Flucht aus Marokko im herbstlichen Sturm

Reisezeit: Dezember 1996  |  von Manfred Sürig

was bietet Gibraltar zu Weihnachten ?

Am 26.12. scheint sogar die Sonne und wir haben leichten Südwind. Also Start nach Gibraltar. Außer starker Stromversetzung und Flaute eine Fahrt ohne Probleme, kurz vor Sonnenuntergang machen wir in der Queensway-Marina fest. Hier hat man die Bürgersteige hochgeklappt und auf der verschlossenen Tür zu den Toiletten wünscht das Marina-Team allen Skippern "bei dieser Gelegenheit" frohe Weihnachten und a happy new year. Zum Kassieren des Hafengeldes gibt es dennoch täglich kurze Öffnungszeiten. Ein Wetterbericht von gestern zeigt eine trostlose Wetterlage. Immerhin liegen wir erst einmal ruhig.

Doch als wir an Bord kommen, funktioniert das Innenlicht nicht mehr. Da hatte ich auf der Überfahrt mit viel Mühe alle Leitungen über den Knopf "Diverse" auf "Instrument Light" umgeklemmt, am Innenlicht überhaupt nicht gefummelt, und nun das ? Bei Kerzenlicht machen wir uns ein paar Brote statt des vorbereiteten warmen Essens und diskutieren über Fehlerursachen. Alle Sicherungen in Ordnung, alle Klemmverbindungen vorhanden, keine losen Enden, alle andere Elektrik an Bord funktioniert einwandfrei. Manfred, was hast Du da gemacht ? Da fällt mein Blick auf einen sonst nie benutzten Drehschalter mit Stellungen "N" und "B". Der steht auf "N". Ich drehe ihn auf "B", und schon sitzen wir im Hellen. Stimmt ja, wir hatten in Ceuta, als wir am Landstromtropf lagen, diesen Schalter auf "N"(Netzbetrieb) gedreht, um die Bordbeleuchtung direkt aus dem Ladegerät zu ziehen und dann nicht auf "B" (Batterie) zurückgestellt. Deshalb war wahrscheinlich auch am Tage der Schalter "Diverse" ohne Strom gewesen..... Man sollte sein Boot doch besser kennen.

Nachts liegen wir nicht mehr ganz so ruhig. Der Wind hat auf Ost gedreht und ab und zu knallen Fallböen vom Affenfelsen und packen uns am Mast und die Propellerblätter des Windgenerators kommen in gefährliche Nähe der Angelausleger des benachbarten Motorbootes.. Ob wir die Seekarte bis Estepona, die wir am nächsten Tag bei Sheppards kaufen, bei Sturm von vorn überhaupt brauchen werden? Vorsichtshalber ziehen wir Erkundigungen ein: Liegegelder hier am eigenen Anker ("stern to") 84 Pfund pro Monat, aber nur im Winter, sonst das Doppelte und mehr. Flüge nach Deutschland kann man hier auch nicht buchen, außerdem macht man sonnabends um 13 Uhr dicht und sonntags sowieso. Also zu Fuß rüber nach Spanien, und von La Linea aus machen wir einen Busausflug nach Algeciras. Dort finden wir gleich eine ganze Straße von Reisebüros, sogar mit on-line Buchungsmöglichkeiten. Nur am Silvester oder früher ist noch etwas frei. So buchen wir Malaga-Düsseldorf für den 31.12., obwohl ich noch bis zum 5.1.97 Urlaub gehabt hätte. Wenn der Wind auf West drehen sollte, könnten wir also noch am 28. und 29.12. versuchen, näher an Malaga heranzukommen.

Der Sonnabend, 28.12. begrüßt uns mit Flaute und, vor Sonnenaufgang jedenfalls, mit blauem Himmel. Dann eben unter Motor starten! Wir tuckern aus der Hongkong-Silhouette von Gibraltar heraus, nachdem wir uns vorher noch einen neuen Autohelm, ein Hafenhandbuch für die Costa del Sol und umfangreiche Lachsvorräte von Safeway auf Visakarte zugelegt haben. Nun fehlt nur noch die Sonne und etwas Wind, möglichst aus Westen.

Beim Europa-Point, der Südspitze von Gibraltar, den ich möglichst ohne Umweg runden will, stehen noch ein paar Kreuzseen, die Stromrichtung ist nicht auszumachen, ich werfe einen ersten Blick nach Nordosten, auch dort ist Flaute. Da bleibt der Motor stehen. Ausgerechnet hier! Das übliche Entlüftungsritual beginnt und tatsächlich, wir bekommen ihn wieder zum Laufen. Aber nur knapp eine Minute, dann steht er wieder, diesmal, nachdem er zuvor ein paar mal gehustet hat. Und danach riecht es nach verbrannten Kerzen. Das kenne ich doch vom Manati-Abenteuer 1991, als wir in Holland billigen Bootsdiesel mit Wasserverunreinigungen getankt hatten. Sollte etwa das Tanken in Marokko ein Fehler gewesen sein ? Mit erneutem Entlüften jedenfalls ist der Motor nicht mehr zum Leben zu erwecken, und nach 15 Minuten Treiben kennen wir auch die Stromrichtung: weg vom Felsen Richtung Atlantik. Es beginnt auch noch zu regnen, aber Wind kommt nicht auf. Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt. Was tun ? Erst einmal setzen wir die Segel, vielleicht können wir am eigenen Fahrtwind kreuzen. Und tatsächlich, das GPS zeigt ab und zu speed von 1 Knoten an, nur die Richtung will uns nicht gefallen: 305 Grad. Nach einer guten Stunde sehen wir hinter uns eine Yacht unter Motor mit Kurs auf Gibraltar. Ich stelle mich an Deck und gebe Zeichen, sofort hält sie auf uns zu. Es sind Ungarn auf der Fahrt von Budapest zu den Bahamas. Sie nehmen uns in Schlepp und fragen nach unseren Problemen. Der Verdacht erhärtet sich: Der Skipper hat in Cartagena von einem Amateurfunker die Warnung bekommen, nicht in Marokko zu tanken, der dortige Diesel könnte verunreinigt sein. Und unsere Reservekanister und der Tank sind bis oben voll von dem Zeug! Was noch schlimmer ist: Im ruhigen Wasser des Hafens bringt man den Motor wieder zum Laufen, aber sobald der Motor im Wellengang Verunreinigungen aus dem Tank ansaugt, verschluckt er sich und bleibt stehen. Dieses Problem werden wir mit Bordmitteln nicht beheben können. Da muß ein Fachmann in Gibraltar heran. Doch dort ist Wochenende und es regnet in Strömen. Am Montag, 30.12. erfahre ich dann, was mir den Rest gibt: die Volvowerkstatt hat Betriebsferien bis 6.1.1997.

So bleibt uns nur, die Mooring bei Sheppards zu mieten, unsere Sachen zu packen und nichts wie weg hier. Dazu bleibt uns gerade noch der Vormittag des 30.12., denn um 14.15 müssen wir in La Linea den Bus nach Malaga bekommen. Natürlich erwischen wir keine Regenpause, sowohl beim Verholen als auch beim Weg von Bord zum Taxenplatz, so daß unser umfangreiches Gepäck noch um einige Kilo Regenwasser schwerer wird. Das Taxi darf nur bis zur Grenze fahren, dort müssen wir zu Fuß rüber, natürlich bei einem weiteren Schauer, und auf der spanischen Seite bringt uns ein weiteres Taxi zum Busbahnhof, und dort endlich kommt die Sonne heraus!

Bis auf das Herumwuchten von etwa 100 kg Gepäck ist der Rest Routine: Busfahrt entlang der Küste nach Malaga - heute wäre optimaler Segelwind gewesen- Stippvisite beim Flughafen, Hotelunterkunft bis morgen im 5-Sternehotel. Nachdem wir endlich in trockenen Klamotten stecken, gönnen wir uns noch ein Festessen auf dem Zimmer: Schottischen Lachs von SAFEWAY aus Gibraltar, dazu einen roten Malaga und ein kurzer Gang an die Hotelbar. Das wars denn also. Nachts finden die Mücken im Hotelzimmer noch reiche Nahrung an uns, so daß wir auf das Hotelfrühstück verzichten und statt dessen im Flughafen konditern. Regenschauer jagen über die Landepiste und die Sierra Nevada hinauf. Im Moment verpassen wir hier nichts mehr, auch wenn wir zu Hause saftigen Minusgraden entgegenfliegen.

© Manfred Sürig, 2006
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Worum geht's?:
Aus der Atlantiküberquerung einhand konnte nichts mehr werden, aber in Casablanca überwintern ging auch nicht, denn das hätte 42000 DM Luxussteuer gekostet. Also blieb nur die Rücküberfühung mitten im Dezember 1996 nach Spanien, koste es, was es wolle, und das kam dan ganz dicke.....
Details:
Aufbruch: 18.12.1996
Dauer: 13 Tage
Heimkehr: 30.12.1996
Reiseziele: Marokko
Spanien
Gibraltar
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.