Flucht aus Marokko im herbstlichen Sturm

Reisezeit: Dezember 1996  |  von Manfred Sürig

Aus der Atlantiküberquerung einhand konnte nichts mehr werden, aber in Casablanca überwintern ging auch nicht, denn das hätte 42000 DM Luxussteuer gekostet. Also blieb nur die Rücküberfühung mitten im Dezember 1996 nach Spanien, koste es, was es wolle, und das kam dan ganz dicke.....

So ist das also in Marokko....

Auf Horsts dringendes Hilfeersuchen war ich am 17.12.1996 nach Casablanca geflogen. Dort saß er in einer verfallenden Ecke des Hafens auf dem Boot fest, nachdem er wegen Arthrose in der Schulter sein Vorhaben, allein den Atlantik zu überqueren, aufgeben mußte. Otman, ein deutschsprechender junger Mann, dessen Vater der halbabgesoffene Ponton gehörte, an dem KNURRHAHN mit noch ein paar weiteren Booten festgemacht war, kam täglich ca. 9 DM "Hafengeld" kassieren, von dem die -zigköpfige Familie offenbar lebte. Er half bei allen notwendigen Dolmetscherarbeiten und gab Tips zum Umgang mit der orientalischen Mentalität. Bakschisch war die wichtigste Vokabel.

Als wir am ersten Abend zum Landgang durch die Hafenwachen gingen, zupfte der Polizist Horst am Zipfel seiner Regenjacke und machte deutlich, daß er sie gebrauchen könnte. Horst erwiderte noch deutlicher, daß er diese Jacke brauche, weil sie seine einzige sei. Es könnte sie also keinesfalls abgeben. Ein paar Schritte weiter sagte uns Otman, daß Horst sich falsch verhalten hätte. "Warum nimmst Du dem Mann jede Hoffnung ? Du wirst nun Schwierigkeiten bekommen, Deine Aufenthaltserlaubnis zu verlängern oder die Kontrollen werden schärfer, im günstigsten Fall fragt er Dich nochmal, ob Du Deine Jacke abgeben willst. Du hättest ihn auf später vertrösten müssen, versprechen, mit ihm später darüber zu reden oder sonstwas, um ihn hinzuhalten." Es dämmerte mir nun langsam, daß man genau dieses Spielchen mit Horst seit Oktober getrieben hatte.

Erst schien alles geregelt zu sein, das Boot hätte bis April dort bleiben können, man müsse nur einen kennen der einen kennt, der Einfluß hat. Aber an den ranzukommen, das erforderte wieder Geduld und wiederholte Schmiergelder an Leute, die einen kennen, der einen kennt, der etwas erreichen kann. Am Ende wurden die Verlängerungszeiten für die Aufenthaltserlaubnis im Hafengebiet immer kürzer erteilt, und für das Boot wurde eine Kaution von 42000 DM verlangt. Wofür ? Es soll ein Gesetz geben, nach dem alle Luxusgüter, die länger als drei Monate in Marokko sind, mit 80 % ihres Schätzwertes zu verzollen sind. Entweder also wird ein Luxusgut in diesen drei Monaten unauffällig eingeschmuggelt oder geklaut oder dem Eigentümer wird die Beschlagnahme angedroht. Wir hatten also nur die Wahl: Beschlagnahme am 2.1.1997, 90 Tage nach dem ersten Anlaufen von Tanger oder aber mindestens eine Bankbürgschaft zum 2.1.97 stellen. Und ob man nach dem 2.1.1997 bei der Wiederausfuhr den Zoll bzw. die Luxussteuer wiederbekäme, dazu war nirgends eine verbindliche Auskunft zu bekommen, auch nicht beim Deutschen Generalkonsulat. Blieb also nur das Auslaufen vor dem 2.1.97, und zwar legal. Das soll man aber erst einmal bei Südsüdwest 7 bis 8 wagen. Die Kanarischen Inseln als Ziel wurden schon am ersten Abend aufgegeben, aber dann brauchten wir noch eine Lücke zwischen zwei Sturmtiefs, um wenigstens Richtung Mittelmeer zu kommen.

Am 18.12.96 goß es den ganzen Tag in Strömen, so daß schon wegen schlechter Sicht nicht an Auslaufen zu denken war. Als es abends endlich trocken wurde, fragten wir bei anderen Skippern nach, was der Wetterbericht versprach. Regen auf jeden Fall, Wind auch, aber hinsichtlich der Stärken des Windes reichte die Palette von 3 (Flughafen Casablanca) bis 8 (Radio France International), aber die Richtung war wieder eindeutig: zwischen Süd und Südwest. Ein riesiges Tief bei den Azoren, das nur langsam Richtung Portugal zieht, also bis Weihnachten keine durchgreifende Änderung. Wenn's also eh nicht besser wird, wozu da noch warten ? Abendliche Spaziergänge durch Casablanca mit guten Chancen, von Autos plattgemacht zu werden oder von jugendlichen Banden überfallen zu werden oder auch nur in eine Pfütze zu treten, um dann festzustellen, daß es ein offener Gully ist - sind keine Alternativen.

© Manfred Sürig, 2006
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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: 18.12.1996
Dauer: 13 Tage
Heimkehr: 30.12.1996
Reiseziele: Marokko
Spanien
Gibraltar
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.