Der Doubs und auf der Spur französischer Kanäle
Eigentlich wollte ich meine traditionelle Herbst-Radtour machen. Aber da rief mich noch jemand um Hilfe, sein Boot mit ihm von der Saone zur Maas zu bringen. Das müßte doch trotzdem mit dem Fahrrad zu machen sein. Ging auch, aber mit immer neuen Überraschungen.
Im Schweizer Jura unterwegs
Immer wieder hatte ich die Abreise verschoben, der Wetterbricht war trostlos: Nördliche Winde in Sturmstärke, Temperaturen wie Ende Oktober und im Nordstau der Gebirge auch noch Dauerregen. Da muß man sich eine Radtour nicht antun.
Nur: Im September läuft mir der Rest des Sommers ohnehin weg, denn ich will ja anschließend noch mithelfen, das Segelboot KNURRHAHN (die ETAP 28, mit der ich 1996 die Sturmfahrt von Casablanca nach Ceuta gemacht hatte) auf der Saone und den Canal de l'Est nach Belgien zurückzufahren. Am Ende noch die definitive Absage meines Mitradlers Toni, verbunden mit Warnungen vor dem Schweizer Preisniveau und den ungleich größeren Steigungen in den Alpen als bisher in der Slowakei - alles nicht ermutigend.
Bis sich das Hochdruckgebiet über den Britischen Inseln endlich nach Osten ausweiten soll - da buche ich meine Fahrkarte nach Yverdon-les-Bains zwischen Biel und Genf am Schweizer Jura und fahre gleich nach der Ankunft noch per Schmalspurbahn nach Ste. Croix auf 900 m über Meereshöhe. Am Donnerstag, den 6.September 2007 immerhin eine Fahrt ohne Regen, wenn auch ohne Sonne.
Vom Fenster der Schmalspurbahn aus erwische ich kurz vor dem Ziel noch ein beeindruckendes Farbspektakel: die sonnenbeschienenen Schneehänge der Schweizer Berge im Osten und über einen Sattel hinweg einen Blick auf den Genfer See tief unten. Ganz kurz nur, zum Fotografieren reicht die Zeit nicht.
Freitag, 7.September 2007
Ein erster Blick vom Fenster der Jugendherberge in Ste Croix zeigt mir die Dächer der Nachbarschaft - alle mit Rauhreif bedeckt. Aber der Himmel darüber ist strahlend blau.
Das üppige Frühstücksbuffet muntert mich weiter auf, so fühle ich mich den bevorstehenden restlichen 150 Höhenmetern bis zur Paßhöhe gewachsen.
Nicht ganz, denn unterwegs muß ich schon mal schieben, aber oben angekommen, bin ich richtig vorgewärmt, die Tour kann beginnen.
Zeit genug für die Planung hatte ich ja gehabt: Aus der Internetseite des Departements Doubs hatte ich mir einen Tourenvorschlag heruntergeladen, die zugehörigen Karten von Michelin, ich muß nun nur noch die Plandaten in natura finden.
Schon auf dem Paß gibt es eine Überraschung: der Übergang ist mit massiven Betonklötzen selbst gegen Panzer gesichert. Da haben die Schweizer im zweiten Weltkrieg wohl eine deutsche Invasion von Frankreich aus befürchtet, eine Gedenktafel dankt einer französischen Garnison für die tatkräftige Hilfe beim Bau des Schutzwalls. Und der ist so gut, dass er sich noch heute mit wenigen Barrikaden wieder funktionsfähig machen ließe.
Mein Weg führt nun erst einmal Richtung Frankreich, zunächst sanft bergab, später rolle ich immer schneller Richtung Pontarlier.
8 km davor muß ich auf die Hauptstraße, die zudem noch durch eine Schlucht führt, für Radfahrer lassen die Autos da kaum Platz.
In Pontarlier versorgt mich die Dame in der Touristeninformation mit allen Velo-Informationen, die das Departement zu bieten hat.
Ich sehe schon, die Prospekte wenden sich an sportliche Fahrer, da werden 23 Rundtouren zwischen "facile" "moyen" und "difficile" angeboten, von denen die Touren in meinem Zielgebiet alle zwischen 75 und 100 km umfassen und bis zu 1800 Höhenmeter überwunden werden müssen. Ich erinnere mich an Tonis letzte Warnung....
Aber kurz hinter Pontarlier (687 m ü.M) in Doubs beginnt Fahrradland pur, so, wie es auch meine Beschreibung sagt: Im Tal des Doubs auf der Trasse einer stillgelegten Bahnstrecke in sanften Schwüngen nordostwärts.
Jeder ehemalige Bahnhof ist zu einem Rastplatz umfunktioniert und selbst mitten durch kleine Dörfer führt mein Weg kreuzungsfrei.
Immer neue Blicke über die Hänge des Schweizer Jura lassen mich zum Knipsen anhalten und ich habe den Weg ganz für mich allein.
Leider weht der Wind spürbar von vorn und selbst die pralle Sonne kann nicht verhindern, dass ich eiskalte Füße bekomme.
Obwohl der Weg doch parallel zum Doubs doubsabwärts führt, strengt das Radeln an. Erst am Ende der der Strecke am Bahnhof von Gilley merke ich, dass die 22 Kilometer mich wieder auf 930 m ü.M gebracht haben. Deswegen also habe ich wie eine Dampflok schnaufen müssen!
Aber das ist noch nicht alles. Nach der Beschreibung soll ich von hier wieder runter ins Doubstal nach Remonot auf 700 m ü.M, um dann über eine Anhöhe von 1000 m nach Morteau wieder an den Doubs auf 700 m ü.M herunterzukommen - und das alles nur wegen der Grottenkapelle in Remonot- da kürze ich lieber ab und fahre direkt.
Die Abkürzung geht auch nicht ganz in der Ebene, aber die Abfahrt nach Morteau wird zum schönen Radelvergnügen, mit schönen Blicken übers Tal und nun auch im Windschatten des Berges.
Nun endlich führt die Straße auch direkt am Wasser entlang, leider aber auch für den übrigen Verkehr, zumindest bis in den Touristenort Villers-le-Lac.
Attraktion ist hier eine Schifffahrt zu den Wasserfällen des Doubs, die jährlich 400 000 Touristen machen. Als ich mich zwischen zahllosen Bussen durch den Parkplatz gedrängelt habe und die Warteschlangen auf dem Anleger sehe, will ich nicht der 400 001. Tourist sein, der sich hier abzocken läßt.
Statt dessen suche ich mein Vergnügen auf dem Velo.
Das bringt mich auf Schweizer Gebiet, bis mir erste Zweifel kommen, ob ich noch auf meiner Planspur bin. Ein Blick auf meine Beschreibung, und schon ist klar, dass ich auf der Nordseite des Doubs bleiben muß, wenn ich die niedrigeren Berge nehmen will.
Mein Erfolgserlebnis ist groß, als ich nach 12 km Umweg nun wieder jede Kurve und jede Abzweigung auf meinem Download-Ausdruck abhaken kann.
Dazu bin ich auch schnell wieder fernab jeder Zivilisation an einen Hangweg hoch über dem aufgestauten Doubs.
Als die Sonne hinter Wolken verschwindet, geht es aus der Schlucht hinaus, aber nun fängt die Steigung erst richtig an! Bis zu 17 %, da bleibt einem selbst beim Schieben die Luft weg.
Und die Zeit verrinnt viel zu schnell!
Ich brauche ein Nachtquartier, aber wo finde ich das hier in der Einöde ? In einer Siedlung Le Barboux gibt man mir in einem Cafe den Hinweis zu La Chabraque, einer Gite gleich hinter dem Ort rechts hoch.
Es geht auch rechts hoch, wieder mit bis zu 17 %, die mir nun bald das Letzte abfordern.
Erst gegen 19.30 Uhr sehe ich links einen Bauernhof liegen, auf dem gerade das Dach neu gedeckt wird. Ich frage nach La Chabraque und tatsächlich, hier bin ich richtig!
Madame zeigt mir ein Doppelzimmer mit Duschbad und einen großen Kaminraum, in dem das Feuer schon behaglich knistert.
Das Bett wird bezogen und als ich nach einer warmen Mahlzeit frage, gibt es auch dazu grünes Licht. Ich bin der einzige Gast, es dauert ein wenig, bis alles hergerichtet ist und auch warmes Wasser aus der Dusche fließt. Ich nutze die Zeit, um nachzurechnen, was mich heute so fertig gemacht hat: 88 km Strecke, Höhenunterschiede von knapp 1200 Metern, und dann noch mit Gepäck.
Hatte Toni mich nicht gewarnt ?
Ach, und vor dem Preisniveau hatte er ja auch gewarnt! Ich sehe mir die Preisliste an: 50 € die Übernachtung mit Frühstück, 20 € das Abendessen. Egal, heute habe ich ein Dach über dem Kopf, wenn auch das teuerste dieser Reise überhaupt.
Ich hatte gedacht, ich würde todmüde nach dem Essen ins Bett fallen und am Morgen vielleicht mit einem leichten Muskelkater aufwachen. Aber weit gefehlt!
Erstens haben französiche Betten die Eigenart, dass man wie eine Briefmarke in einem Einsteckalbum unter der Decke klemmen muß.
Wie will man da mal die Beine ausstrecken?
Mit vollem Bauch schläft es sich auch kaum und diese Meereshöhe bin ich wohl auch nicht gewöhnt.
Immer wieder ertappe ich mich dabei, dass ich viel zu tief durchatme als wenn die 17 % Steigung gerade erst hinter mir lägen, da wird es schon wieder hell.
Gut, dass Toni doch nicht mit ist, dieses Doppelbett zu zweit hätte das Ende unserer Freundschaft herbeigeführt !
Sonnabend, den 8.September 2007
Madame bereitet mir ein deftiges Frühstück mit einem Käsebuffet, das sich sehen lassen kann. Aber ich habe hauptsächlich Durst nach Unmengen Tee.
Gut, dass das erste Stück des Weges heute erst einmal abwärts führt.
Heute, so habe ich mir vorgenommen, werden keine Kilometer gefressen, im übrigen habe ich von meiner Tourbeschreibung gestern schon die eineinhalbfache Tages-Vorschlagsleistung hinter mich gebracht.
35 km bis Goumois als Tagesziel an der Grenzbrücke zurück zur Schweiz würde reichen. Vielleicht sind in der Schweiz ja auch französische Betten nicht so verbreitet.
Der Weg führt heute oberhalb der Schlucht des Doubs durch eine herbe hügelige Landschaft, die Küstenbewohner unmöglich als Hochplateau bezeichnen würden.
Immerhin kommen hier keine 17 % mehr vor, und die Steigungen sind in der Pedale zu bewältigen.
Mit steigender Sonne kommt Unternehmungslust auf, schliesslich, so heisst es in der Beschreibung, ist nur noch der letzte Paß -Col de la vierge mit 968 m ü.M -vor dem Abstieg nach Goumois mit 495 m üM zu bewältigen.
Und es gibt wieder Landschaft zu sehen!
Hart an der Kante der Schlucht des Doubs sieht man die Schweizer Bauernhöfe drüben zum Greifen nah, aber dazwischen fällt es zunächst steil und auf den letzten 300 Metern fast senkrecht zum Doubs ab.
Auf der französischen Seite ragen einige steile Felsen empor, von denen es fast senkrecht in die Schlucht hinunterzugehen scheint. Sicher wäre es auch reizvoll, in der Schlucht neben dem tosenden Doubs entlangzufahren, aber das wird nicht einmal Mountainbikern empfohlen, zu oft müßte man sein Rad dann tragen.
Wie kann eine Straße eine solche Schlucht ohne Talbrücke überwinden?
Ich erfahre es per Velo, sogar ohne qualmende Bremsen bei der Bergabfahrt.
Grandiose Ausblicke von Felsvorsprüngen hinab in Doubstal, durch das man nun auch den Doubs als schwarzen Streifen ziehen sehen kann.
Erstaunlich, dass der Fluß dunkel sein kann, obwohl er doch durch reines Kalkgebirge fließt!
Die 500 Höhenmeter abwärts sind in 35 Minuten mit Fotopausen schon hinter mir, auf der Grenzbrücke ist es warm, die Finger nicht mehr klamm und die Füße auch nicht mehr kalt.
Muß man denn dann schon um 15 Uhr Feierabend machen ?
Zumal mein Tourenvorschlag mir einen Feldweg genau am Doubs entlang 35 km lang bis St. Ursanne zeigt, der meine Neugierde weckt.
Mal versuchen, man könnte gegebenenfalls ja auch wieder zurück nach Goumois!
Der Weg zwischen Bäumen und feuchtem Unterholz, unter dem das Wasser des Doubs gurgelt, ist ein totales Kontrastprogramm zu den hügeligen Hochplateauwegen bisher.
Dass dieser Weg keine Sackgasse ist, sagt mir nur meine Wegbeschreibung, die Hinweisschilder am Weg selbst beschränken sich auf die Bitte an die Wanderer, die Gatter zu den Weiden nach dem Passieren zu schließen; wohin der Weg führt - Fehlanzeige.
Gut, dass ich der einzige Radwanderer hier bin, denn bei Begegnungen müßte mindestens einer absteigen, mit Gepäck eine lästige Sache.
Schön auch, dass die Sonne immer scheint, die Fotoausbeute ist entsprechend.
Sowohl auf Schweizer wie auch auf französicher Seite des Doubs gibt es Campingplätze und insbesondere auch versteckte Datschen, die man so allenfalls in Georgien vermuten würde. Erstaunlich, dass man im Naturschutzgebiet so etwas duldet.
Dann wieder Almen mit reiner Landwirtschaft wie in einer Milka-Reklame.
Aufbruch: | 06.09.2007 |
Dauer: | 16 Tage |
Heimkehr: | 21.09.2007 |
Frankreich