"Kurzreise in die Stille" - Nordschwarzwald
19.11.2014: Mummelsee / Hornisgrinde
Der Mummelsee
Die Wettervorhersage sagt: ganz Deutschland weiterhin schlecht, bis auf kleine Sonnenabschnitte im Südwesten. Das Wetter ist nach wie vor trüb und ich mache mich auf, diese südwestliche Sonne zu finden.
Mein erstes Ziel soll der Schwarzenbach-Stausee sein. Nach kurzer Zeit wird es immer nebeliger. Ich hänge mich an die Rücklichter eines großen Holztransporters und bedauere als er abbiegt, denn jetzt sehe ich gar nichts mehr. Sehr überraschend taucht auf einmal die Staumauer wie aus dem Nichts auf... nun sieht man zwar etwas mehr, dafür regnet es jetzt in Strömen. Das lädt nicht wirklich zu einem Spaziergang ein, zumal meine Kamera ja keine Unterwasserkamera ist.
Aber ich bleibe zielorientiert auf Sonnensuche und fahre weiter gen Südwesten - die Schwarzwaldhochstraße. Irgendwo an einem Parkplatz finde ich eine Hinweistafel, auf der das Panorama erklärt ist. Aha, das liegt also alles da in der weißen Wand versteckt.
Vor lauter Nebel fahre ich fast am Mummelsee vorbei, lege eine Art Notbremsung ein und parke.
Hier am Mummelsee sieht es baulich nach ganz schön viel Tourismus aus. Ein großes Hotel, ein riesiger Souvenir-Shop, Kinderspielplatz u. a.
Allerdings im Moment mit einer durchaus überschaubaren Anzahl an Menschen. Kaum jemand scheint um diese Jahreszeit Urlaub zu machen und die wenigen, die ich hier antreffe schleppen sich gerade mal ein paar hundert Meter am See entlang und flüchten dann ins Restaurant.
Der Mummelsee ist nicht groß: 240 m lang, 192 m breit.
Schon im Mittelalter wurde er berühmt und sein Name kommt von den "Mummeln", "Nixblumen" oder Seerosen und lt. Überlieferungen sollten aus denen Nixen geworden sein, die auf dem dunklen Seegrund leben. Nachts sollen sie sich im munteren Reigen, fröhlich singend auf der Wasseroberfläche drehen bis sie um 1 Uhr vom Seekönig wieder in die Tiefe geholt werden.
Ich umrunde den See und finde auch eine Nixe - die Skulptur im Wasser hat mit den Regentropfen ihren ganz besonderen Charme.
Ein Kunstbeispiel: "Hängende Steine" (Albert Huber)
hm, für mich persönlich birgt die Natur selbst die schönsten Künste
Diese Regentropfen, die sich in den Nadeln halten z. B. in Verbindung mit dem satten Grün, dass in diesem Nebelgrau so gut zur Geltung kommt - das ist für mich KUNST.
Die Hornisgrinde
Ich möchte unbedingt noch ein wenig laufen und frage in dem großen Souvenirshop, wie der Weg zur Hornisgrinde ist. Der junge Mann ist super freundlich. Er fragt: " laufen Sie gerne?". Als ich mit JA antworte beugt er sich über seine Theke und schaut an mir herunter. Ich bin etwas irritiert, bis er sagt: "Ah, o.k. die Schuhe sind in Ordnung!" Ich bin überrascht, wie weit der junge Mann mitdenkt. Dass sein Kontroll-Blick durchaus seine Berechtigung hat, wird mir schnell bewusst, als ich losmarschiere.
Zunächst geht es nach oben und endlich: ab und zu lichten sich die Nebel - es sind nur noch Fetzen - immer wieder versucht die Sonne, einen Weg hindurch zu finden. Dies verursacht wunderbare ständig wechselnde Stimmungen. Ich bin begeistert und inzwischen sehr glücklich über dieses Wetter - denn ein weiterer Nebeneffekt ist, dass mir auf der gesamten Wanderung KEIN MENSCH begegnet.
Ich bin komplett allein auf diesem Stückchen Welt. Das ist WELLNESS für Seele und die Sinne. Diese vielfältigen tollen visuellen Eindrücke, die Geräusche: Vögel, Wasserrinnsale, Tropfen, die von den Bäumen auf Steine fallen, das Geräusch, wenn der teilweise aufgeweichte Boden unter meinen Schuhen nachgibt. Ich bin mir sicher, dass es auch viele wunderbare Gerüche hier gibt - gerade nach Regen sollten sie sehr intensiv sein (leider kann ich seit einem Unfall nichts mehr riechen).
nun wird mir auch klar, warum der junge Mann sich mein Schuhwerk ansah, bevor er mir den Weg empfahl
DOCH, ich war wirklich ALLEIN! Habe nach einigem Suchen, die Selbstauslösefunktion an der Kamera gefunden
Kurz bevor ich oben bin, sehe ich einen Hang, auf dem nur noch Baumstummel vorhanden sind, jedoch von unten die Natur für wunderbares neues Pflanzenleben gesorgt hat.
Eine Hinweistafel klärt auf:
"Am 26. Dezember 1999 fegte der Orkan LOTHAR über das Land. Wie Mikadostäbe warf er im Schwarzwald die Bäume durcheinander - auch hier und auf den umliegenden Bergen. Für viele Menschen war das eine Katastrophe und Waldbesitzer waren um ihr Hab und Gut gebracht. Nach einem solchen "Sturmwurf" wachsen Farne, Kräuter und Gräser besonders üppig. Wo nicht geräumt wurde, wird das abgestorbene Holz von Pilzen, Asseln und Insekten zersetzt. Zwischen den liegenden Stämmen entwickelt sich eine neue Generation von Laub- und Nadelbäumen. Kleine Säugetiere finden reichlich Unterschlupf..."
Mir fällt dazu ein, dass man sich oft im Leben daran ein Beispiel nehmen könnte: häufig passieren negative Dinge, Schicksalsschläge... und statt zu hadern und zu jammern, sollten wir versuchen, aus der neuen Situation das Beste zu machen und evtl. kann sogar etwas Neues entstehen - nur eben auf dieser Basis.
Oben angekommen genieße ich erneut das fast skuril anmutende ALLEIN-SEIN.
Interessante Infos über die Hornisgrinde liefert auch hier eine Hinweistafel:
"Über den Namen der Hornisgrinde ist viel gerätselt worden. Wahrscheinlich stammt der seit dem 16./17. Jhd. gebräuchliche Name aber von Horn-mis-grinte, was so viel bedeutet wie spärlich bewachsener, mooriger Bergrücken (mis = moorig, grinte = kahl)."
Beim Abstieg werde ich von der Natur noch mit fantastischen Lichtspielen verwöhnt, als ein paar Sonnenstrahlen ihren Weg durch die Wolken finden.
Meine Rückfahrt nach Schömberg ist dann sehr kurzweilig, weil sich inzwischen der Nebel so weit aufgelöst hat, dass streckenweise Abendsonne scheint und somit sehe ich nun auch, wo ich heute Vormittag lang gefahren bin.
Aufbruch: | 17.11.2014 |
Dauer: | 4 Tage |
Heimkehr: | 20.11.2014 |