Bretagne - Sanfte Hügel, wildes Meer, Austern und Beinhäuser
Westspitze Frankreichs, Erdbeerinsel
Sonntag, 24.5.98
Jetzt hatten sie genug von Beinhäusern und heiligen Stätten und zogen in Richtung Küste und dann auf schmalen, leeren Straßen nach Westen. Zwischendurch ein kleiner Spaziergang im Watt.
"Aber" ist die bretonische Bezeichnung für eine Trichtermündung, die bei Ebbe ziemlich unansehnlich aussieht, sich bei Flut aber in einen breiten Strom verwandeln kann. An der "Aber-Wrach" - was so viel heißt wie "Hexenmündung", sollte sich ein Muschel-Probier-Restaurant Befinden, a b e r es befand sich nicht mehr, d.h. es sah zu aus und verlassen. Gleich hinter der Brücke haben sie doch noch sehr gut und preiswert gespeist. In Frankreich ist die Chance, zu verhungern gleich null bzw. eine Frage der Zeit.
Ab dem Weiler Kersaint ging es auf einer wunderschönen Panoramastraße mit Blick aufs Meer und entzückende Häuschen bis zum nächsten Quartier "La Pointe St. Barbe" in Toplage oberhalb des Hafens von Le Conquet.
Sie hatten ein ringsum verfenstertes Eckzimmer mit sagenhafter Aussicht aufs Meer und Möwenbesuch direkt am Fensterbrett. Als Ilsefrau im Badezimmer wieder über den nicht vorhandenen Duschvorhang stöhnte, nahm sie sich nun endlich vor, im nächsten Reisegepäck eine Teleskopstande und mindestens einen aufgeschnittenen Müllsack mitzunehmen!
Das Abendessen im Hauben-Riesenrestaurant war sehr gut, aber die Bedienung genauso unfreundlich, wie sie im Gault Millau bereits im Vorjahr beschrieben wurde. Man bestellte mutig "Lieu(Fisch) au beurre aux alges" und siehe da, Algen schmecken wie Sauerampfer!
Montag, 25.5.98
Sie hatten gut geschlafen, auch wenn sie einige Male aufgewacht waren "vom starken Regen", der sich dann aber bei näherem Hinhören als Meeresrauschen entpuppte.
Nach dem Frühstück fuhren sie ein kleines Stück in Richtung Norden, stellten ihr Cabrio beim "Aber Ildut" ab und machten einen wunderschönen Spaziergang durch Dünen, Watt, Heide, Wiesen, leicht bergauf, bergab und sogen die Meeresluft tief in ihre Lungen ein... Ilsefrau wagte sogar zu kosten, ob die Algen, die sie für Algen hielt, auch wirklich Algen waren, die so schmeckten, wie Algen in Butter gestern. Der Himmel bewölkte sich mehr, es begann zu tröpfeln, zu regnen, aber sie liefen weiter und weiter und plötzlich sahen sie - fast greifbar - das Hotel St. Barbe, nur dass es durch ein breites Hafengewässer von ihn getrennt war. Ilsefrau wünschte sich Flügel. Dann wäre sie in wenigen Minuten im Hotel gewesen, aber da heutzutage das Wünschen nichts mehr nützt, stellten sie sich in einem der vielen Bunker unter, die zu Hauf an der gesamten Küstenstrecke errichtet waren. Ilsefrau konnte einfach nicht verstehen, dass die Menschen so viel Zeit, Energie und Material aufwenden konnten, um Bunker für Kriege zu bauen! Sie lagen jetzt brach, ungenutzt, zugewachsen, mit Spinnweb überzogen und bestenfalls als dringend gesuchtes "Örtchen" aufgesucht. Dementsprechend roch es auch darin und Ilsefrau litt mehr unter dem Gestank als unter dem Regen. "Warum kann man diese Räume nicht putzen, ausmalen und dann als Würstchenbude, Boutique oder Café-Bar benutzen?", fragte sie versonnen... und Fritzimann hatte Angst, sie würde mit Zollstock, Farbkübel und Bohrmaschine hierher zurückkehren.
Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als trotz Nieselregen den Weg zurück zum Cabrio anzutreten, das frisch gewaschen am Ausgangspunkt auf sie wartete.
Auf dem Heimweg nach Le Conquet fanden sie ganz zufällig in Ploumoguer ein süßes, zweistöckiges Restaurantchen, das - obwohl eigentlich bereits geschlossen - durch die freundliche Patronne wieder geöffnet und die Küche nochmals eingeheizt wurde. Ilsefrau bestellte - trotz Fritzimanns skeptischer Nachfrage - Andouillettes, diese kleinen reizenden Schweinswürstchen, die wider Erwarten besser schmeckten, als sie aussahen(meistens ist es ja umgekehrt).
Sie sonnten sich an einem der zerklüfteten Aussichtskaps, beobachteten zwei rot-schwarz-blaue Käfer beim Liebesspiel und die Abendsonne beim Untergehen... und waren einfach glücklich und zufrieden(Wie mag es wohl den Enkeln gehen?)
Dienstag, 26.5.98
die Reise ging weiter über Brest - Plougastel auf die "Erdbeer-Insel Crozon". Weit und breit entdeckten sie weder Erdbeerfelder noch Erdbeerverkäufer und auch von dem versprochenen Erdbeerduft, der in der Luft liegen sollte, spürten die beiden genauso wenig wie vom Weihnachtsduft einer Neubauwohnung im Dezember. sie umfuhren die gesamte Pointe des Espagnols, aber es riß sie nichts vom Hocker. Sehr gut dagegen war das Essen im Restaurant "De France" direkt an der Hafenstraße von Camaret: Fisch - Fisch - Fisch in seiner feinsten Verkleidung! Muscheln gratiniert, Kabeljau in Sahnesoße, feinste Gemüsejulienne als Beilage!
Am frühen Nachmittag erreichten sie ihre nächste Herberge in Plomodiern im Departement Finistère, was nicht unbedingt "im Finstern" heißt, sondern etwas mit dem Ende der Welt(Fin) zu tun hat.
Das Hotel de Charme "Porz-Morvan" ist ein ehemaliges Gut, in dessen Pferdeställen ganz süße Appartements eingerichtet wurden. Ilsefrau schaute nur, und schaute und fühlte sich einfach wohl: hier eine Bordüre, dort ein hübsches Bildchen, ein Tisch mit Weingläsern und eine Duschkabine!!!
Die zwei Gasthäuser im Ort hatten Ruhetag, aber in einem kleinen Schlachterladen kauften sie Wurst und Leberpastete, ein Glas Cornichons, eine Portion Oliven und 2 Flaschen Rotwein! Wer sagt denn, dass der Gott in Frankreich immer nur im Restaurant gut gegessen hat?
Mittwoch, 27.5.98
Frühstück in der ehemaligen Scheune, liebevoll serviert mit frischen Croissants, Orangensaft, Großmuttermarmelade in offenen Töpfchen und Kaffee in einer richtigen Kaffeekanne aus Porzellan! und der Rat der jungen Wirtin: Sie müssen unbedingt nach Quimper fahren!
Der Himmel ist blau, Diesel ist billig, das Cabriodach auf, die Laune gut, Urlaub ist herrlich
Quimper ist wirklich ein sehenswertes altes Städtchen. Es gibt einen lustigen überdachten Markt( Nein, Fritzimann, wir brauchen nichts!), witzige und urige Lokale, so oft kann man gar nicht essen gehen.
Sie suchten und fanden an einer etwas ansteigenden - gerade aufgerissenen - Straße das Haubenlokal "L'Ambroisie", d.h. Götterspeise.
Ach Gott, wie entzückend: Als Gruß aus der Küche gab es mit Lachs-Mousse gefüllte Cherry-Tomaten! Worauf Ilsefrau meinte, das Gulasch würde dann wahrscheinlich im Eierbecher serviert werden. Der Hauptgang war leichter zu finden, da etwas größer und sehr, sehr gut!
Auf dem Heimweg am Strand Halt gemacht und 1 ½ Stunden im offenen Cabrio von der Sonne bestrahlen (und von Spaziergängern beneiden) lassen.
Danach ein langer Strandspaziergang, wobei sich die Bergschuhe als richtige Fußbekleidung erwiesen: Die Flut brachte allerlei Unrat und vor allen Dingen ALGEN mit sich. Der ganze Strand war grün und sie gingen wie auf einem Teppich.
Der Himmel wurde schwarz, aber erst als sie im Hotel waren, fing es an zu gießen.
Aufbruch: | 18.05.1998 |
Dauer: | 12 Tage |
Heimkehr: | 29.05.1998 |