Mal schnell in den Libanon
Auf Einladung eines Freundes reise ich nach Beirut. Bei der Buchung konnte ich nicht wissen, daß mein Flug nur zwei Tage nach der Explosions-Katastrophe stattfinden wird. Während meines Besuchs fahren wir mit dem Auto nach Baalbek.
Unterwegs im Libanon
Libanon im August 2020
Warnhinweis:
Sorry, ich bin oldschool (altmodisch)
und verwende deshalb größtenteils die alte Rechtschreibung.
Bei Nichtgefallen bitte nicht Weiterlesen.
Ein paar Fotos am Ende des Reiseberichts.
Mal schnell in den Libanon
Kurz nach der Explosion im August 2020
Mein guter Freund Nassib im Libanon hat mich schon oft zu sich in den Libanon eingeladen. Und weil er dies ebenso oft getan hat wie ich ihm abgesagt habe, gebe ich nun endlich nach. Corona hin, Corona her, ich habe kurzfristig einen Flug nach Beirut gebucht, nichtahnenkönnend, daß der diesmal ausgesuchte Termin gar nicht ungünstiger sein könnte.
Donnerstag, 06.08.2020
Donnerstags morgens geht es, leicht beklommen bzw. sorgenvoll los. Ich bin besorgt, was mich da so erwartet. Immerhin nur zwei Tage zuvor hat die katastrophale Explosion im Hafen Beiruts dort alles zerstört. Und die Corona-Vorschriften im Flieger und in den beiden Flughäfen sind ja auch reichlich „verschwommen“.
9:00 Uhr. Es fängt schon mal „gut“ an: Mein Taxi holt mich eine halbe Stunde verspätet ab. Aber nicht schlimm, ich hatte ja bereits ein bißchen Zeit für besondere Umstände eingeplant. Gegen zehn Uhr bin ich am Airport FRA. Alles erschreckend leer. Bereits dreißig Minuten später bin ich mit allem durch, Einchecken, Koffer aufgeben, Security, Paßkontrolle, Fußmarsch bis zum Flugsteig.
In der Flughafen-Lounge (Lufthansa) ist kaum was los, es gibt nur ein paar wenige Reisende um mich herum. (Und nicht das sonst früher übliche Rumgewusel der Menschenmassen.)
Mein Flieger startet am selben Gate (B47) wie meine bisherigen Thailand-Flieger. (Ob ich jemals wieder dort hinkommen werde??? Und ist das ein gutes Signal?) Ich sehe, daß eine Gruppe THW-Leute mitfliegt, darunter auch ein Schäferhund (ohne im Käfig zu sein, ich sehe jedenfalls keinen…).
11:50 Uhr. Unser A320 setzt sich in Bewegung. Ich atme auf, jetzt kann erstmal nichts mehr passieren.
Mein Flug (mit Middle East Airlines, MEA) ist völlig entspannt. Ich habe mir Business gegönnt und habe dadurch wirklich sehr viel Beinfreiheit. Mehr als sonst in den Mittelstrecke Lufthansa Flugzeugen. Der Platz neben mir bleibt leer. Die Flugbegleiter/innen haben wie wir alle Mundschutz, Handschuhe und die inzwischen bekannten hellblauen „Putzfrauen“-Kittel an; ich nur die Atemschutzmaske. Das Essen unterwegs ist einfach, alles aus einer Schachtel, an Getränken gibt es nur das Wasser aus demselben, sonst leider nichts. Auch kein Rotwein.
17:10 Uhr. Nach vier Stunden Flugzeit (2.850 Kilometer) plus eine Stunde Zeitverschiebung komme ich nachmittags gutgelaunt und erwartungsvoll in Beirut (BEY) an. Ich habe Glück, ich sitze auf der „falschen“ Seite im Flieger, und deshalb bleibt mir beim Landeanflug der Anblick des schrecklichen Orts der katastrophalen Explosion von vor zwei Tagen erspart.
Wikipedia: "Der Rafiq-Hariri-Flughafen ist am südlichen Stadtrand von Beirut gelegen, er ist der internationale Flughafen des Libanon. Er ist Stützpunkt der Middle East Airlines.
Ursprünglich trug er den Namen Beirut International Airport. Am 22. Juni 2005 erfolgte die Umbenennung zu Ehren des ehemaligen Premierministers Rafiq al-Hariri, der am 14. Februar 2005 einem Attentat auf seinen Fahrzeugkonvoi zum Opfer gefallen war."
Der Hafen ist im Norden Beiruts. Der Flughafen im Süden.
Auch hier alles total entspannt. Der Flughafen ist sehr einfach eingerichtet, alles grau in grau, und überhaupt wenig los; er ist ja auch winzig im Vergleich zu den Flughäfen, die ich sonst kenne. Paßkontrolle, kurzer Abstrich aus der Nase für den obligatorischen Corona Test, dann noch meinen Koffer vom Band nehmen und raus. Mein Freund erwartet mich bereits und ist bass erstaunt, daß ich so schnell nach der Landung rauskomme. Er hatte mich deutlich später erwartet, aber das gesamte Einreise-Brimborium war einfach, schnell und überhaupt easy. Und kostenlos war auch alles. (grins)
Erleichtert kann ich also meine Maske abnehmen und meinen Freund Nassib herzlich umarmen. Merhaba, mein Freund. (Guten Tag.) Angst vor Corona-Ansteckung gibt es keine; auf der gesamten Reise auch nicht. Und dabei muß ich unterwegs wirklich viele Hände schütteln. (jetzt noch schauder)
Wir sprechen Englisch, manchmal mit dem einen oder anderen französischen Wort durchsetzt, was mir gut gefällt. Verständigungsschwierigkeiten werden wir jedenfalls keine haben.
Wow! Ich in Beirut! Ich wollte schon ewig mal hier her. Und jetzt ist es endlich soweit. Und es war so einfach!
Wikipedia: "Der Libanon ist ein Staat in Vorderasien am Mittelmeer. Er grenzt im Norden und Osten an Syrien und im Süden entlang der Blauen Linie an Israel. Im Westen wird er vom Mittelmeer begrenzt. Der Libanon wird zu den Maschrek-Ländern und zur Levante gerechnet. Das bis zu 3000 Meter hohe Libanon-Gebirge ist im Winter schneebedeckt. Von dessen weißen Gipfeln wird der Landesname abgeleitet, der auf die semitische Sprachwurzel lbn („weiß“) zurückgeht.
Im Libanon lebten im Juli 2015 etwa 6,18 Millionen Menschen, knapp die Hälfte davon in der Hauptstadtregion Beirut. Weitere Großstädte sind Tripoli, Sidon, Tyros, Zahlé, Jounieh und Nabatäa."
Es sind nur ein paar Schritte zum Parkplatz. Welches Auto ist es? Oh weh, diese Schrottkarre?? Ein kleiner, (ehemals) schwarzer Kia Picanto, sehr bemitleidenswert. Die Beifahrertür geht nur von innen auf. (Naja, immerhin) Und die Heckklappe ebenso.
Nassib spricht kurz mit dem Parkwächter und dieser öffnet brav den Schlagbaum; es kostet also nichts.
Unser Weg führt ein kurzes Stück durch die Stadt. Alles Leben erscheint mir hier völlig normal, also hektisch, irrwitzig, laut. Von der Explosion ist nichts zu bemerken.
Der Stärkere (bzw. Frechere) hat automatisch Vorfahrt. Nassib erklärt mir, daß diese Straße hier kürzlich aufgerissen war und deshalb noch nicht wieder asphaltiert worden ist. Aha, deshalb so holprig; wir werden alle drei heftig hin- und hergeschüttelt, wir beide und das arme Auto.
Ich habe Mitleid mit dem kleinen Kia. Er ist in einem bedauernswerten und bemitleidenswerten Zustand, und trotz der Quälerei hält er alles bewundernswert aus.
Es geht nach Süden, ein paar Kilometer parallel zur „Autobahn“, weil es dort sichtbar viel Traffic-Jam, Verkehrsstau, gibt. Ich werde auch weiterhin heftig durchgeschüttelt. Sofort mache ich Bekanntschaft mit unglaublich lästigen Bodenwellen. Nassib bremst davor nur wenig ab und saust meistens viel zu schnell drüber. Ich staune, wie der arme kleine Kia das alles aushält.
Noch kurz Tanken und dann sind wir endlich auf der Schnellstraße. Aber, auch hier wird es nicht besser. Die Straße ist in einem desolaten Zustand, genau wie die meisten Autos, die hier unterwegs sind. Man fährt, wie man will und wählt sich die Fahrspur, die einem am besten gefällt. Insbesondere auch beim Überholen.
Ich merke schnell, daß Auspuff, Bremslicht, Windschutzscheiben und all dieses unnötige Beiwerk an libanesischen Autos völlig unnütz sind. Hauptsache ist, daß der Motor noch irgendwie läuft. Und daß man so schnell fährt wie es geht. Man merke sich: Ein Fahrzeug darf fahren, solange es fährt. Sein Zustand ist absolut unwichtig. Punkt! Nummernschilder muß man auch nicht haben. Wenn man cool sein will, fährt man ohne. Notfalls genügen aber auch irgendwelche mitgebrachten deutsche Schilder, die den hiesigen sehr ähnlich sehen. Stempel und Plaketten darauf sind unnütz. Haftpflichtversicherung ist ebenso unnötig; viele haben auch gar keine.
Wikipedia: "Zum Teil sehr dichtes Straßennetz (vor allem im Westen). Die wichtigsten Strecken sind die teilweise als Autobahn ausgebaute Nord-Süd-Küstenstraße zwischen der syrischen und israelischen Grenze (228 km), die Ost-West-Fernverkehrsstraße nach Damaskus (112 km) und die Nord-Süd-Binnenstraße von der syrischen Grenze über Baalbek-Zahlé nach Beirut. Obwohl die Hauptstraßen asphaltiert sind, ist die Qualität der meisten Straßen schlecht, in den Bergen sehr schlecht, Pass-/Gebirgsstraßen (außer die wichtigsten Hauptrouten) sind nur im Sommer sicher befahrbar. In/um Beirut herrscht immenser Verkehr, ebenso auf der Küstenautobahn Tripoli – Beirut – Tyros. Unfälle sind häufig: 2008 gab es im Libanon mit seinen damals 4 Millionen Einwohnern über 11.000 Verletzte und 850 Tote im Straßenverkehr."
In Sidon (arabisch Saïda) verlassen wir die Autobahn und quälen uns durch den engen zähflüssigen Stadtverkehr. Nassib quetscht sich überall frech rein bzw. durch den stehenden Verkehr. Mir stehen die Haare zu Berge. Manchmal bekomme ich etwas Angst.
Wikipedia: "Sidon ist die viertgrößte Stadt des Libanon. Sie ist die Hauptstadt des Gouvernements Süd-Libanon und des Distrikts Sidon. Sidon liegt am Mittelmeer nördlich von Tyros und südlich der Hauptstadt Beirut. Der Name bedeutet so viel wie Fischerstadt. "
Hier tauschen wir bei einem von Nassibs Freunden etwas Geld in Libanesische Pfund (EUR in LBP). Für 200 Euro erhalte ich 1.600.000 Pfund. Die Geldscheine haben entsetzlich viele Nullen. Die Inflation im Land „galoppiert“.
Deshalb muß man wissen, daß man hier sein Geld auf gar keinen Fall offiziell, d.h. bei einer Bank umtauschen sollte! Der Wechselkurs bei den Banken ist saumäßig schlecht und sinkt jeden Tag weiter.
Danach machen wir noch einen kurzen Stopp an einem größeren Supermarkt, die es hier im Libanon nur sehr selten und nur in den paar großen Städten gibt, damit ich mir nach eigenen Wünschen ein paar Lebensmittel kaufen kann. (Der Laden würde sich auch bei uns gut machen.) Nach dem Bezahlen packt ein freundlicher Mitarbeiter alles Eingekaufte in Plastikbeutel, die er zunächst in unseren Einkaufswagen hebt. Danach fährt er den Wagen zum Auto und lädt (gegen ein paar Piaster Trinkgeld) alles sorgfältig in unseren Kia.
Und dann sausen wir holterdiepolter über enge Straßen in die Berge hoch. Nassib überholt auch hier meistens ohne Zögern, sehr gerne auch vor unübersichtlichen Kurven. Alles was uns im Wege steht wird gnadenlos niedergemetzelt. Ich bin immer wieder erleichtert, daß uns kein Kind, keine Oma oder sonst etwas vor die Räder gekommen ist. Zugerne würde ich ein paar Fotos der Aussicht und vom Sonnenuntergang machen, aber meiner Bitte zum Anhalten folgt er nicht, wir haben keine Zeit.
Alles geht gut, schließlich kommen wir ganz oben auf einem Berg in einem kleinen Ort an, halten und betreten ein Restaurant. Unser Auto wird unterdessen von einem Mitarbeiter irgendwo geparkt.
Das Restaurant und die angebotenen Speisen (und Getränke) machen mir Freude. Endlich kann ich mich wieder entspannen. Es gibt viele verschiedene Schüsseln mit Gemüse, Kartoffeln, Pommes, Humus und frisch bereitetes Fladenbrot. Außerdem undefinierbare Fleischbrocken, die ich aber nicht anrühre. Nassib kann (während unserer gesamten Zeit) nicht verstehen, daß ich kein Fleisch mag, und das libanesische schonmal gar nicht. Viele Leute werden sich sein Unverständnis darüber anhören müssen.
Kürzlich hat er mir ein paar Fotos geschickt, auf denen eines seiner drei Schafe abgeschlachtet worden ist. Ich habe ihm damals und überhaupt schon sehr oft gesagt, daß ich es nicht mag, wenn Tiere getötet werden. Doch er hat null Verständnis dafür.
Dazu gibt es Mineralwasser, angenehm kaltes Bier (Almaza), das mir ganz gut schmeckt – und Arak.
Wikipedia: "Arak oder araq ist ein klarer, ungesüßter Anisschnaps. Er wird begrifflich oft verwechselt mit Arrak, dem wesentlich süßlicheren Reisbranntwein, der in Indien, Sri Lanka, Südostasien und auch Russland verbreitet ist. Das Hinzufügen von Eis oder Wasser verursacht eine milchige Trübung der sonst klaren Spirituose (Louche-Effekt)."
Meinen zugegeben ungeübten Geschmacksnerven schmeckt Arak, Raki, Ouzo und Pastis übrigens gleich. Und, ich brauche sie alle nicht unbedingt zum Leben. (Ich bin ja bekanntermaßen ein sehr einfacher Mensch und brauche nur Rotwein und/oder Bier zum Leben.)
Zur Karaffe mit dem Arak (0,5 Liter?) gibt es acht kleine Gläser. Denn man schenkt auf gar keinen Fall Arak im leeren Glas nach, sondern es wird jedes Mal ein neues sauberes Glas genommen.
Es gibt eine phantastisch weite Aussicht und immer noch den finalen Sonnenuntergang.
Ich mache mir immer mehr Sorgen, wie Nassib im Dunkel der Nacht die Weiterfahrt bewältigen will, denn ich trinke nur zwei Gläser vom Arak, er den Rest.
Ich bezahle, unser Auto steht schon bereit, und wir fahren noch einmal ca. fünfzehn, zwanzig Kilometer durch die Nacht. Glücklicherweise sind nachts nur wenige Autos unterwegs. (Und noch weniger Kinder und Omas…) Trotzdem muß ich schon wieder oft den Atem anhalten, aber alles geht gut. Ich habe Angst.
Wir müssen am Ziel in Mazmourah noch einen unglaublich steilen und kurvigen Weg zum Haus hochfahren und ich kann endlich wieder erleichtert aufatmen.
Nassib lebt allein, nur zwei syrische Flüchtlinge hat er hier im Haus aufgenommen. Machul zeigt mir mein Zimmer im Obergeschoß und bringt meinen Koffer rauf. Das Zimmer macht einen ordentlichen Eindruck. Endlich kann ich mich Schlafen legen. Ich bin müde, es war doch ein langer Tag. Mitternacht.
Füchse heulen nachts im Tal, wie Hunde.
Samstag, 08.08.2020
Am nächsten Morgen wache ich genauso zerstochen wie gestern auf, bleibe aber liegen, in der Hoffnung, Nassib nebenan zu hören. Sieben Uhr, acht Uhr, neun Uhr, zehn Uhr. Nassib schläft tief und fest. Sein Wecker beginnt jeden Morgen sein Geschrei um sieben Uhr, das Nassib aber nie hört und das dann stundenlang durch die Zimmer schreit. Dabei wollten wir doch heute an den Strand zum Schwimmen.
Im Haus gibt es keine Türen. Auf dem Weg ins Bad muß ich durch Nassibs Schlafzimmer. Er liegt da wie, hmm, wie soll ich es ausdrücken, ich bitte herzlich um Entschuldigung, er liegt da wie ein fettes, totes Schwein. Irgendwann mach ich mir Sorgen, ob es ihm wirklich gutgeht und berühre ihn. Endlich öffnet er die Augen, er lebt, also erst einmal alles okay.
Rasches Frühstück und dann brechen wir endlich auf, es ist bereits halb eins.
Machul und Silvana fahren mit. Es geht ca. zwanzig Kilometer den Berg hinunter nach Sidon und dann auf der Schnellstraße weiter nach Süden, nach Tyros (Tyr). Unterwegs tanken wir schon wieder in einer Kaserne; Nassib darf in allen Kasernen des Landes kostenlos tanken. (Und wenn er heimkommt, wird der Sprit von seinen beiden Mitbewohnern in Plastikflaschen – „für Notfälle“ - umgefüllt. Und im Keller gelagert.)
Unterwegs müssen wir zweimal anhalten und Machul muß die Motorhaube immer wieder mit Draht festbinden. Sie öffnet sich schon wieder die ganze Zeit als wollte sie protestieren. Und jetzt bei Vollgas, so um die 130 km/h, sieht das äußerst gefährlich aus. Ich habe Angst!
Am Ziel befindet sich ein Hotel. Der Parkplatz übervoll. Zu meiner riesigen Verblüffung sehe ich einen blauen Lamborghini und einen schwarzen Brabus G-Klasse Mercedes, blitzsauber, wie geleckt, beide wie gerade aus dem Laden gekommen. Später noch ein Bentley. Unterwegs sind mir schon mehrmals ein paar Ford Mustang und noch ein paar mehr Camaro aufgefallen. Auch sonst gibt es unzählige neu aussehende teure Autos, Range Rover, natürlich Mercedes und BMW, ab und zu Porsche Cayenne und die kleineren Porsche, ohne alle Schrammen – und dann als Kontrast die unzähligen verbeulten Rostlauben, mit und ohne Nummernschilder. Besonders und auffallend viele, eigentlich unzählige „Strich 8“ und jüngere, die offensichtlich alle unverwüstlich sind. Man fährt übrigens wo und wie und so schnell, wie man will oder wie es einem gerade gefällt.
Wir drei steigen aus und müssen lange am Eingang warten, bis Nassib endlich das Auto irgendwo geparkt hat und zurückkommt. Dabei gibt es auch hier einen Valet-Service. Aber er ist offenbar sehr sparsam, obwohl er ständig bekundet, über viel Geld zu verfügen. Ich muß Eintritt für uns drei bezahlen, Nassib ist frei.
Der Strand gehört dem Hotel und wir verbringen hier ein paar Stunden mit Schwimmen und Rumsitzen. Nassib würde mich gerne mit einer jungen Libanesin verkuppeln, die er gerade kennengelernt hat, allein, wir mögen beide nicht. Aber zum Quatschen über alles Mögliche ist Zeit und ich genieße es auch.
Danach geht es exakt den gleichen Weg und im selben Fahrstil zurück nach Hause. Inzwischen hat sich mein rechter Fuß eine kleine Kuhle im Bodenblech geformt. Airbags waren zu der Zeit der Produktion dieses Mercedes‘ noch nicht erfunden; für Beifahrer schon rein gar nicht. Die Abgase bringen mich weiterhin fast um. Ich habe Angst.
Heute Abend gibt es im Nachbarort bei einem seiner Brüder ein „Barbecue“. Wieder wird allen Leuten verwundert erzählt, daß ich kein Fleisch mag, worauf mich alle erneut staunend und verblüfft beäugen. Ist das wirklich sooo schlimm?
Als wir dann gegen elf Uhr abends endlich zuhause sind, bin ich sehr erleichtert, mich ins Bett legen zu können. Nassib bringt mir ein störrisches Moskitonetz, daß ich irgendwie über mich legen soll. Darunter wird es mir warm. Und immer mal wieder gelingt es einem Moskito, irgendwie zu mir vorzudringen und an mir zu trinken. Andere Menschen, Einheimische, sind dagegen für Moskitos uninteressant, ihnen tun sie absolut nichts.
Sonntag, 09.08.2020
Heute passiert nicht viel. Einziger Tagesordnungspunkt: Besuch der Messe in einer Kirche in der Nähe gegen elf Uhr. Aber, wir kommen schon wieder zu spät. Dabei bräuchte ich göttlichen Zuspruch und innere Einkehr doch so dringend, um mein Seelenheil endlich wieder in Ordnung zu bringen.
Später „muß“ ich alles Mögliche in Nassibs Garten probieren. Sonst habe ich einfach keine besonderen Vorkommnisse mehr in Erinnerung. Einfaches Abendessen unten im Keller bei Machul und Silvana.
Montag, 10.08.2020
Heute wollen wir mal wieder eine Tour machen. Zuerst fahren wir zum Sommerpalast des Präsidenten (Palais de Beit Ed-Dine). Aber hier ist alles leer und verschlossen. Wegen Corona. Und der Präsident hat im Moment auch anderes zu tun.
Nassib ist ehemaliger Offizier der libanesischen Armee und es gelingt ihm, daß wir nach einigem Hin und Her und telefonischer Rücksprache durch eine winzig kleine Tür eingelassen werden und wenigstens auf den Hof des Palasts dürfen. Insgesamt aber alles eher uninteressant.
Dann geht es weiter, zwanzig, dreißig Kilometer immer weiter in die Berge hinauf, die sich teilweise in Wolken verstecken. Am Schlagbaum des Nationalparks Barouk Cedar Forest müßten wir eigentlich Eintritt bezahlen, Nassib ist als Offizier aber befreit – und er darf einen Gast dazu kostenlos mitnehmen. Der Wächter ermahnt uns noch, spätestens bis achtzehn zurück zu sein, dann wird die Schranke abgeschlossen.
Weiter hinauf geht’s. Die „Straße“ ist jetzt sehr schmal und kurvig. Leitplanken kennt man im Libanon nicht, und hier schonmal gar nicht. Ich habe Angst, daß uns ein Fahrzeug begegnet. Aber es geht alles gut und wir parken unser Auto ganz oben.
Wir ziehen uns unsere Sportschuhe an und laufen ein paar Wege durch den Park. Wie der Name bereits aussagt, wachsen hier im Nationalpark hauptsächlich unzählige Zedern, der Nationalbaum des Libanon.
Wieder bewaffnet sich Nassib mit einem Ast, den er erstmal nicht mehr losläßt, und mit dem er angreifende Wölfe totschlagen will.
Warnschilder befehlen, daß man auf den Wegen bleiben muß, aber Nassib als Offizier darf alles, also laufen wir auch ein größeres Stück durch die steinige Wildnis. Wenn einem von uns hier etwas passierte, dürfte es schlecht mit Hilfe aussehen. Wie immer, bin ich oft voraus, während er dann weit zurückbleibt. Aber so langsam wie Nassib kann und will ich wirklich nicht Laufen. Das wäre mir zu anstrengend.
Irgendwann setzt er sich „für ein paar Minuten“ an den Stamm eines Baumes. Ich laufe unterdessen weiter und warte dann lange auf ihn. Da er nicht kommt, muß ich den ganzen Weg zurücklaufen – und er sitzt noch immer an derselben Stelle. Von weitem frage ich mich, ob er noch lebt, doch es ist alles okay, er bewegt sich schließlich und steht dann auch endlich wieder auf.
Zum Umarmen einiger Zedern läßt er mir hingegen kaum Zeit und hat auch kein Verständnis dafür.
Zum Schluß auf dem ansteigenden Weg zurück zum Auto hält er ein runterfahrendes Auto an und schafft es, daß die Familie wendet und uns beide darin zu unserem eigenen Auto hochfährt. Dabei wäre ich gerne weiter gelaufen.
Dann geht es wieder runter ins nächste Dorf, wo wir nach einigem Suchen eine mit ihm befreundete Familie finden. Die 82jährige Oma kocht zusammen mit ihrer Enkeltochter an einer primitiven Feuerstelle Pfirsich-Marmelade, die abgefüllt und später verkauft werden soll.
Weiter geht es, zunächst eine kurvenreiche kleine Straße den Berg weiter hinauf bis zum Paß. Von weitem ist bereits eine gutaussehende Autobahnbrücke zu sehen. Doch meine Erwartung auf eine bessere Straße bleibt unerfüllt. Die „Autobahn“ kommt von Beirut bis hier auf den Berg hinauf – und endet hier. Stattdessen beginnt ein starkbefahrener Highway und auf ihm sausen wir den Berg hinunter bis nach Zahlé in der berühmten Bekaa-Ebene.
Wikipedia: "Die Bekaa-Ebene ist eine Hochebene im Libanon, die sich zwischen den Gebirgszügen des Libanongebirges und dem Anti-Libanon befindet. Sie wird auch als die Obst- und Gemüsekammer des Landes bezeichnet. Sie erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung im Osten des Landes."
In der hiesigen Kaserne essen wir gegen neunzehn Uhr fast allein in der Offiziersmesse kostenlos zu Abend und fahren dann im Dunkel der Nacht nochmal dreißig Kilometer bis nach Baalbek. Unsere Straße ist weiterhin stark befahren; sie geht stur immer nur geradeaus.
Hier suchen wir uns ein kleines Hotel und bekommen ein einfaches Zimmer für uns zwei für umgerechnet ca. 16 Dollar.
Dienstag, 11.08.2020
Baalbek. Wow, wie ich diesen Ort mein ganzes Leben schon „kenne“. In vielen Büchern meiner Jugend (Karl May, Dr. Franz Sättler und einige andere) habe ich über diesen Ort gelesen. Unser Hotel befindet sich dazu in unmittelbarer Nähe der uralten römischen Tempelruinen, es sind nur zwei, drei Gehminuten bis zum Eingangstor.
Wikipedia: "Die Tempelanlagen von Baalbek enthalten einige der größten und am besten erhaltenen Beispiele für kaiserzeitliche römische Architektur im Nahen Osten und sind in ihrer kunst- und kulturhistorischen Bedeutung mit den antiken Städten Palmyra oder Gerasa zu vergleichen. Sie wurden vor allem im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. errichtet und befinden sich in der Stadt Baalbek im Libanon. Zu den Tempelanlagen gehören das gewaltige Jupiterheiligtum, der außergewöhnlich gut erhaltene sogenannte Bacchustempel und der Rundtempel mit seiner einmaligen Formgebung."
Aber erst einmal muß ich weiteres Geld umtauschen. Dazu müssen wir einen ganz bestimmten Handyladen aufsuchen. (Ja, ohne sachkundige einheimische Hilfe würde mir sehr Vieles nicht gelingen.) Da ich kein Ladekabel dabei habe, kaufe ich auch gleich ein solches für ca. einen Dollar und kann endlich wieder mein Handy laden.
Gegenüber dem Hotel befindet sich ein ärztliches Laboratorium und weil wir mit dem Besitzer, Dr. Jammal, bereits in Berührung kamen, zeigt er uns sein gerade leerstehendes (ungewöhnlich sauberes) Haus und sein Laboratorium und dort ein paar Zeitungsberichte über ihn selbst. Ich nutze die Gelegenheit, bei dieser Gelegenheit mal meinen Blutdruck messen zu lassen und lasse mich überreden, einen Bluttest machen zu lassen, der dann insgesamt lächerlich wenige 16 Dollar kostet. Ergebnis: Alles okay.
Dann laufen wir endlich rüber zu den Ruinen. Eintritt für uns beide merkwürdigerweise erneut frei. Und weil gerade Corona herrscht, sind wir tatsächlich die einzigen Besucher im gesamten weitläufigen Gelände. Wow! Als wir nach zwei Stunden mit dem Besichtigen fertig sind und dem Ausgang zustreben, kommt uns eine kleine Gruppe arabisch aussehender Leute mit ihrem Guide entgegen.
Dr. Jammal empfiehlt uns ein nahegelegenes Restaurant und bringt uns in seinem sehr ordentlichen S-Klasse Mercedes (W126) dort hin. Ich habe Hunger. Frühstück gab es ja mal wieder keins. Das Restaurant ist recht angenehm und es gefällt mir hier endlich mal wieder ganz gut.
Nassib läßt ganz viele Dinge für uns auffahren. Endlich auch mal wieder ein kühles Bier, das auch ganz gut aussieht. Doch Enttäuschung, es ist bleifrei (ohne Alkohol). Ich vermeide es bereits mein ganzes Leben, solch eine Plörre zu trinken. Dann lieber gar nicht! Aber das Lokal hat moslemische Besitzer. Und jetzt habe ich Durst. Also trinke ich es ausnahmsweise. Aber Genuß schmeckt anders.
Nassib bestellt unter vielen anderen Speisen auch schon wieder je ein Steak für uns beide, obwohl ich ihn schon wieder beim Bestellen darauf hinweise, daß ich kein Fleisch mag - und libanesisches Steak schon gar nicht. Als ich es dann gezwungenermaßen probiere, schmeckt es tatsächlich so, wie ich mir vorstelle, daß eine meiner alten Schuhsohlen sein könnte. Eigentlich genauso wie in Thailand. Dort darf man auch kein Steak bestellen, auch nicht, wenn es angeblich aus Australien importiert worden ist (sein soll…). Nassib ahnt offenbar noch nicht einmal, wie saftig und angenehm ein vernünftiges Steak schmecken kann, so wie bei uns, aber das wird ja leider auch immer seltener. Da ich es nicht essen will, greift er sich den Teller und zieht es sich selbst rein.
Nebenan sind einige Tische besetzt, mit Leuten, die Wasserpfeife rauchen. Ich mag den Rauch, der sich im gesamten Lokal ausbreitet. Also kein Problem. Hier fühle ich mich wirklich wohl.
Als ich bezahle, ist es halb drei. Obwohl hier alles sehr teuer aussieht, sind es umgerechnet kaum zehn Dollar. Aber Vorsicht: Auf der Rechnung stehen 100.000 libanesische Pfund, die offiziell umgerechnet einem Betrag in Höhe von 68 Dollar entsprechen (sollen). Bei meinem persönlichen Umtauschkurs sind es aber nur zwölf, dreizehn Euro. Als unwissender Ausländer wird man halt oft von Einheimischen ausgenommen. Aber das ist ja in vielen Ländern so.
Anschließend laufen wir zurück zu unserem neuen Freund, Dr. Jammal. Mit Vornamen heißt er Habib und ich darf ihn auch so anreden. Wir plaudern noch ein bißchen, verabschieden uns dann herzlich voneinander und starten unseren Mercedes.
Ähm, wir wollen ihn starten, doch nix passiert, geht nicht, nada, der Anlasser will mal wieder nicht. Also anrollen lassen. Zum Glück (bzw. mit entsprechender Voraussicht) hat ihn Nassib gestern Abend hier an einer absteigenden Stelle geparkt. Aber auch das Anrollen klappt nicht. Es stellt sich heraus, daß unser nicht abschließbarer Tank über Nacht ausgesaugt worden ist (sein soll).
Ein zufällig vorbeikommender Rollerfahrer bietet Nassib an, ihn zur nächsten Tankstelle zu fahren. Dann will noch eine Batterieklemme im Motorraum ordentlich befestigt werden und wir können endlich weiterfahren.
Unterwegs noch ein weiterer kurzer Stopp an einer „Werkstatt“, um die Batterieklemme besser befestigen, eine Sicherung mit einem dünnen Draht flicken und Kühlwasser nachfüllen zu lassen. Das Ganze kostet weniger als einen Dollar.
Später müssen wir erneut anhalten, um das überhitzte, kochende Kühlwasser etwas abkühlen zu lassen. Danach will die Karre mal wieder partout nicht anspringen, obwohl Nassib das Auto mindestens einen Kilometer rückwärts einen Anstieg zurückrollen läßt und es dabei zigmal probiert. Aber er schafft es schließlich, nachdem er im Motorraum etwas herumgefummelt hat und wir können weiterfahren.
Wir suchen lange am Nachmittag nach einem ganz bestimmten Ort, irren in der Gegend herum und fragen unterwegs viele Leute. Endlich, gegen neunzehn Uhr erreichen wir unser Ziel, Bechwat (Bechuat) und die dortige berühmte Kapelle.
Wikipedia: "Bechouat ist ein libanesisches Dorf im Beqaa-Tal im Libanon. Das Dorf ist berühmt für das Heiligtum Unserer Lieben Frau von Bechouat, ein Marienheiligtum und den Ort der christlichen Pilgerfahrt. Es wurden göttliche Wunder berichtet und Unserer Lieben Frau von Bechouat zugeschrieben."
Eigentlich sind es zwei Heiligtümer, eine hübsche, saubere kleine Kirche und eine Kapelle direkt daneben.
Während unseres Besuches bricht langsam die Dämmerung herein und wir beschließen, gleich hier im kleinen Hotel neben der Kirche zu nächtigen. Unser Zimmer für zwei Personen kostet dann überraschende vier Dollar. Ich lege zwar keinen Wert auf billige Hotelzimmer, aber dieses hier ist doch recht erstaunlich, denn ich sehe keine größeren Mängel. Dusche mit warmem Wasser, zwei ganz normale Betten, Flachbild-Fernseher, Ventilator, Kleiderschrank, großer Balkon mit ganz viel Aussicht nach Süden, Parkplatz vorm Haus, also alles okay. So billig habe ich noch nie übernachtet. Nassib packt ein paar Reste unseres Mittagessens aus; ich bin noch satt und mag auch keine Reste essen.
BTW: Nassib braucht immer mindestens eine halbe Stunde auf dem Klo. Morgens, mittags, abends, nachts. Ich weiß nicht, warum.
Übrigens, es fällt mir hier beim Schreiben mal wieder ein: Es waren auf der gesamten Reise keine störenden Kirchenglocken zu hören. Und Moscheen mit ihren völlig bekloppten Lautsprecher-Quälereien habe ich auch auf der gesamten Reise so gut wie nie hören müssen.
Nassib berichtet mir, daß die Arbeit im zerstörten Hafen Beiruts schon wieder teilweise aufgenommen werden konnte.
Mittwoch, 12.08.2020
Hier war meine bisher angenehmste Nacht. Nicht zu warm und vor allem keine Moskitos.
Das angebotene Frühstück ist Nassib morgens allerdings zu teuer und so fahren wir ohne ab.
Aber: Nassibs abenteuerliches Fahren gefällt mir nicht. Ich habe sehr oft blanke Angst! Ich fahre ja bekanntermaßen sonst gerne schnell, oft zu schnell, aber niemals so unbedacht und nur sehr selten derart lebensgefährlich. Mein Rückflug wäre erst in weiteren zwei Wochen und Nassib will mich auch gerne noch lange durch sein Land fahren, doch ich mag nicht mehr. Das ist mir heute Nacht klargeworden. Ich will heim!
Vor allem gab es gestern ein besonders unangenehmes Erlebnis: Nassib hatte am Nachmittag oben auf dem Paß eine falsche Auffahrt auf die Schnellstraße genommen und wollte dann nicht erst einmal ein paar Kilometer in der entgegengesetzten Richtung weiterfahren, um dann schließlich über eine Ausfahrt ordentlich zu wenden. Nein, stattdessen entdeckte er einen Durchbruch in der betonierten Mittelstreifenbetonmauer, wo unser Auto gerade so durchpaßte, hielt an und quetschte sich durch, wobei hinter uns und vor uns die schnellen Autos auf der Überholspur an uns vorbeirasten. Und statt dann wenigstens blitzschnell durchzufahren, zögerte er etwas und fuhr viel zu langsam durch. Dadurch „standen“ wir sekundenlang quer zu den von beiden Seiten uns entgegenkommen Fahrzeugen. Die Autos mußten stark abbremsen. Ich dachte, mein Herz würde stehenbleiben. Ich hatte Riesenangst!
Es war ja insgesamt ganz schön und sehr informativ mit ihm und meine Entscheidung fällt mir auch sehr schwer und tut mir auch wirklich sehr leid. Der Libanon ist ein angenehmes Land zum Reisen, vorausgesetzt, man hat einen guten Führer wie Nassib. Er erklärte mir immer wieder alles Mögliche. Aber diese ständige Angst und die Benzindämpfe, insgesamt ist es wirklich kaum auszuhalten, deshalb ziehe ich die Reißleine.
Ich benutze eine (hoffentlich ausnahmsweise erlaubte) Notlüge und sage Nassib, daß meine Frau zuhause krank geworden ist und mich dringend braucht.
Okay, Nassib willigt schließlich ebenso verwundert wie ungläubig in meinen Wunsch ein, mich bitte zurückzubringen, und wir machen uns auf den Rückweg. Es ist die absolut gleiche Strecke wie hierher. Zunächst nach Zahlé, den Berg hinauf, dann wieder bergab und gegen zwölf Uhr sind wir zuhause.
Anschließend fahren wir runter nach Sidon zum dortigen MEA-Laden, (Miidle East Airlines), tauschen mein Ticket um, ich bezahle dafür fünfzig Dollar per Kreditkarte, und fahren zurück. Ich packe meine Siebensachen und lege mich noch für ein Stündchen hin.
Abends kommen noch Nassibs Cousin George (aus der Steinmetzfirma) und dessen Papa zu uns und wir genießen ein wirklich üppiges Abendessen mit BBQ und recht viel italienischem Rotwein. Gegen zweiundzwanzig Uhr gehe ich Schlafen.
Donnerstag ,13.08.2020
Nachts um drei klingelt mein Wecker. Ich wecke Nassib. Eine halbe Stunde später fahren wir ab. Es geht schon wieder wie irrsinnig den Berg hinunter nach Sidon am Mittelmeer und dann die Schnellstraße nach Norden. Ich habe Angst.
Solch eine Nachtfahrt schenkt einem weitere dringend notwendige Erkenntnisse in Bezug auf den libanesischen Verkehr: Uns auf der Schnellstraße entgegenkommende Autos fahren grundsätzlich mit grellem Fernlicht. Nassib muß dann jedes Mal heftig abbremsen, weil wir schmerzhaft geblendet werden und wegen unserer schmutzigen Scheibe kaum noch etwas erkennen können. Ich habe weiterhin oft Angst.
Außerdem müssen wir dunkelgekleidete und ohne jegliches Licht fahrende und deshalb „unsichtbare“ Zweiradfahrer rechtzeitig erkennen und überholen.
Doch alle meine Gebete werden oben erhört und wir erreichen den Flughafen unverletzt morgens gegen viertel nach vier. Nassib bringt mich noch in das kleine übersichtliche Flughafengebäude und dann verabschieden wir uns herzlich voneinander. Klar, logisch, ein bißchen bedauere ich es, daß ich schon wieder heimfliege. So vieles habe ich auf mich genommen, um endlich hierher zu kommen. Und jetzt mach ich einen ängstlichen Rückzieher. Aber es ist besser so. Diese Ängste beim Fahren will man nicht haben. Niemand! Auch ich nicht! Andere Menschen, die meisten andern, hätten nicht so lange und so geduldig durchgehalten.
Zuhause rechne ich mal nach: Wir dürften insgesamt so etwas über achthundert Kilometer zusammen zurückgelegt haben. Der Libanon ist wirklich recht klein. (In etwa so wie Zypern, das geringfügig kleiner ist.)
Check-in und Paßkontrolle sind schon wieder erstaunlich einfach und schnell. Ich warte noch zwei Stunden am Gate und dann besteige ich den Flieger. Diesmal muß ich mich mit der Economy-Klasse begnügen. Sind ja auch nur wieder vier Stunden Flugzeit. Hier gibt es übrigens die gleichen Verpflegungs-Schachteln wie vorne in der Business-Class auf dem Herweg. Aber, ich habe Glück, ich sitze ganz vorne in der zweiten Economy-Reihe und der Platz direkt neben mir wird freigemacht, weil der Typ neben mir sich umsetzt. So habe ich es während des Fluges doch noch relativ bequem und nach der Landung komm ich schneller raus.
Wieder reist eine Gruppe THW-Leute mit uns, diesmal ohne Hund – und sie dürfen die Business-Sitze belegen, was natürlich völlig okay ist, denn sie hatten bestimmt genug Kummer, Leid und Stress bei den Aufräumarbeiten an der Explosionsstelle.
Wir starten fahrplanmäßig gegen 7:15 Uhr in einem neuwertigen A321 neo und erreichen Frankfurt gegen 10:20 Uhr. Alle Kontrollen sind rasch erledigt, mein Taxi wartet bereits und gegen zwölf Uhr bin ich wohlbehalten wieder zuhause. Hamdullilah. (Gott sei Dank.)
Mein Rat nach all den Erfahrungen meiner Reise: Wer den Libanon besuchen möchte, soll es unbedingt tun. Es ist ein für uns angenehmes Land. Voraussetzung ist allerdings, daß es eine geführte Gruppenreise ist, in der alles organisiert wird. Dann kann man nichts falsch machen.
Meine persönlichen Erfahrungen:
Steckdosen für Eurostecker ohne Probleme.
Ich habe mir die Zähne immer mit dem Wasser aus dem Wasserhahn geputzt.
Eiswürfel und Salat haben auch keinerlei Probleme gemacht.
Vorsicht beim Geldwechsel beachten. Nicht und niemals in der Bank! Schlechter, nein, sehr schlechter Umrechnungskurs.
Selbstfahren geht nicht. Wahrscheinlich gibt es auch gar keine Vermieter für uns. Im Nachhinein habe ich aber festgestellt, daß man in Beirut durchaus einen Leihwagen mieten kann. Würde ich aber nicht empfehlen. Fahren in z.B. Bangkok ist dagegen Kinderspielplatz.
Mittelstrich, Seitenlinie, Leitplanken gibt es auf den normalen Straßen grundsätzlich nicht. Ampeln nur extrem selten in den Städten. Polizei auch nur selten. Ich habe überhaupt nur zwei klapprige und verbeulte Polizeiautos (Dodge Charger) gesehen. Militärische Checkpoints gibt es dagegen oft.
Keinerlei Geschwindigkeitskontrollen, kein Laser, keine Blitzer, keine Radarfallen.
Insgesamt ist der Libanon ausgesprochen billig.
Von Hisbollah, PLO und anderen Streitigkeiten habe ich nichts mitbekommen.
Und zu guter Letzt: Man braucht starke Nerven.
(Thailand ist besser, ganz viel besser, und schöner und grüner und angenehmer. Thailand ist halt das Paradies.)
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Diesen Reisebericht und ganz viele andere findest Du mit den dazugehörenden Fotos auf meiner eigenen werbefreien Internetseite
www.wilfi.de
Und jetzt noch ein paar Fotos:
Aufbruch: | 06.08.2020 |
Dauer: | 8 Tage |
Heimkehr: | 13.08.2020 |