Radtour von Paris nach Feldolling
Erste Etappe: von Paris nach Nangis
Jetzt wird's also wirklich ernst. Pünktlich um 7:52 Uhr fahre ich, etwas unruhig geschlafen (hat aber nichts mit Aufregung wegen der anstehenden Tour zu tun) mit meinem Zug in den Bahnhof Gare de l'Est (Ostbahnhof) von Paris ein. Eigentlich wollte ich schnurstracks zum Eiffelturm fahren, mich mit diesem gebogenen Stahlgerüst als Hintergrund von jemandem fotografieren lassen und umgehendst die Heimfahrt antreten, da ich ja wie in den Vorbereitungen beschrieben, schon vergangenes Jahr mit dem Zug dieser an den richtigen Stellen wirklich schönen Stadt einen Kurzbesuch abstattete.
Aber beim Entnehmen des Fahrrades und Aufrüsten mit der Packtasche hab ich dann Regina kennengelernt, die am Vortag erst in Ulm zugestiegen ist und auch alleine eine noch viel weitere Radferntour durch Frankreich in Angriff genommen hat und das mit Zelt - chapeau, Hut ab !!! Da wäre ich zu feige gewesen. So kamen wir also überein, eine kleine Runde durch die "Ortschaft" zu drehen, die uns über Notre Dame (ohne Quasimodo), die Pyramide am Louvre, den Garten der Tuilerien, den Place de la Concorde (dort hat Regina, da ich zu wenig mutig, mit ihrer Fotomaschine aus der Hüfte heraus gleich noch ein unerlaubtes Action-Foto eines Polizeieinsatzes "geschossen", mehr will ich dazu an dieser Stelle nicht sagen, ausser "Super, Regina"), anschliessend die Champs Élysées entlang zum Arc de Triomphe und von dort schliesslich über das Palais de Chaillot zum Eiffelturm auf das Marsfeld.
Dort gab's dann noch Fotos vom offiziellen Tour-Startpunkt, dann war an der Pont d'Iéna, der Brücke zw. Eiffelturm und Palais de Chaillot Abschied voneinander nehmen angesagt, denn Regina startete erst mal in die Normandie und ich habe ihr noch lange mit Bewunderung über ihr Vorhaben nachgesehen, bis sie ausser Sichtweite war. Schliesslich hat sie nur einen Französisch-Crash-Kurs von ihren Arbeitskollegen erhalten, aber ich werde es von ihr sicherlich noch erfahren, wie sie sich durchgeschlagen hat.
Bon courage et bon chance, Regina!
Und: Danke für die nette Begleitung durch das Stadtzentrum.
Da habe ich absolut gern mehr Zeit für Paris aufgebracht, als ich eigentlich geplant hatte.
An der Westseite von Notre-Dame
Notre-Dame an der Feldollinger (Ost-)Seite
Am teuren Pflaster der Avenue des Champs-Élysées
Am westlichen Ende der Avenue des Champs Élysées mit Blick auf den Arc de Triomphe
Steht da einer wie ein siegreicher Feld- bzw. Strassenherr, obwohl die Radl-Schlacht gerade erst mal seinen Anfang nimmt - ganz schön vermessen ...
"Gegenlicht ist nicht gut für's Erkennen von Gesicht" (hätte aber zulange gedauert, eine Wolke abzuwarten)
Ein gemeinsames Foto mit Regina, das mit ihrem Fotoapparat geknipst wurde. Da konnte mein inzwischen gelöschtes Handyfoto von der anderen Turmseite am Trocadero nicht ganz mithalten ...
Auf dem Champ de Mars (Marsfeld) südlich des 320 m hohen Stahlgerüsts mit seinen schönen und feinen Strukturen. Das könnte man mit einer Total-Perspektive nicht so heraussehen.
Immer noch versteckt sich die Spitze des Turms, aber bei Helligkeit über ein Handydisplay ein Motiv anzuvisieren, ist eigentlich gleichbedeutend mit Blindflug.
Der Eiffelturm von unten nach oben
Also ergab es sich so, dass ich nach dem Abschied von Regina gegen halb zwölf mittags dem Eiffelturm meinen Rücken und zwei "kalte Schultern" zukehrte und den Ausbruch aus Paris ins Umland in Angriff nahm. Im Zentrum bis zum Autobahnring war das praktisch kein Problem: entweder direkt am Ufer der Seine entlang auf für Radler gesperrten Strassen (es war Sonntag) oder oberhalb am Radweg oder mal nördlich auf der für Radler erlaubten Bus- und Taxispur entlang.
Direkt unter einer Brücke an der Wand eine kleine Zeltstadt von Obdachlosen. Von der Lokalität her gewiss keine Camper.
Aber was erwartet mich dann in den Vororten Ivry-sur-Seine, Alfortville, Créteil etc.?
Mittels Google Earth bzw. -Maps konnte ich an den Satellitenaufnahmen erkennen, daß an der grossen Nationalstrasse N 19 bis an die Stadtgrenze kombinierte Rad- und Gehwege vorhanden sein mussten - aber in welchem Zustand?
Auf jeden Fall viel weniger schlimm als befürchtet:
Mal etwas ruppig und immer wieder mal von schlampig abgestellten Kfz und Motorrädern versperrt. Trotzdem ging's für Stadtverhältnisse relativ flott voran. Ab der Stadtgrenze bei der N 19, als kein Radweg mehr vorhanden war, habe ich bei der Vorplanung von vornherein nur noch kleine Strassen im Umland gewählt und so ging es dann über Moissy-Cramayel über den kleinen Flugplatz Melun-Villaroche
Flugzeugmuseum am o.g. Flugplatz
weiter nach Mormant. Da schon früher Abend war, seit der Stadtgrenze unangenehmer Gegenwind dem Weiterkommen spürbar Bremsen anlegte, wollte ich schon vorzeitig den ersten Tag beenden, aber das einzige Hotel war komplett belegt. So bekam ich den Ratschlag, weitere 14 km nach Nangis, der nächstgrösseren Ortschaft (mit lt. Landkarte ca. 7500 Einwohnern) zu fahren. Blieb mir auch fast nichts anderes übrig - zurückzufahren wäre weiter gewesen. In Nangis angekommen war dann das einzige Hotel sonntags geschlossen und die ersten Einwohner, die ich fragte, wussten keinen Rat.
Am Marktplatz traf ich die Chefin einer Konditorei, die gerade die Schaufenster mit den Fensterläden verschloss. Zuerst konnte sie mir auch nicht weiterhelfen, dann sagte sie jedoch, ich solle mit ins Geschäft reinkommen, wo sie zu telefonieren anfing. Zwei, drei Versuche schlugen fehl, mir wurde zusehends unwohler - dann ein Lächeln in Ihrem Gesicht: Suivez moi - folgen Sie mir, sagte Sie.
50 m bis zur nächsten kleinen Kreuzung, dort keine 50 m links, ein Läuten an der Haustür und eine Dame im mit Wandfarbe verschmierten Blaumann erschien. Sie wäre zwar erst beim Herrichten einer Ferienwohnung und es gäbe auch noch kein warmes Wasser zum Duschen, aber ich könne ohne weiteres im Badezimmer der Familie duschen. Preisfrage: Habe ich dieses Unterkunftsangebot abgeschlagen ?
Mit ihrer Tochter hat sie dann ruck zuck das Bett bezogen und sich kopfschüttelnd mein Tour-Vorhaben erklären lassen und mir war plötzlich innerlich wieder so wohl, dass auch wieder Hunger aufkam. Noch in der Konditorei hätte ich nicht einmal eine der so verführerischen Pralinés verdrücken können. Ich habe meiner Hausherrin Madame Le Page gleich zum Ausdruck gebracht, dass ich mich hier wie im Paradies fühle: ein kleiner Innenhof mit Blumengarten und ebenerdiger Zugang ins Zimmer an der Rückseite des Innenhofs. Mir wurde gleich angeboten, sich mit Vornamen anzureden, auch mit Hund und Angorakatze war gleich dicke Freundschaft geschlossen - einfach paradiesisch. Das war der erste Tag mit ca. 100 km Fahrtstrecke und der Erkenntnis, dass es auch ausserhalb der Ferienzeit keine Selbstverständlichkeit sein muss, eine Unterkunft zu finden.
Meine erste Unterkunft im "Paradies". Im Hintergrund der Zimmerzugang. Rechts von der Türe erstreckt sich der Garten noch ca. drei Meter.
Aufbruch: | 31.05.2008 |
Dauer: | 10 Tage |
Heimkehr: | 09.06.2008 |
Deutschland