SSSSS - Singapur, Sumatra, Sydney, Samoa, Südsee
Weiche Knie in Padang
Mein bester Schnappschuss in Padang: eine schlaue Katze hat sich vor dem tropischen Dauerregen unter einen Schirm geflüchtet
Ankunft in Padang
Liebe Leser, hier ein paar Auszüge aus meinen Aufzeichnungen aus Padang, Sumatra
"Wenige Tage später fliege ich nach Padang auf Sumatra. Immer noch quält mich der Jetlag, so dass ich im Flugzeug gleich einschlafe und nichts sehe von den ohne Zweifel eindrucksvollen Urwäldern der großen indonesischen Insel. Ich lerne gleich ein erstes Wort. Man sagt hier nicht Bus wie fast überall sonst auf der Welt, sondern Dembri. Der gut gefüllte Dembri also bringt mich vom Flughafen Richtung Zentrum von Padang. Die ersten spitzgiebeligen Häuser tauchen auf. Kühn geschwungen, wie der Reiseführer durchaus treffend beschreibt. Neben mir sitzt ein uralter Opa mit einem Käppi wie ich es früher bei dem allseits verehrten Diktator Suharto im Fernsehen gesehen habe. Darunter hat er riesige, abstehende Ohren, die ihm bei der Kommunikation allerdings nicht mehr viel zu helfen scheinen. Denn in sein Nokia-Handy, das der Alte zu meiner Überraschung besitzt, schreit er immer in eine Art und Weise rein, die darauf hindeutet, dass er vom anderen Ende nicht allzu viel mitbekommt. Schließlich reicht er das ja nicht zu Unrecht "mobil" genannte Gerät an seinen Nachbarn zur Linken weiter, ein adretter Herr Mitte 30, der routiniert das Gespräch abwickelt. Obwohl ich kein Wort verstehe, vermute ich - wie sich wenige Minuten später herausstellen soll: vollkommen zurecht - dass der faltige, schwerhörige Opa auf Reisen war und nun irgendwo abgeholt werden soll. Man darf vermuten, dass der Großvater mit Freuden erwartet wird, denn auf seinem Schoß stapeln sich mehrere Kisten, aus denen - wenn auch für mich nicht exakt definierbares - Essbares hervorlugt. Auch meine Vermutung, dass der hilfsbereite Mittdreißiger ein wenig Englisch können sollte, erweist sich als Volltreffer. Ich spreche ihn an, um erste Informationen über die Minangkabau zu gewinnen. Zuvörderst aber erreiche ich mit - zugegeben erwarteter - Leichtigkeit, seine Bereitschaft, dem Busfahrer ein entschiedenes "Stopp" zuzurufen, sobald das nun bereits etwas entleerte Gefährt die Nähe meines Hotels erreichen wird. Mein Nachbar ist gleichermaßen interessiert an mir wie ich an ihm, so dass das nur aufgrund eher schwächeren Englischs holprig zu nennende Gespräch schnell etwas Fahrt aufnimmt. Der sanftmütig dreinschauende Mann - darin 98 Prozent seiner Landsleute nicht unähnlich - erzählt, dass er ein Pendler sei zwischen den Inseln Borneo und Sumatra. Doch sein Zuhause sei hier, in Padang. Er sei aber zur See gefahren, kenne auch die deutschen und noch mehr die niederländischen Gewässer. In Anbetracht der mutmaßlich nicht mehr allzu langen gemeinsamen Fahrt im Dembri komme ich zur Sache und frage keck, ob er denn ein Minangkabau sei. Und - nachdem er erwartungsgemäß mit ´Ja´geantwortet hat - wie es sich denn verhalte, das Leben als Mann, in der weiblich dominierten Gesellschaft. Nein, exakt so formuliere ich die Frage nicht, da ich weiß, dass das eher Abstrakte oft nicht leicht einzuschätzen ist von Seiten der nicht immer mit westlichem Denken so sehr vertrauten aber dennoch sehr auskunftsbereiten Tropenbewohner. Und so lautet meine Frage - wenn ich sie denn recht erinnere - eher etwa in die herantastende Richtung: "Ist es wahr, dass die Frauen hier alles besitzen?" Und um diesem erstaunlichen Faktum noch eins drauf zu setzen, um es sozusagen zu bekräftigen: "Und die Männer nichts?" Das lacht der sanftmütige Minangkabau und belehrt den wohl alten Mythen aufsitzenden Reisenden mit einem "We are modern Minangkabau", wobei das "modern" besonderer Betonung unterzogen wird, so dass kein Zweifel daran bestehen kann, dass der bereits mit Nordseewassern gewaschene Seemann die westliche Weltanschauung nicht nur sehr genau kennt, sondern sozusagen bereits in sein eigenes Leben implementiert hat. Mit der Konsequenz, dass - wenn ich den folgenden Abschnitt unserer Konversation richtig verstanden haben sollte - er und seine Frau ein gemeinsames Konto bei der Bank haben. Auf das - doch dies ist eher meine Vermutung als seine Aussage - Beide einzahlen und von dem - auch das ist spekulativ, erscheint mir aber aufgrund seiner Reisetätigkeit und der damit verbundenen Tatsache, dass seine Frau sich vorrangig um Haus und die beiden Kinder kümmern muss - von dem also Beide auch das Recht haben sollten, Geld abzuheben. Der Sanftmütige, der - wie ich zugeben muss - nicht unterdrückt wirkt, gibt mir zu verstehen, dass er auch in Bezug auf die Kinderzahl als "modern" zu bezeichnen sei. Seine Eltern hätten noch sieben Kinder auf diese schöne Welt gebracht, doch bei ihm und seiner kontoabhebeberechtigten Gattin sollte es wohl bei den beiden Kleinen bleiben. Die Erziehung -ich nehme an, er meint damit vor allem die schulische - koste schließlich viel Geld. Das nun klingt in der Tat "modern" und aus meiner Autorensicht fast enttäuschend "modern", bin ich doch in das Land der Minangkabau gereist, um das "Andere", vielleicht sogar das "Absonderliche" zu finden. Einzig tröstlich in diesem Moment ist für mich, dass ich zum wiederholten Mal einen jungen Mann entdecke, der längere, ja - man muss wohl sagen - feminin lange und wohl auch gefeilte und damit zeigend, dass er sich dessen bewusst ist, also jedenfalls, sehr, sehr lange Fingernägel hat. Bereits im Flugzeug fiel mir der ein oder andere junge Mann damit auf und ich beschließe insgeheim, diesem - wohl kaum passender als so zu nennenden Fingerzeig - in Kürze nachzugehen.
Nun ist es an der Zeit, meinem modernen Reisegefährten Adieu zu sagen, denn er deutet mir, dass es Zeit für mich sei, den Dembri zu verlassen und zu diesem Zweck ruft er dem Dembrilenker Worte zu, die wohl nur bedeuten können, dass dieser nun hier anhalten sollte.
Recht unvermittelt befinde ich mich auf einer größeren Kreuzung wieder. Neben mir sämtliches Reisegepäck, doch - wie mir bei einem Griff in meine Hosentasche sehr schnell und erschreckend bewusst wird, ohne mein Portemonnaie, das mir aufgrund größerer Geldbeträge in verschiedenen Währungen, um es exakt zu sagen: in Euro, US- und Singapur-Dollars sowie indonesischen Rupien sowie aufgrund - bedenkt man meinen Status als Reisender - recht wichtiger oder geradezu notwendiger Maestro- und Kreditkarten, nicht zu vergessen Personalausweis, Führerschein und Miles und More Karte, nun hier und jetzt nicht abhanden kommen sollte. Ich bemerke, dass der Bus in dieser Schrecksekunde immer noch neben mir steht, gerade aber Anstalten macht, davon zu fahren, so dass ich heftig gegen die hintere Tür hämmere, um die Dringlichkeit meines Anliegens zu betonen. Und nachdem sich die Tür tatsächlich öffnet, erkläre ich den überrascht Schauenden - darunter mein sanftmütiger, moderner Sitznachbar - den Verlust meines Geldbeutels, woraufhin mehrere Hände sich auf meinem und benachbarten Sitzen sowie in den Schlitzen und auf dem Boden betätigen, um den europäischen Geldbeutel aus dem indonesischen Bus zu hieven. Was aber gar nicht gelingen kann, da - dies bemerke ich bei einem nervösen Blick zur Seite - eben dieses Portemonnaie sich auf der Straße befindet, direkt an der Bordsteinkante, wohin es gefallen sein muss - und zwar aus meiner Hosentasche, wo ich es gewöhnlich trage - in Folge meines vielleicht etwas überhasteten Ausstiegs aus dem Dembri. Gleichermaßen überrascht, dass dies so leicht passieren konnte wie auch erfreut, nach einem kurzen Bücken wieder im Besitz der für den weiteren Verlauf meiner Reise nicht unwichtigen Plastikkarten und Barmittel zu sein, wedele ich nun mit meinem braunen Lederbeutel den immer noch Suchenden - darunter weiterhin der seine Hilfsbereitschaft erneut unter Beweis stellende moderne Minangkabau - zum Abschied zu, noch schnell rufend "I´ve found it", dabei demonstrativ und hoffentlich auch ein bisschen entschuldigend lächelnd, bevor der Dembri nun wirklich unwiderruflich seine Hintertür schließt und davon braust. Die nächste Aufgabe, einen viel befahrenen, jedoch ohne Ampel ausgestatteten, Verkehrskreisel samt Gepäck zu überqueren, bewältige ich mit relativer Leichtigkeit. Und auch den auf der jenseitigen Straßenseite bereits gewissermaßen auf mich lauernden Taxifahrer kann ich relativ schnell überzeugen, mich für nicht mehr als 25.000 Rupien zum avisierten Hotel zu bringen, das einen durchaus "modernen" Eindruck macht, was mich in diesem Falle nicht stört, so dass ich mich entschließe, ein bis zwei Nächte hier zu verbringen."
Die traditionelle Architektur der Minangkabau
Der Autor schließt erste Bekanntschaften mit den Minangkabau
Überraschung! Schwarzrotgold ist auch die Flagge Westsumatras, des Landes der Minangkabau
Das Beben
Kurze Zeit später lerne ich "Mery" kennen. Wir essen gemeinsam in einem Restaurant, als Folgendes passiert:
"Sensible Beobachter könnten es auch als ein Zeichen betrachten, dass nach einem ersten Abtasten (in selbstverständlich keinerlei - das ist eigentlich gar nicht der Erwähnung wert! - physischen Art und Weise) der Boden leicht, aber doch merklich unter meinen Füßen zu zittern beginnt. Mery allerdings hält meinen entsprechenden Hinweis darauf zunächst für einen Scherz (obwohl sie mich doch kaum eine halbe Stunde kennt) und denkt - wie sie mir tags drauf erzählen wird - als es immer heftiger zu wackeln beginnt, dass ich, beziehungsweise ein Trampeln unter dem Tisch meinerseits verantwortlich für die immer heftigeren Schwankungen sei. Erst, als die ersten Menschen in - ja, man kann fast sagen - Panik das Restaurant Solaria verlassen, verfliegen auch Merys Zweifel am nun in Padang stattfindenden sogenannten Erdbeben. Ich laufe nun flugs aus dem Plaza Andalas, dabei immer nach oben schauend, ob irgendwelche Teile des Baus sich vielleicht bereits lösen und demzufolge herunterfallen könnten, was aber nicht geschieht, so dass ich - wie man sagt - heil, doch mit etwas zitternden Beinen mit einigen Hundert anderen Menschen die Straße erreiche, von denen Manchen - wie man zu sagen pflegt - der Schrecken im Gesicht steht. Andere aber schauen ganz entspannt, wohl schon ahnend, dass es nicht so schlimm ist wie damals, 2009, als mehrere Hundert Menschen in Padang dem Beben zum Opfer fielen, auch im Plaza Andalas, wo ein Feuer ausbrach, wie mir Mery nun berichtet, nachdem sie verspätet aus dem Solaria herausgekommen ist, da sie beim ersten Verlassen des Gebäudes in Zerstreutheit - oder war es doch Panik? - ihren Laptop auf dem Tisch des Restaurants vergessen hatte. Den sie zuvor aufgeklappt hatte, um mir auf einer Karte die kulturell wichtigen - also von mir unbedingt zu besuchenden - Orte Westsumatras zu zeigen.
Abgesehen von dieser kleinen Vergesslichkeit erscheint Mery aber immer mehr als bestens informierte und engagierte junge Minangkabau-Dame, besonders, nachdem sie nun ihr Handy hervorholt und sofort über Epizentrum und Stärke des Bebens Auskunft zu geben weiß. Arbeitet sie doch als Freiwillige in einer Organisation, die sich um Evakuierungs- und Rettungsmaßnahmen verdient macht im Fall der Fälle, also im sogenannten Not-Fall. Mery weiß auch von einem Tsunami zu berichten, der irgendwann, mutmaßlich (falls ich das richtig höre) nach dem Auseinanderbrechen einer der sogenannten Mentawi-Inseln, ihre Stadt, also Padang, komplett zerstören würde. Die nüchterne Art und Weise, wie Mery das erzählt, deutet darauf hin, dass sie und mit ihr wohl die meisten Menschen der Gegend an sogenannte Naturkatastrophen gewöhnt sind und sie mit einer Art Nüchternheit zur Kenntnis nehmen, die uns - sagen wir: Mitteleuropäern - eher fremd ist."
Die Padang-Küche: berühmt für ihre Schärfe
Das Gelbe auf der Gurke: gebratene Büffelhaut!
Junge Minangkabau beim Üben des - sagen wir mal - Tellertanzes
Schön hässlich: das Einkaufszentrum Plaza Andalas mit dem Restaurant Solaria im Vordergrund, aus dem ich vor dem Erdbeben flüchte.
Mitbringsel von Mery: leckere indonesische Früchte. Ich glaube, sie heißen Duki, aber das sollte ich noch mal recherchieren....
Nun ja, Ihr, die es wissen müsst, wisst schon, warum....
Ein Hotel, das beim Erdbeben 2009 schwer beschädigt wurde
Das war´s für heute aus dem von mir so genannten Venedig Sumatras, also aus Padang
Aufbruch: | 01.03.2012 |
Dauer: | 7 Wochen |
Heimkehr: | 19.04.2012 |
Indonesien
Kolumbien