Mit der Skatrunde nach Lemberg und Kiew 2006
Sergej, den ich 2004 in Lemberg in der Ukraine kennengelernt hatte, hatte mich wiederholt eingeladen, möglichst auch mit Freunden in die Ukraine zu kommen. Man muß das hier mit eigenen Augen sehen, hatte er immer wieder betont. Nun haben wir unsere eigenen Erlebnisse gehabt und jeder kann selbst zwischen Begeisterung und Verdruß entscheiden.
Anreise mit Zwischenfällen
Skatfremdes Gequatsche während der Skatrunden ist im allgemeinen unerwünscht. Doch als ich einmal einwerfe, dass man für knapp 75 Euro nach Krakau hin und von Warschau zurückfliegen könnte, da gibt es nur zustimmendes Kopfnicken auf den Einwurf "na Mensch, dann mach das doch". Und da wir in Lemberg in der Ukraine meinen Bekannten Sergej haben, der mich wiederholt eingeladen hat, werde ich beauftragt, eine Woche all inclusive Ukraine aus Barmitteln der Skatkasse vorzubereiten. Das ist übers Internet jetzt ganz einfach, aber es kostet Zeit, wenn man die Kasse schonen möchte. Die Flüge sind da eigentlich schon Verschwendung, denn die bestellten Bahnfahrkarten (Schönes Wochenende-Ticket für die An- und Abreise in Deutschland für zweimal 30 €, EURO DOMINO, vier Dreitagesnetzkarten für ganz Polen für je 61 Euro) würden uns schon bis zur polnisch-ukrainischen Grenze bei Przemysl im Südosten Polens und zurück bringen. Dabei wäre die Selbstfinanzierungsquote dieser Reise besonders hoch, weil im Zug ununterbrochen Skat gespielt werden könnte. Aber gut, man gönnt sich ja sonst nichts, und der Hinflug am
Sonnabend, den 9.September 2006
bei herrlichem Spätsommerwetter nach Krakau ist schon ein genüßlicher Auftakt. Ein paar Zywiec-Begrüßungsbiere im Hotel Polonia könnten den Genuß des ersten Tages abrunden, aber leider will der Wirt Feierabend machen, so bleibt es bei einer flüchtigen Verkostung. Das kommt davon, dass wir beim Aussteigen aus der Zubringerbahn am Bahnhof Krakau aus dem Bahnhof nicht herausgefunden hatten und viel zu lange nach dem Hotel hatten suchen müssen.
Sonntag, 10.September 2006
Gut ausgeschlafen wollen wir gleich mit dem frühestmöglichen Zug weiter nach Osten. Der startet um 8.30 Uhr Richtung Przemysl, da wird Frühsport und Frühstück vorverlegt und erwartungsvoll sehen wir den fast leeren Zug in die Bahnhofshalle einrollen. Da sollte das Einsteigen und die Auswahl eines Abteils nur für unsere Skatrunde eine Kleinigkeit sein. Ich presche also in den letzten Wagen vor, belege ein komplettes Abteil und warte auf die anderen. Die haben aber Schwierigkeiten, in den Zug zu kommen. Aus unerfindlichen Gründen bildet sich nämlich ausgerechnet an der Einstiegstür zum leersten Wagen ein Gedränge, das sich auch im Vorraum zu den Abteilen nicht auflöst, obwohl ich niemand in den Gang treten sehe. Es handelt sich um ein gezieltes Gedränge routinierter Taschendiebe, die Berthold im Handumdrehen sein Portemonnaie aus der Gesäßtasche gezogen haben und als Berthold sicher ist, den Dieb zur Rede stellen zu können, zuckt dieser unschuldig mit den Achseln - er hätte nur sein Handy bei sich, das Portemonnaie dürfte flink von Hand zu Hand weitergereicht worden sein. Schnell löst sich das Gedränge auf und wir können unsere Plätze einnehmen, von den übrigen Dränglern keine Spur mehr, als der Zug startet. Berthold ist geschockt, denn genau dieselbe Situation habe ich in Posen 2002 erlebt und 2001 in Gdynia. Und dennoch: auf solche Profis ist er wieder hereingefallen. Wir lassen den Ablauf noch einmal Revue passieren, jeder kann sich ziemlich genau erinnern, aber es ging alles viel zu schnell. Bleibt nur Wunden lecken: Berthold ruft per Handy erst einmal zu Haus an und Toni und Peter durchstreifen den Zug, vielleicht haben die Diebe ja das Geld rausgenommen und das Portemonnaie weggeworfen - aber wohin ? Auf den Bahnhof ? Aus dem Fenster ? Peter und Toni werden erstaunlich schnell fündig: Portemonnaie mit Kreditkartern und Ausweis da, Geld weg. Das befreit Berthold zwar noch nicht aus seinem Schock - nur so ist zu erklären, dass ihm keine Dankesworte entfahren - aber es ermöglicht ihm doch immerhin die Fortsetzung der Reise mit Ausweis. Zur Ablenkung spielen wir etliche Runden Skat, aber erst bei der Ankunft in Przemysl gegen 14 Uhr haben wir unser seelisches Gleichgewicht wieder. Das brauchen wir auch, um nicht möglicherweise erneut beklaut zu werden. Jetzt gehen wir disziplinierter vor: Zusammenbleiben, immer Sichtkontakt halten, aufs Gepäck achten und Geld und Dokumente nur unmittelbar am Körper tragen. Wir lassen unser Gepäck in zwei großen Schließfächern, denn wir haben nun 4 Stunden Zeit, uns Przemysl anzusehen. Hier entdeckt Berthold noch einen großen Riß in seiner Lederjacke, durch den hindurch sich die Taschendiebe wohl den schnellsten Zugang zu seiner Gesäßtasche verschafft hatten......
In Przemysl wird an einen sonnigen Spätsommersonntag ein regionales Volksfest gefeiert, mit Volkstänzen und Liedern aus Galizien und Polen auf einer Bühne auf dem zentralen Marktplatz, dem Rynek. Die Bilder sprechen für sich, und unser leibliches Wohl kommt auch nicht zu kurz. Erstaunt sind wir über die vielen Kirchen, die alle in einem tadellosen Zustand sind. Die Partie an der Allee am San-Fluß lädt zum Verweilen ein, bevor wir zum zweiten Rundgang in den oberen Teil der Stadt mit einem Kloster und der griechisch-orthodoxen Kirche aufbrechen. Um 18.10 Uhr startet unser ukrainischer Zug nach Lemberg, das Abenteuer Ukraine kann beginnen.
Denn wir wissen nur, dass wir um 22.25 Uhr Ortszeit dort ankommen werden. Aber wo bleiben wir in der Nacht ? Ich beruhige die andern: Das wird Sergej für uns schon organisiert haben.
Blick in den bischöflichen Hof in Przemysl
Aufbruch: | 09.09.2006 |
Dauer: | 9 Tage |
Heimkehr: | 17.09.2006 |
Ukraine