Bretagne - Sanfte Hügel, wildes Meer, Austern und Beinhäuser

Reisezeit: Mai 1998  |  von Ilse Brandt

Dinard - Cap Fréhel - Paimpol - Morlaix

Dienstag, 19.5.98
Sie hatten Austern gegessen, den Skulpturenpark in den Felsen von Rotheneuf bewundert, und nun erfuhren sie, dass am Abend Ruhetag sei, zumindest im Restaurant.
Also zahlten sie und zogen weiter: über Dinard bis zum Cap Fréhel, die von tosenden Wogen umspülte Landzunge. Wieder ein kurzer Spaziergang auf den hohen Klippen, herrliche Luft, unendliche Freiheit, ...wunderschöner Urlaub!
Nachmittags erreichten sie den traumhaften Landsitz "Chateau de Coatguelen", ihre Bleibe für die nächsten 2 Nächte. Ilsefrau verließ die Wirklichkeit und verwandelte sich in eine edle Hofdame in einem wunderschönen Schloss, betrachtete sich im goldgerahmten Riesenspiegel und schlief in einem großen, weichen Bettchen(an dessen blöden Dackelfüßen sie sich allerdings mehrere Male das Schienbein anstieß und in die jähe Wirklichkeit zurückgeworfen wurde!)
Als Fritzimann durch das geöffnete Fenster auf den großen gepflegten Golfplatz blickte, schickte er ein Stoßgebet zum Himmel, dass der hervorstehende, wacklige Fenstersturz wenigstens noch 48 Stunden halten möge...

Mittwoch, 20.5.98
Sie ließen sich mit einem herrlichen Frühstück verwöhnen, betrachteten die Caddie ziehenden Golfer mit niederschmetternder Missachtung und schnürten ihre Bergschuhe.
6 Stunden waren sie unterwegs in einer sehr gut angelegten und markierten Strecke der Grande Route 341 durch abwechslungsreiches, mal waldiges, mal wiesiges, mal frühlingshaft beblühtes Gelände. Der letzte Teil ab Pontrieux auf offener Straße war ein "Hatscher", aber solange Ilsefrau nicht Hunger hatte oder Durst oder durch schlechte Laune gepeinigt wurde, ging es den beiden bestens und sie waren fest überzeugt, dass sie die warme Dusche am Abend redlich verdient hatten und danach das gute Essen eine hervorragende Belohnung war.

Donnerstag, 21.5.98
Eigentlich sollte ihre nächste Herberge in Roscoff sein, doch welche Enttäuschung, man war "Complet!". Kein Problem, wir finden was, dachten sie am Morgen noch optimistisch und machten sich auf den Weg: Über Paimpol nach Tréguier, einem ganz reizenden Städtchen, in dem man eine wunderbare Leberpastete kaufen konnte, aber weit und breit kein Brot dazu! Es war Himmelfahrt und Ladenschluss um midi! - Ilsefrau und Fritzimann trösteten sich, dass in der allergrößten Not, Pastete schmeckt auch ohne Brot, und verließen diese Stätte in Richtung Küstenstraße über Port Blanc, Trestel, Ploumanach, Tregastel. Und zwischendurch, irgendwo, ganz plötzlich und unerwartet gab es einen Laden, der noch geöffnet und ein übriggebliebenes Sesambrot zu verkaufen hatte. In einem Skulpturenpark inmitten irgendeiner Stadt machten sie Picknick und verzehrten Sesambrot und Leberpastete, dazu Rotwein und Oliven...
Das sie wie Josef und Maria bis jetzt noch nicht wussten, wo sie am Abend übernachten könnten, machten sie sich intensiv auf Herbergsuche. Das Ergebnis war traurig und Ilsefrau auch. Weil Fritzimann nicht mag, wenn Ilsefrau im Urlaub - und überhaupt - traurig ist, führte er sie zum schönsten und vornehmsten Hotel der Gegend, zum "Manoir de Lan Kerellec" in Trebeurden.
Ilsefrau nahm den "Gault Millau France" dekorativ in die Hand, zog sich das T-Shirt zurecht und schritt in die Empfangshalle, tat dort kund, dass man bereit wäre, 2-3 Nächte zu logieren. Aber der Herr an der Reception erwiderte mit einem suffisanten Lächeln, dass das unmöglich sei, da man bis nach Pfingsten ausgebucht wäre... sah Ilsefrau von oben bis unten an und verfolgte sie mit seinem Blick, bis sie im Cabrio saß. Dort meinte sie, der Laden habe ihr sowieso nicht gefallen!

Unterwegs wurde es ihr aber doch langsam mulmig, denn Ungewissheit ist etwas , was sie gar nicht gern mag, und so beschloss Fritzimann, der belebten und frequentierten Küstenregion adé zu sagen und ins Landesinnere abzudümpeln. Kurs auf Morlaix - Thégonnec - Landisvisiau - Lampaul - Guimiliau - Ende (der Welt!) . Aufgerissene Straßen, staubige Häuser, nur ein pfiffiger, kleiner Pfadfinder, der in einer Telefonzelle seine Eltern um Abholung bat. Ilsefrau und Fritzimann wurden wehmütig, da sie sich in die Zeit zurückversetzt fühlten, als ihr Wölfi noch ein Wölfling war.. Sie hätten alles getan, um diesem kleinen französischen Jungen weiterzuhelfen. Aber er hielt das für "pas nécessaire".
Im Hotel "De L'Enclos" wurden sie von der Patronne freundlich empfangen, bekamen ein Zimmer im hinteren Trakt zugewiesen und ein deftiges Essen im Restaurant. Ilsefrau war wieder zufrieden und beruhigt.
Nun befanden sich die beiden im Reich der Calvaire, typisch bretonische, umfriedete Pfarrbezirke des Spätmittelalters, mit mehr oder weniger gut erhaltenen Kirchen, Friedhöfen, Beinhäusern, Triumphbögen, Mauern und natürlich Souvenierläden. Ilsefrau und Fritzimann folgten jedem Hinweisschild, betrachteten Teufel-mit-Schweinsohren, Pferdehufen und Ochsenhörnern, Dämonen in Granit geschlagen, verwittert oder noch gut erhalten, Reliefs der Austreibung aus dem Paradies und der Lebensgeschichte Jesu Christi, mannstolle Mädchen und sündige Männer in großen Granitblöcken vereint...
Sie waren nie in ihrem gemeinsamen Leben in so vielen Kirchen gewesen und überzeugt, dass ihre vier Kinder sie für verrückt halten und befürchten würden, dass sie nun ihr ganzes Hab und Gut der Kirche stiften könnten.
Sie machten wunderschöne Wanderungen durch die Wiesen, entkamen bellenden, keifenden Hunden und sprachen ein Dankgebet an der Quelle der Heiligen Anastasia.
Sie zuzelten in der "Ar Chupen" in Guimilau unendlich lang an bretonischen Artischocken und lauschten dabei den Erzählungen des Créperie-Besitzers, der behauptete, dass die bretonischen Krieger immer die tapfersten und begehrtesten gewesen seien.
Sie machten einen Ausflug in das hübsche Städtchen Morlaix (Es gibt eigentlich nur hübsche Städtchen, bis auf das blöde Kaff Landesviseau, wo nicht ein einziges passables Restaurant zu finden war! Orte, die im Velbinger nicht erwähnt werden, sollte man gar nicht aufsuchen).

© Ilse Brandt, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Il était une fois, einst im Mai im Jahre 1998... ... als Ilsefrau und Fritzimann beschlossen, sich auf den Weg zu machen, um das Reich des Zauberers Merlin und seiner Geliebten Viviane in der Bretagne aufzusuchen... Folgen Sie den beiden auf ihrer märchenhaften Reise in die Bretagne. Leider, leider hatten sie damals noch keinen Fotoapparat!
Details:
Aufbruch: 18.05.1998
Dauer: 12 Tage
Heimkehr: 29.05.1998
Reiseziele: Frankreich
Der Autor
 
Ilse Brandt berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
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