiter Richtung Grenze und Damaskus.

Atef erzählt uns noch ein bißchen über das jordanische Leben: Gute Krankenhäuser gibt es, für die Armen sind sie sehr billig. Die Kinder (Neffen, Nichten, Enkel) sorgen für ihre Eltern und Verwandten, deshalb gibt es so gut wie keine Altersheime im Land. Alle haben eine Krankenkasse und beziehen später eine Rente. Eigentlich ist alles sehr sozial, deshalb gibt es hier auch kaum Aufstände, wie zurzeit in vielen anderen arabischen Ländern.

Eine kleine Autokolonne überholt uns, vorneweg Polizei mit Blaulicht, ein paar dunkle glänzend polierte Limousinen, Audi, BMW und Mercedes, zum Schluß Polizei und ein Krankenwagen. Vielleicht saß ja ein wichtiger Politiker oder gar der König drin. Oder die Königin...

Wir nähern uns der Grenze nach Syrien. Alle bezahlen das Geld fürs Trinkwasser im Bus und das obligatorische Trinkgeld für Atef. ("Bitte keine Euro-Münzen!") Unsere beiden Busse fahren noch weiter bis Damaskus. Atef wird dankbar verabschiedet und fährt zurück nach Amman.

Salem Aleikum! (Grüß Gott!) Unsere beiden ausgeruhten neuen syrischen Guides, Tarif Tabbaa und Hassan Kharat empfangen uns hier.

Die Paßkontrolle aus Jordanien heraus zieht sich etwas, aber dafür können ein paar Leute im Dutyfreeshop einkaufen. Nach einer halben Stunde geht es weiter, durchs Niemandsland an die syrische Grenze. Syrien empfängt uns reichlich unwillig, denn hier beginnt das Drama: Wir kommen um 15:15 Uhr an und werden erst um 21:45 Uhr weiterfahren, also sechseinhalb Stunden Wartezeit, nur weil zwei Leute unserer Gruppe keinen Einreisestempel in ihren Pässen haben. Irgendwie war es übersehen worden. Bestimmt hängt alles mit dem Fehler bei der Einreise zusammen, wo zwei Leute doppelt auf der Liste standen und zwei andere gar nicht. Unsere Gesamtzahl stimmte, aber die Namen nicht. Unser Programm wurde inzwischen geändert: Der Besuch der antiken Stadt Bosra mit einem der weltweit am besten erhaltenen römischen Amphitheater entfällt leider aus Sicherheitsgründen.

Der andere Bus darf weiterfahren, aber wir bleiben stehen. Großzügig: Die Reiseleitung in Form von Hassan spendiert jedem eine Tasse Kaffee/Tee.

Mit meinem Unbehagen komme ich mir vor, wie an der früheren DDR-Grenze. Erst dachten wir, irgendjemand habe einen israelischen Stempel im Paß, aber es ist schlimmer, viel schlimmer, die beiden unschuldigen Leute haben keinen syrischen Einreisestempel im Paß. Und wir haben es hier mit besonders wichtigtuerischen Beamten zu tun. Hassan bemüht sich nach Kräften um die Klärung. Alle durchreisenden arabischen Leute kommen bald schon wieder aus der Paßkontrolle raus, nur Hassan nicht. Schade für die uns gestohlene Zeit. Wir sind im Niemandsland gestrandet, nur weil zwei blöde Stempel fehlen, Ende ungewiß.

Es wird Abend. Die Blumen schließen ihre Blüten, Lichter werden nach und nach eingeschaltet, die Sonne versinkt hinter dem Horizont, der Vollmond geht auf und steigt immer höher. So langsam mache ich mir Sorgen, wo wir heute schlafen werden.

Eine Frau rennt gegen eine Glastür und ich bekomme von einer barmherzigen Mitreisenden (eine andere Ingrid) ein Pflaster für meine Wunde am Schienbein, die doch etwas schlimm aussieht. Der Motor unseres Busses läuft unentwegt. Na gut, ich habe ja eine Erlebnisreise gebucht, und Erlebnisse gab und gibt es reichlich. Schließlich heißt die Firma ja auch so.

Zwischendurch gibt es Gerüchte, die beiden Leute müßten zurück zum Flughafen in Amman, um die beiden fehlenden Stempel nachtragen zu lassen. Das Ganze ist meiner Meinung nach ein Armutszeugnis für Syrien. Wenn man vom Tourismus leben will, darf man in friedlicher Absicht gekommene Touristen nicht so hart behandeln. In Syrien herrschen offenbar immer noch mittelalterliche Verhältnisse. Nach und nach verstehe ich, daß die Menschen aufmucken und dagegen demonstrieren.

Atef warnte uns noch, auf keinen Fall hier an den Grenzanlagen Fotos zu machen. Militär und Grenze dürfen auf keinen Fall fotografiert werden.

Nachdem wir alle lange genug gequält worden sind, dürfen wir endlich um 21:45 Uhr weiterfahren. Bürokratische Beamtenwillkür nervt mich freiheitsliebenden Menschen halt sehr. Ich konnte ja schon oft bei der Ein- und Ausreise in die USA ausreichende Erfahrungen mit solchen Nervereien sammeln und in mein Album der Erinnerungen einkleben.

Die Grenzanlage ist schmutzig und voller Müll, ein paar syrische Grenzbeamte sitzen im Freien in weggeworfenen zusammenbrechenden Sesseln vom Sperrmüll und spielen im trüben Licht Karten. Alles hier ist in deutlich schlechterem Zustand als drüben in Jordanien. Geradezu primitiv.

Wir tanken kurz hinter der Grenze, unsere Tankanzeige stand schon lange auf null und ich hatte auch deshalb schon ein paar Sorgen. Die Tankstelle ist eine Ruine mit wenig Licht. Aber das Benzin ist hier noch deutlich billiger als in Jordanien. 300 Liter passen in unseren Tank.

Unser Tempomat steht auf 105 km/h, 90 km/h sind erlaubt. Viel mehr geht aber auch nicht, die Autobahn ist in katastrophal schlechtem Zustand. Immer mal wieder ein Fahrzeug ganz ohne Licht, andere fahren mit Dauer-Fernlicht. Ab und zu gibt es ganz langsam dahin kriechende Fahrzeuge. Leute stehen mit Taschenlampen am Straßenrand und wollen mitgenommen werden. Gerade instandgesetzte Straßenstücke sind genauso schlecht wie die andern. Viele LKW haben schöne blaue oder rote Zusatzbeleuchtungen.

In Damaskus angekommen erstaunt mich der immer noch lebhafte nächtliche Verkehr. OK, es gibt ja auch fünf Millionen Damaszener. Hier gibt es noch mehr Fahrzeuge, die ganz ohne Licht aber auch ohne Nummernschild unterwegs sind. Überall Baustellen, überhaupt, eine rege Bautätigkeit herrscht hier, im Dunkeln sieht alles gar nicht einmal so schlecht aus. An einem Berghang sind unzählige strahlende Lichter zu sehen, Häuser und Wohnungen, die mich an die Smaragdstadt in "Der Zauberer von Oz" erinnern, oder an blitzende Diamanten in einem breiten Armband.

Wir kommen endlich um 23:15 Uhr in unserem Hotel Dedeman an und werden dort mit einem Abendessen von unserem schnauzbärtigen Chefreiseleiter Jürgen G. empfangen. Er kommt unüberhörbar aus Franken, aus Mainfranken. Die Getränke sind heute Abend frei, als Ausgleich für entstandene Umstände an der Grenze.

Mein Zimmer, und das gesamte Hotel, bedürften dringend einer Renovierung und Modernisierung. Auch hier keine Einhebelmischer im Bad, das Bad selbst ist eng, das Wasser der Badewanne läuft kaum ab, aber mein Bett ist breit und es gibt vier Kissen. Keine Uhr am Bett. Fenster geht auf.

© Wilfried Virmond, 2011
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Reisen ist nichts für Feiglinge Zu Ostern im Orient Jordanien, Syrien und Türkei Mein Tagebuch einer Bahnreise mit dem Sonderzug „1001 Nacht“ von Damaskus über Palmyra, Aleppo und Göreme nach Istanbul. Mit einer Vorab-Stippvisite im Bus nach Petra, Jerash und ans Tote Meer.
Details:
Aufbruch: 12.04.2011
Dauer: 17 Tage
Heimkehr: 28.04.2011
Reiseziele: Jordanien
Syrien
Türkei
Der Autor
 
Wilfried Virmond berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Wilfried sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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