Exkursion nach Heidelberg
Ein Tagesausflug nach Heidelberg - eine Uni-Exkursion in die Universitätsbibliothek und anschließend einige Stunden in dieser berühmten Stadt für mich!
Exkursion nach Heidelberg
Natürlich hatte ich schon viel von Heidelberg gehört, es ist eine dieser berühmten deutschen Städte, von denen alle älteren amerikanischen oder australischen Touristen schwärmen, die man irgendwo auf Reisen trifft! Und natürlich war mir auch aufgrund meines Studiums die Heidelberger Romantik bekannt. Eine Stadt, die ich also sehen musste - aber in naher Zukunft stand sie nicht auf meiner Liste. Wie so oft kam es aber anders, denn einer meiner Professoren veranstaltete eine Exkursion nach Heidelberg, und als ich das hörte, schrieb ich mich natürlich sofort dafür ein. Die Exkursion war Teil eines Seminars zum mittelhochdeutschen Prosa-Lancelot, eine wahnsinnig umfangreiche Erzählung über die Liebe von Lancelot und Ginover und die Zerstörung des arthurischen Königreiches (und mit umfangreich meine ich umfangreich - Lust auf 5526 Seiten, anyone?) Während des ganzen vergangenen Semesters hatten wir dieses Werk aus dem 15. Jahrhundert gelesen und darüber diskutiert. Das größte und schönste Manuskript dieses Werks befindet sich in der Bibliothek der Universität Heidelberg, darum die Exkursion. Wir würden den Vormittag in der Bibliothek verbringen und dann den Nachmittag zur freien Verfügung haben. Ein ganzer Tag in Heidelberg, bezahlt von der Uni? Besser geht's nicht! Und ich wollte auch unbedingt die Chance nutzen, eine mittelalterliche Handschrift sehen und darin sogar blättern zu können, denn die Chance dazu hat man nicht oft. Wenn man solche Handschriften im Museum sieht, dann ja nur hinter Glas, und nur die gerade aufgeschlagenen Seiten... Ich hatte mein Studium fast beendet, also war dies meine letzte Chance!
Im Vorfeld recherchierte ich natürlich noch ein wenig und suchte einige Dinge heraus, die ich am Nachmittag gerne machen würde. An einem sonnigen Samstag im Juli ging es dann erstmal für mich mit dem Zug nach Köln, wo auf dem Parkplatz meine Kommilitonen im Auto warteten. Wir waren nur ein kleines Grüppchen, und so fuhren wir mit zwei Autos los. Es war noch sehr, sehr früh, denn wir mussten schon um 10.00 Uhr in Heidelberg sein. Etwas auf den letzten Drücker kamen wir an und stürmten dann auch sofort in die Bibliothek, denn wir hatten haargenau zwei Stunden, dann würde der Besichtigungsraum für uns wieder geschlossen sein.
Hauptgebäude der Universitätsbibliothek
In einem kleinen Raum wurden mehrere Codices (also die Handschriften, die zu dicken Büchern gebunden waren) auf einem speziellen Wagen herein gefahren, und unser Professor nahm einen nach dem anderen heraus und platzierte sie auf dem Tisch. So standen wir also um den Tisch herum und konnten sie betrachten, und mit Handschuhen auch umblättern. Highlight war natürlich der Prosa-Lancelot, eine wirklich große Handschrift (die Seiten sind 52,2cm mal 36,9cm groß), deren Seiten wunderschön bemalt sind. Wahnsinn, wie gut die Farben erhalten sind, und was für ein Aufwand es im Mittelalter war, so etwas herzustellen. Mönche saßen jahrelang daran, Tag und Nacht ohne elektrisches Licht, und so ein Codex war unglaublich wertvoll, da jede Seite aus Schafshaut hergestellt wurde und die Farben zum Teil aus Edelsteinen gewonnen wurden. Und nun stand ich da und durfte in diesem Buch blättern - ich hatte sooo Angst, etwas kaputt zumachen! Aber nein, dieses Buch hatte die letzten fünfhundert Jahre überlebt, und natürlich überlebte es auch uns.
Weitere Werke, die wir anschauten, waren das älteste Manuskript des Werkes Iwein von Hartmann von Aue aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, ein Manuskript, das Parzival und Lohengrin von Wolfram von Eschenbach beinhaltete, sowie ein weiteres Manuskript des Prosa-Lancelots, das etwas jünger war (16. Jahrhundert). Ein weiteres Highlight war ein Lohengrin-Codex von Friedrich von Schwaben, der viele fantastische Bilder enthielt, die teilweise sogar richtig humorvoll waren.
Die zwei Stunden vergingen wie im Flug und ich war einfach beeindruckt und fasziniert. Mediävistik war immer mein Lieblingsfach in der Uni gewesen, aber ab heute war ich ein wirklicher Freak!
Wir schauten noch kurz eine kleine Ausstellung an, die es hier gab, dann war der offizielle Teil der Exkursion beendet.
Treppenhaus in der Bibliothek
Nun war es so, dass meine Kommilitonen Heidelberg alle schon recht gut kannten und teilweise auch Freunde hier hatten, die sie trafen und bei denen sie auch übernachten wollten. Alle gingen erstmal in ein gutbürgerliches Restaurant, was eh nicht mein Stil ist, und ich wollte meine Zeit ja lieber anderweitig nutzen, also verabschiedete ich mich jetzt und begann meine eigene Erkundung Heidelbergs. Erste Anlaufstelle war natürlich das Schloss!
Ich nahm nicht die kleine Bahn, die rauffährt, sondern ging zu Fuß hoch. Das dauerte nur ca. 15 Minuten, und ich genoss dabei die Ausblicke auf die Stadt und den Neckar.
Auf dem Weg hoch zum Schloss - man sieht auch Teile der Befestigungsanlagen
Oben kam ich an einer Terrasse an, die einen wirklich wunderbaren Blick bietet. Anscheinend sollen die Blicke von der anderen Seite des Flusses, wenn man dann auch noch das Schloss sieht, noch besser sein - aber ich fand das hier schon wunderschön und verstand nun auch, was jedes Jahr Millionen von Touristen hierher zieht. Good Old Germany... hier fand man es!
Vom Schloss selbst war ich dann ein bisschen enttäuscht, obwohl ich dazu sagen muss, dass ich es nicht von innen besichtigt habe. Ich fand alles ein bisschen uninteressant und ohne Atmosphäre. Aber wie gesagt, vielleicht ändert sich das ja, wenn man noch mehr davon besichtigt.
Das Schloss ist eine Ruine, obwohl gerade das vielleicht auch das Erfolgsgeheimnis ist - so passte es perfekt zu den romantischen Vorstellungen des 18. und 19. Jahrhunderts, ähnlich der vielen Ruinen in Schottland, von denen ich einige ein Jahr später besuchte.
Die ältesten Teile des Schlosses stammen aus dem 14. Jahrhundert, obwohl das meiste während der Renaissance gebaut wurde. Im 18. Jahrhundert wurde es dann von der Französischen Armee zerstört, und als Ruine belassen, um später gemeinsam mit den grünen Hügeln ringsum und dem malerischen Neckar die Romantik-Kulisse schlechthin zu bieten, was Größen wie Goethe, Brentano, Eichendorff, Hölderlin und später auch Thomas Mann hierher lockte.
Auf dem Schlosshof
Der Friedrichsbau, der jüngste Teil des Schlosses
Ottheinrichsbau
Da jetzt im Juli Hochsaison war und man das Innere des Schlosses nur mit einer Führung besichtigen kann, entschied ich mich dagegen. Es war ein schöner sonniger Tag und so hatte ich keine Lust, die wenige Zeit, die ich hatte, mit Schlange stehen und in überfüllten Räumen zu verbringen...
Also lief ich wieder runter in die Stadt und schlenderte die Hauptstraße, Heidelbergs Fußgängerzone, entlang. Es war Mittagszeit und die Restaurants waren gerammelt voll, viele Touristen liefen die Hauptstraße entlang, aber es war trotzdem noch angenehm.
Blick vom Kornmarkt auf das Schloss
Hauptstraße
Das barocke Rathaus
Das Haus zum Ritter ist eines der berühmtesten Gebäude in Heidelberg. Es stammt aus der Renaissance und wurde nach St Georg benannt, dem Heiligen, der einen Drachen besiegte. Als im Jahr 1693 die gesamte Stadt von einem Feuer zerstört wurde, war dies das einzige Haus, das erhalten blieb, da es das einzige Steinhaus war. Später wurde es als Rathaus genutzt und ist heute ein Hotel. Einst schlief hier Victor Hugo auf seinen Deutschlandreisen.
Die Heiliggeistkirche befindet sich direkt am Marktplatz. Sie hat eine kuriose Geschichte, denn nach der Reformation konnte man sich nicht entscheiden, ob sie nun katholisch oder protestantisch sein sollte, also wurde einfach eine Mauer durchgezogen und die Kirche geteilt!
Heute ist sie protestantisch und von der Mauer ist nichts mehr zu sehen
Das Medersche Haus, ein sehr schönes barockes Eckhaus mit einer Marienstatue
Inzwischen hatte ich richtigen Hunger und kaufte mir schnell ein Subway-Sandwich, da ich mich heute nicht lange mit dem Essen aufhalten wollte. Weiter ging's, und ich sah abseits der Hauptstraße den Schimmer eines großen, alten Gebäudes und ging interessiert hin. Erst war ich gar nicht sicher, was für ein Gebäude es war, denn die große Fassade wirkte nicht gerade einladend. Es war aber eine Kirche, die Jesuitenkirche. Beim Eintreten war die Überraschung dann umso größer, denn das Interieur ist wunderschön - alles ist weiß, mit vielen Farbtupfern und viel Gold, sehr elegant und kostbar. Manche Teile stammen ursprünglich aus der Heiliggeistkirche, da die Jesuitenkirche während der napoleonischen Kriege als Krankenhaus genutzt wurde und die gesamte originale Einrichtung verloren ging.
Jesuitenkirche
St Hubertus
Hinter der Kirche ist ein kleiner, herrlicher Garten versteckt, der durch die Kirche betreten werden kann - ein besonderer Tipp für eine kleine Verschnaufpause abseits des Trubels!
Am Ende der Hauptstraße kam ich am Bismarckplatz an und nahm von hier die S-Bahn nach Handschuhsheim, einen wenig besuchten Stadtteil. In einem Reiseforum hatte ich nämlich einen "Geheimtipp" bekommen: Die Kirche in Handschuhsheim mit ihren mittelalterlichen Fresken. Da mein Tag ja sowieso dem Mittelalter gewidmet war, passte das doch perfekt!
Ich fand es sehr angenehm, dem Trubel in der Innenstadt für ein Weilchen zu entfliehen und etwas Interessantes weitab von den Hotspots zu besuchen.
In Handschuhsheim angekommen, steuerte ich die St Vitus-Kirche an und fand sie auch recht schnell. Die Kirche ist ein architektonischer Mischmasch: Gebaut im 11. Jahrhundert, stark verändert im 15. Jahrhundert, und dann noch einmal 1933, so dass das Kirchenschiff und der Altarraum nun sehr modern aussehen. Im hinteren Teil befinden sich jedoch mittelalterliche Fresken, die um 1400 gemalt wurden. Sie bedecken die gesamte Ostwand der Kirche und teilweise sind sogar die Fensterlaibungen und -stürze, also die Mauern rund um die Fenster, bemalt.
St Vitus-Kirche
Die meisten Fresken zeigen das Leben Jesu
Auch Heilige wurden gemalt: Der Heilige Jakob mit Wanderstab
St Wendelin mit Schafen
St Odilia mit Augenbinde
Ich war einfach fasziniert und blieb lange hier, um die Fresken zu betrachten. So gut erhaltene und farbenfrohe Fresken hatte ich noch nie gesehen!
Außerdem waren auch die Grabmäler in der Kirche sehr interessant. Hier wurden die Ritter von Handschuhsheim begraben, deren Burg ich später noch sah. Die Gräber sind groß und prachtvoll, obwohl ihre Bemalung nicht erhalten ist. Die Ritter und ihre Familien sind überlebensgroß dargestellt und von Symbolen des Rittertums umgeben - so wollten sie in Erinnerung behalten werden.
Johann V. und seine Schwester Barbara, die letzten Handschuhsheimer Ritter, die beide ohne Nachkommen verstarben, so dass die Linie endete. Die beiden sind hier am Grab ihrer Eltern als Kinder porträtiert.
Dieter von Handschuhsheim und Margarete von Frankenstein werden auf ihrem Grabmal betend dargestellt.
Detail eines weiteren Grabmals: Helm und Löwe, Symbole des Rittertums...
Ein Grab draußen auf dem Kirchhof
Nur wenige Schritte entfernt befindet sich die Tiefburg, die Burg von Handschuhsheim. Es ist eine frühmittelalterliche Burg, die genaue Bauzeit ist unbekannt. Nach dem Aussterben der Handschuhsheimer verfiel die Burg und wurde im Dreißigjährigen Krieg zerstört, seitdem besteht sie als Ruine.
Leider war die Burg geschlossen, so dass ich sie nicht besichtigen konnte. Allerdings fuhr ein Lieferwagen gerade ein, um das ansässige Restaurant zu beliefern, und so schlich ich mich durch das offene Tor, um mich kurz umzusehen.
Die Tiefburg
Im grünen Innenhof
Mit der S-Bahn ging es wieder zurück in die Innenstadt, und ich hatte nun immer noch eine Stunde Zeit bis zur Abfahrt nachhause. Also beschloss ich, noch ein wenig den Neckar entlang zu gehen und die frische Luft und den Blick aufs Wasser zu genießen. Vom Bismarckplatz aus ging ich über die Brücke zum anderen Ufer, hier führt ein schöner kleiner Weg entlang. Ein paar Leute relaxten hier am Ufer, manche hatten kleine Picknicks dabei. Die Blicke zur anderen Seite und hoch zum Schloss waren sehr schön, so dass ich wirklich froh war, das noch gemacht zu haben.
Heidelberg entwickelte sich an diesem Tag nicht zu einer meiner Lieblingsstädte, aber malerisch war es allemal!
Rechts sieht man das Heidelberger Schloss
Ich hätte nun noch viel länger diesem Weg folgen können und musste mich wirklich zwingen, wieder zurückzugehen. Andererseits war ich nun aber auch schon echt müde und erschöpft von diesem vollgepackten Tag, also war ich froh, einfach die S-Bahn zum Hauptbahnhof nehmen zu können. Von dort aus ging es dann mit dem ICE zurück ins Rheinland.
Heidelberg habe ich bestimmt nicht zum letzten Mal besucht - ich habe meinen Tag hier sehr genossen und würde gerne nochmal wiederkommen und mit etwas mehr Ruhe und Muße das Schloss auch von innen besichtigen, sowie ein paar der Museen anschauen, für die ich bei diesem Besuch ja so gar keine Zeit hatte. Und zu guter Letzt möchte ich den Philosophenweg besteigen, den beliebten Weg mit noch besseren Blicken auf den Neckar und das Schloss. Erstmal freute ich mich aber, überhaupt hier gewesen zu sein und an einem Tag so viele unterschiedliche und interessante Eindrücke gewonnen zu haben!
Am Bahnhof machte ich noch schnell ein Foto vom S-Printing Horse, die größte Pferdestatur der Welt, dreizehn Meter hoch und neun Tonnen schwer. Sie befindet sich vor dem Gebäude der Heidelberger Druckmaschinen GmbH und die einzelnen Körperteile verkörpern die verschiedenen Vorgänge während des Druckens. Ein wirklich ungewöhnliches Kunstwerk!
Aufbruch: | 15.07.2011 |
Dauer: | 1 Tag |
Heimkehr: | 15.07.2011 |