Mit dem Moped nach Rimini
Am Tag, als der Regen kam ...
Wir fuhren an einem Montagmorgen um 02:00 Uhr bei strömendem Regen und mit 180 DM in der Tasche los. Die Mopeds waren beladen mit dem Zelt und den Kochtöpfen, einem Campingkocher und was man noch so alles benötigte.
Herberts Vater hatte sich einen teuren Fotoapparat auf Raten gekauft, den gab er uns mit, sagte aber mindestens 10 Mal "Gebt Acht, lasst ihn nirgends liegen, der ist nämlich noch nicht bezahlt."
So sah das damals aus!
(Quelle: http://www.mode-im-wandel.de)
2 Mal zwischen Nürnberg und München fuhr ich einen Platten, daraufhin entschlossen wir uns in München, einen neuen Schlauch und Mantel zu kaufen. Danach ging's weiter und gegen Abend waren wir am Walchensee. Es regnete immer noch.
Mein Glück war, ich bekam von Konrad, meinem Erzeuger, extra für diese Reise einen US-Hubschrauberpilotenanzug geschenkt. Der war aus einem Stück und innen warm gefüttert. Der ließ keinen Regen durch.
Am Walchensee schlugen wir unser Zelt auf und übernachteten auf einem Campingplatz.
Am nächsten Tag ging es bei Regen weiter Richtung Italien. An der österreichischen Grenze fragte uns ein Zollbeamter, wo wir denn hin wollen. Als wir ihm sagten nach Rimini, da erklärte er uns für verrückt.
"Fahrts halt zum Mondsee", sagte er immer wieder, "ihr glaubts gar nicht, wie schön es am Mondsee ist", doch ein Blick zum Himmel und der Dauerregen hielten uns von seinem Vorschlag ab.
Am Abend erreichten wir Sterzing oder Vipiteno, wie es auf Italienisch heißt. Wir waren in Italien, hatten den Brennerpass hinter uns gelassen, es regnete immer noch.
Uns fiel auf, dass zu dieser Zeit bereits sehr viele Holländer mit ihren Wohnwagen unterwegs waren in Richtung Italien. Als die unser "D" am Moped sahen, da winkten sie alle und es war ein Hallo. Es war aber im Vergleich zu heute noch sehr ruhig auf den Straßen und wir zwei mit unseren Mopeds fielen natürlich auf, jedenfalls nach der italienischen Grenze. Wer fuhr soo weit mit solch einem fahrbaren Untersatz?
Am nächsten Tag fuhren wir weiter über Brixen in Richtung Venedig. Es regnete immer noch, was der Himmel hergab, vorbei ging es an Cortina Dampezo, dort sahen wir die Sprungschanze aus dem Nebelgrau, denn 1956 war dort die Winterolympiade.
Danach begann eine lange, nicht enden wollende Serpentinenstraße immer bergab.
Kurz vor Venedig lachte dann zum ersten Mal die Sonne. Vergessen war das Regenwetter.
Bella Italia. Ich zog den warmen Pilotenanzug aus.
In Padua machten wir Halt, denn Herbert wusste hier einen wunderbaren Campingplatz, nur wo der genau lag, das wusste er nicht. Also fragten wir nach dem Campingplatz, doch keiner verstand uns, die einzigen italienischen Wörter, die wir kannten, waren Albergo(Gaststätte) Late(Milch) und Wurso(Wurst), also das brachte uns zum Verzweifeln.
Da hatte Herbert eine glänzende Idee, er nahm das Zelt vom Moped und zeigte es den umstehenden Leuten, aber "nix capido".
Der Menschenauflauf wurde immer größer, denn da gab's was zu sehen. Viele der Umstehenden sagten "Tedesco" und bestaunten unser Avanti-Moped, nur wo der Campingplatz ist, das verriet uns keiner.
Herbert begann gerade, am Gehsteig das Zelt aufzubauen (dann begreifen die das bestimmt, meinte er), da plötzlich ein "si si capito".
Na Gott sei Dank.
Wir fuhren dann zum Campingplatz, vor uns ein freundlicher Italiener mit seinem Fahrrad, der uns den Weg zeigte. Wir wurden für unsere Mühe belohnt, es war ein wunderschöner Campingplatz, dort blieben wir mal 2 Tage.
Wir mussten uns ausruhen, die Beine vertreten, die Sonne genießen. Wir waren überglücklich, wir waren bereits in Padua.
Eines muss ich ja sagen, die Qualität dieser Mopeds war wirklich noch Deutsche Spitzenarbeit. Der Motor schnurrte den ganzen Tag munter drauflos und trotz Auffrisieren gab es keinerlei Probleme (noch nicht).
Als wir nach der wohl verdienten Pause weiterfuhren, da nahmen wir uns vor, heute schaffen wir den Weg bis Rimini.
Überall winkten uns freundliche Menschen zu, als sie unser "D" am Moped sahen. Ein Bauer, der auf einem Feld arbeitete, lud uns zum Essen ein, aber wir wollten unbedingt nach Rimini.
Irgendwo auf der Fahrt zur Adriaküste fuhren wir eine Tankstelle an und der Tankwart gab uns nicht das Gemisch für 2-Takt-Motoren, sondern normales Benzin. Nach einer kurzen Strecke gab es bei uns beiden plötzlich Probleme mit dem Motor.
Da fiel Herbert ein, dass wir ja an der normalen Zapfsäule getankt hatten und nicht bei der für 2-Takter. Bei der nächsten Tankstelle kauften wir Öl und gaben es in den Tank, die Mischung war aber immer noch nicht die optimale, aber wir kamen am Abend in Rimini an.
Es war ein wundervoller, sonniger Tag, wir hatten es geschafft, mit einem Moped von Nürnberg nach Rimini.
Herbert sagte: "Ich schau jetzt 14 Tage kein Moped mehr an, ich will mich hier so richtig erholen."
Am nächsten Abend gingen wir in eine Gaststätte und aßen Spagetti. Der Ober wollte wissen, was wir zu trinken möchten, da wählten wir Rotwein, der hieß "la crema Christi" oder so ähnlich (übersetzt heißt er "die Schweißtropfen Christi").
Auf jeden Fall fragte er, wie viel, ich sagte "quattro", er erstaunt "quattro"? Ich "si si Signore, quattro".
Herbert war wirklich stolz auf mich und meine Italienisch-Kenntnisse. "Herbert", sagte ich zu ihm, "quattro heißt zwei und gleich wird er 2 Gläser Wein bringen."
Dann kam er wieder, der Herr Ober, dabei hatte er 4 Flaschen Wein. Jetzt klärte uns ein Gast auf, dass quattro 4 heißt und nicht 2. Oje, schwäre Sprake.
Aber ich sagte: "Lassen's die 4 Flaschen da, die werden schon getrunken".
Aber wer schon mal diesen Wein getrunken hat, der weiß, wie stark und süß der ist. Wir nahmen 3 volle Flaschen mit zum Campingplatz, da waren wir mit Wein mal versorgt.
Am nächsten Morgen, es muss schon sehr spät gewesen sein, standen wir schlaftrunken auf und Herbert sagte zu mir, dass ich gestern auf dem Nachhauseweg vor lauter Rausch mitten auf der Straße lag und ein Bus konnte nicht mehr weiterfahren.
Der Busfahrer und etliche Passanten trugen mich zur Seite auf den Bürgersteig. Halb Rimini war auf den Beinen, um diesem Schauspiel beizuwohnen.
Ich glaubte ihm kein Wort, doch als wir später am Strand waren, da deuteten viele Leute mit dem Finger nach mir. "Siehste", sagte Herbert, "die waren alle dabei gestern Nacht".
Eine rothaarige Italienerin sprach von "Tedesco Katastropha Mama mia - Madonna".
Es war eine wunderschöne Zeit damals in Rimini und wir erholten uns super.
Mama mia - Madonna!
(Quelle: http://www.mode-im-wandel.de)
Alle Tage Sonnenschein und weit weg vom häuslichen Umfeld, da erholten wir uns wunderbar.
Untertags badeten wir in der Adria oder lagen faul rum.
Gegen Abend fuhren Autos mit Lautsprecher die Strandpromenade entlang, um Reklame zu machen für das eine oder andere Lokal.
Alle Abend gingen wir zu einer Fischbraterei, dort gab es gegrillte Sardinen. Das war eine Spezialität.
Auch das Obst war bedeutend billiger als in Deutschland.
Am Strand war ein Pizzabäcker und alle Abend standen dort die Leute Schlange, um sich so eine Köstlichkeit zu kaufen.
Es war ein alter Ofen, wie ihn die Bauern heute noch teilweise besitzen, um Brot zu backen. Das ganze roch sehr verführerisch. Herbert freute sich ganz besonders und konnte es gar nicht mehr erwarten, bis er ein Stück in seinen Händen hielt.
Als ich meine Pizza bekam und einmal reinbiss, da schmeckte mir das auf einmal nicht mehr, ich schenkte es einem kleinen italienischen Jungen, der sich königlich freute.
In den Geschäften musste man handeln.
Herbert kaufte sich ein paar moderne italienische Schuhe und wir handelten den Preis runter, bis wir der Meinung waren, jetzt haben wir ein Schnäppchen gemacht.
Wieder am Strand angekommen, zeigten wir allen die neuen Schuhe. Einem Italiener gefielen diese so gut, dass er auch dort hinging, um sich dieselben Schuhe zu kaufen.
Als er wiederkam, nannte er seinen erzielten Preis und der war weit unter unserem. Herbert konnte es gar nicht glauben.
Des Öfteren ermahnte ich meinen Freund während unseres Aufenthaltes, er möge doch bitte mal die Fahrtauglichkeit unserer Mopeds überprüfen. Aber er hatte keine Lust.
Aber es hieß auch eines Tages wieder Abschied nehmen von der schönen Adriaküste. Braun gebrannt und bester Laune machten wir uns auf den Nachhauseweg.
Herbert entschied, dass wir einen anderen Weg nehmen, "wir fahren über den Gardasee und dann weiter Richtung Germany", sagte er bestimmend.
Am Anfang ging es noch ganz gut mit unseren Mopeds, aber wenn dann eine große Steigung kam, tat sich der auffriesierte Motor schon schwer. Man hat bei der Reise sehr viel abverlangt vom 49-ccm-Motor.
Dazu kam noch, dass unser Geld immer weniger wurde.
In Riva am Gardsee aßen wir seit langem wieder mal was Handfestes. Wir konnten das Wort "Spaghetti" schon gar nicht mehr hören.
Entlang des Gardasees standen Kinder und verkauften Orangen und Zitronen.
An irgendeiner Grenze (ich weiß heute nicht mehr, welche) fuhren wir vor lauter Abgespanntheit und Müdigkeit einfach durch, keiner von uns beiden hatte bemerkt, dass wir eine Grenze passiert hatten. Nach ein paar Kilometern stoppte uns ein Auto vom Zoll. Höflich fragten Sie uns, ob wir die Grenze nicht gesehen hätten.
Wir mussten unsere Sachen auf den Boden legen und die Zöllner kontrollierten unser Gepäck. Nachdem alles in Ordnung war, durften wir weiterfahren.
Kurz vor Augsburg hatten wir noch 10 Pfennige, wir müssen langsam fahren, ermahnte mich Herbert immer wieder, damit das Benzin reicht.
Da bemerkte ich, dass ich den Rucksack nicht mehr hatte, wo auch der Foto von Herberts Vater drin war.
Für meinen Freund brach eine Welt zusammen, "ohweh oohje", sagte er immer wieder und: "mein Vater muss noch etliche Raten abzahlen".
Bergab schalteten wir den Motor ab, um Sprit zu sparen.
Gott sei Dank hat das Benzin bis nach Hause gereicht.
Überglücklich waren wir wieder zu Hause.
Meine Eltern waren glücklich.
Der Alltag hatte uns wieder.
Seniorchef Günter
Aufbruch: | 01.07.1958 |
Dauer: | 9 Wochen |
Heimkehr: | 30.08.1958 |