Wilde Küste Vancouver Island
Und hinter mir Cape Scott
Sehe heute zum ersten mal Seelöwen. Das ist ein anderes Kaliber, als Seehunde. Und zu nahe möchte ich den Jungs auch nicht unbedingt kommen. Ihr unwilliges Grunzen macht keinen einladenden Eindruck. Werde mich daran gewöhnen müssen. Vor Cape Scott, dem Graveyard des Pazifik, wie es auch genannt wird, baue ich in Experiment Bay mein Zelt noch mal auf, um so einen günstigen Ausgangspunkt für die Rundung des Kaps am nächsten Morgen zu haben. Morgens um 6 Uhr paddle ich mein Kajak durch 2 Brandungswellen, die mir eine kalte Dusche einbringen. Hellwach und konzentriert mache ich einen großzügigen Bogen um das Kap und die darumliegenden Klippen. Das Wetter ist optimal und so wird alles halb so schwer, wie gedacht. Nichtsdestotrotz bin ich froh, Cape Scott hinter mir zu haben und würdige diesen Meilenstein meiner Reise am Abend mit einer Cohiba und einer Tasse Canadian Club. Von jetzt an sollte ich Rückenwind haben.
Als vorerst letzten Versorgungsstopp steuere ich Winter Harbour an, einen Ort der im Sommer von 20, im Winter von 5 Menschen bewohnt wird. Einige Angeltouristen kommen noch hinzu. Diese wohnen dann z.T. in Dicks Last Resort, einem B&B, dem einzigen in Winter Harbour. Ich miete mich hier eine Nacht ein, kann duschen, nutze Waschmaschine und Trockner und genieße am Abend Dicks großartiges Dinner. Das tut gut. Wie sehr man gutes Essen genießen kann. Alles ist eine Frage des Blickwinkels. Alles, was nicht mit Nudeln und Reis zu tun hat, ordne ich fast in die Kategorie "Fine Food" ein. Dick gibt mir am nächsten Tag noch eine ordentliche Portion Kartoffelsalat mit auf die Reise.
Auf Kains Island statte ich den Leuchtturmwärtern (Keeper) einen Besuch ab und erfahre bei einer Tasse Kaffe von Tony und Lucinda viel über das Leben der Keeper auf so einer kleinen Insel. Die Sommermonate sind phantastisch und ab und zu kommt auch mal Besuch vorbei. Z.B. ein Paddler! Aber in den Wintern zeigt sich, ob man wirklich für diesen Job geeignet ist. Sicher nicht jedermanns Sache, aber ein Jahr probieren würde ich es schon gern mal.
Am nächsten Strand finde ich wieder Bärenspuren. Egal. Es ist so traumhaft schön hier, dass ich mich schnell entschließe, hier zu bleiben. Massen von Treibholz, Muscheln, vertrocknete und von der Sonne ausgeblichene Krabbengehäuse, Steine, von denen immer wieder einige in meine Hosentaschen wandern und noch so Allerlei gibt es zu entdecken. Wieder besucht mich ein Schwarzbär und wir gucken beide recht verdattert, als wir uns erst in 20 m Entfernung gegenseitig wahrnehmen. Schnell trollt er sich, der Bär, schwimmt über den hier in den Ozean mündenden Fluss und verschwindet im angrenzenden Wald.
Am Folgetag runde ich Brooks Peninsula, auch so ein Meilenstein auf meiner Reise. Brooks dehnt sich einige km westlich in den Pazifik und liegt so besonders exponiert. Da kann ein Anlanden schon mal schwierig werden, da der Pazifikschwell zu teilweise ungemütlichen Brandungswellen an den Stränden ausläuft. Bei Clerke Point erwischt mich ein Boomer (plötzlich aus dem Nichts auftretende Wellen, die sich überschlagen) und haut mich um. Schöne Scheiße! Ich steige aus und schwimme vielleicht 3 Minuten Richtung Ufer bis ich stehen kann. Ich ziehe mein Kajak auf grobe mit Seepocken bewachsene Steine, fixiere es so gut es geht zwischen meinen Beinen und pumpe es aus. Dann wieder rein und weiter geht's. Bei rauherem Wetter hätte das Ganze zu einem ernsthaftem Problem werden können. Später lese ich in meinem Notizbuch "Um Clerke Point einen großen Bogen machen". Den Tipp hatte mir mein Freund Rob aus Victoria mit auf die Reise gegeben. Man muss sich nur beim richtigen Kartenblatt (ich habe über 40) an die Notiz erinnern ... Wie auch immer. Eine Erfahrung, an die ich mich sicher unter ähnlichen Bedingungen erinnern werde. Heute könnte ich Bergfest feiern. Die erste Hälfte meines Abenteuers einschließlich Cape Scott und Brooks liegt hinter mir.
Aufbruch: | 06.08.2006 |
Dauer: | 7 Wochen |
Heimkehr: | 20.09.2006 |