Viva Mexico!
San Cristóbal de las Casas, 2100 Meter, 5°C
Nach der zwölfstündigen Nacht-Busfahrt in den Staat Chiapas wird's tatsächlich anders: So viele bunte Häuser, Plätze, Kirchen, Indígenas mit schreiend bunten Trachten und zotteligen Fellröcken. Ich bin hingerissen, und der Auslöser der Kamera steht nicht mehr still. Leider wird's uns auch gesundheitlich ganz anders: Moctezuma schlägt zu; der Höhenkoller mit Kopf- und Gliederschmerzen packt uns. Am liebsten würde ich mir ob der kalten Nacht die Decke über die volle Montur ziehen und schlafen, doch es gibt gesellschaftliche Verpflichtungen - schließlich ist Neujahrsnacht.
Die beginnen wir mit einem Aperitif vor der Kirche: Eine Indígena schenkt uns aus einem verbeulten Topf auf einem Häufchen glühender Kohle eine Art Rumtopf ein. Die Früchte sind komplett undefinierbar, aber es scheint vegetarisch zu sein ... Wir hoffen, dass wir davon nicht blind werden und schlucken's runter, nach dem Motto: Was uns nicht umbringt, erhöht die Zahl neuer Bakterien in der Darmflora und wappnet uns künftig für weitere ernährungstechnische Experimente.
Dann in einen Laden mit Live-Musik (Ska-Reggae-Latino: geil, aber ohrenbetäubend, dazu die üblichen Mixgetränke in gerader Anzahl, und dann klappt's auch mit dem Amüsieren). Das Publikum beweist: San Cristóbal ist die Zottelkopp-Hochburg. Die sind nämlich so schön öko, sind ohne Acht auf Farbgeschmack gekleidet, denn es gibt ja Wichtigeres, lesen Reise-Know-how oder Lonely Planet, kämpfen passiv für die Menschenrechte und gehen auf Tour in die Menschenzoos, Indígenas gucken. Ich dagegen bin eine Sau, verbrauche Wasser zum Duschen, ergötze mich an einem schönen Hotelzimmer (und schwöre mir: das nächste wird schön, denn hier, in unserer feuchten kalten dunklen Bude haben mich die Flöhlis tatsächlich gebissen) und fotografiere Indígenas ohne deren Zustimmung - heimlich mit meinem Tele.
Aber die Zottelköpp haben auch ihr Gutes: Sie halten die Preise schön niedrig, weil anspruchslos, und es gibt ganze Menüs ohne Fleisch. Naja, und in meinem neuen Wollpullover mit Fransen und Kapuze sehe ich schließlich auch sehr farbenfroh aus. Der hat neben der rein modistischen auch eine lebensrettende Daseinsberechtigung, denn er gibt warm. Meine Einreiseklamotten kommen einfach nicht mehr mit. Wir halten tapfer bis halb 2 aus. Die Gäste nebst Personal im Hostal (gerade der Minderjährigkeit entwachsene junge Damen aus Europa mit sozial ambitioniertem Hintergrund und ebenso trinkfreudige Locals) halten durch bis morgens um 10. Dagegen gibt's Ohrstöpsel. Die machen sich auch auf den Busfahrten, auf denen regelmäßig Schrei-krach-bumm-Filme in nicht zu ignorierender Lautstärke gezeigt werden, bezahlt.
Aufbruch: | 25.12.2006 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 11.01.2007 |