China / Tibet - Lhasa
Therme in 4.300 M. ü. NN.
Am zweiten Abend geht es dann früh ins Bett, da am nächsten Morgen eine Fahrt zu thermischen Quellen in 4.300 Meter Höhe ansteht. Diese Nacht verläuft schon etwas besser als die erste und er findet für jeweils 1 bis 2 Stunden Schlaf, bis ihn dann doch wieder die Symptome der Höhenkrankheit aus dem von wirren Träumen begleiteten oberflächlichen Schlaf holen. Kopfschmerzen machen sich breit und ihm wird ein wenig unwohl bei dem Gedanken an die bevorstehende Fahrt. Noch mal 600 Meter höher in dünnere Luft. Handelt er verantwortlich, oder soll er den Anstieg lieber der Vernunft opfern. Er ist Tourist und will kein Held sein. Am nächsten Morgen beugt er sich jedoch dem Gruppenzwang und tröstet sich mit dem Gedanken: " Wenn die anderen das schaffen, schaffst Du es auch"! Er weiß, dass dies eine falsche Strategie ist, aber er riskiert es dennoch. Die Straße führt hinaus aus Lhasa und zieht sich allmählich, ja eigentlich fast unmerklich in die Höhe, vorbei an der sich im Bau befindlichen Bahnstrecke, die in das nördlich von Tibet gelegene Autonomie-Gebiet Xinjiang führen soll. Ein gigantisches Bauwerk mit vielen Menschen und wenigen Maschinen. Der Bus überholt einen Militärtransport der Volksbefreiungs-Armee. Eine endlose Schlange oliv-farbener LKW´s, die sich in Leerfahrt nach Norden bewegen, um dort neue Fracht für Lhasa aufzunehmen. Chinesen im Bus erklären mit Stolz, dass dies der Lebensnerv für Tibet ist und ein großer Teil der tibetischen Infrastruktur nur mit Hilfe aus Peking aufgebaut werden konnte. Durchaus eine zwiespältige Aussage, denn die Tibeter sind da ganz anderer Meinung. Er spürt, wie der Druck in seinem Körper zunimmt und die Konzentration etwas zu schwinden beginnt, denn inzwischen hat der Bus die 4.000 Meter überschritten. Steil umgeben ihn die baumlosen Hänge und in der Ferne erkennt er schon die ersten Schnee-, Firn- und Gletscherfelder an den Flanken der Berge, die weit über 5000 Meter in den Himmel ragen. Zum ersten Mal erblickt er diese Dimensionen und hat abgekapselt von den Parametern der europäischen Alpen.
Hier ist er im Himalaya bei den ganz großen 8.000-er Bergen wie Everest, Lhotse, Makalu, Nanga Parbat, Gesherbrum, Cho Oyu, Annapurna, Shisha Pangma, Kangchenjunga, Dhaulagiri und Manaslu die aber noch ca. 600 Kilometer entfernt hinter den Zufahrtsorten Shigatse und Gilgit liegen. Nach den letzten steileren Windungen öffnet sich plötzlich ein weites Hochtal und er erkennt, dass jetzt die Zielhöhe von 4.300 Metern erreicht ist. Von weitem sieht er schon die thermalen Verdampfungen, die steil durch die dünne Luft in den Himmel steigen. An mehreren Stellen schießen diese Geysiere aus dem Boden und geben der Dramatik dieser Höhenlandschaft mit den Bergen die gleichzeitig weit entfernt und nach dem nächsten Wimpernschlag wieder greifbar nahe erscheinen eine zusätzliche Vision von Unwirklichkeit. Erst die Pferde, Schafe, Yaks auf den Höhenwiesen und die wenigen Menschen hier oben am Thermalbad lassen ihn die Wirklichkeit wieder wahrnehmen und die vielen Kinder, von denen er umringt ist, die tibetische Faszination fast vergessen. Auf seinen Reisen hat er immer festgestellt, dass Kinder ähnlich, ja fast stereotyp reagieren in ihrer Unbekümmertheit und Neugier. "Money, Money" rufen sie mit ausgestreckter Hand. Ein Ritual, das man einfach tolerieren muss, ohne es weiter kritisch zu hinterfragen. Sie haben eben keine andere Chance und "HARTZ 4" ist hier oben noch nicht angekommen. Die Kinder lesen ihm die Worte von den Lippen ab und so beschließt er mit ihnen ein Lied einzuüben. Unerklärlicherweise kommt ihm gerade das Karnevals-Lied vom "Ballermann" in den Sinn und so stimmt er dies mit Ihnen an. Er singt vor: Buenos Dias Mathias, wir sind wieder da, am Strand von Mallorca wie jedes Jahr - und die Kinder im Hochland von Tibet stimmen im Refrain mit ein - "und nur am Ballermann, am Ballermann, ........! " Erstaunlich, wie die neugierigen Augen an seinen Lippen hängen. Vielleicht ist es ja hängen geblieben und schallt noch gelegentlich aus mehreren Kinderkehlen durch die sauerstoffarme Luft hier oben. Nach fast 2 Stunden Aufenthalt und kürzeren Abstechern in die unendlichen Höhenwiesen bis ganz nah heran an die dort grasenden Yaks, ist dann die Rückfahrt und der Abstieg ins 3.650 Meter hohe Lhasa angesagt. Ganz zahm sind sie die Yaks, wobei er zuerst großen Respekt und auch eine profunde Angst vor ihnen hatt. Nur der Wunsch, ein gutes Foto zu schießen führt ihn unter Selbstgesprächen und fingierten Dialogen mit dem vermeintlichen Ungeheuer schrittweise näher heran. Da es keine Reaktion, außer einem gelangweilten Blick gibt, wächst sein Vertrauen. Auf ca. 3 Metern Abstand merkt er dann, dass die Yak-Mentalität der einer Kuh sehr nahe kommt.
Aufbruch: | 04.06.2005 |
Dauer: | 6 Tage |
Heimkehr: | 09.06.2005 |