Simson - Rallye Monte Carlo 2010

Reisezeit: Juni / Juli 2010  |  von Bernd F.

Donnerstag: Darfs noch ein Pass mehr sein?

Am nä. Morgen um kurz vor 6:00 Uhr schälten sich die Jungs bereits wieder aus den Schlafsäcken. Nach einem kurzen Frühstück mit Kaffee und Rührkuchen, sollte es schon weitergehen. Doch plötzlich fuhr ein Einheimischer mit seinem FIAT Panda vor. Es war deutlich zu sehen, dass die Gruppe hier genächtigt hatte. Jeder rechnete nun mit Ärger, aber es kam anders. Ein verschmitzt lächelnder, ca. 65 Jahre alter Mann stieg aus, grüßte freundlich, fragte ob er hier 2 Minuten mit seinem Wagen stehen bleiben kann und verschwand zwischen den Pfirsichbäumen.

Ungefähr 10 Minuten später kam er zurück mit exakt 1 Pilz in der Hand. Einige der Jungs meinten, es wäre wohl etwas wenig für ein Pilzgericht, Bernd schien den Braten gerochen zu haben und warf dem sympathischen älteren Mann mit einem Lächeln die Worte "ah, Potenza" hinterher, worauf er recht verlegen nickte. Es war eine echt nette Begegnung.

Es ging weiter Richtung Norden, und wahrscheinlich freute sich in diesem Moment keiner so sehr darüber wie Oli, mit seinem runderneuerten Moped. Seine Kiste rauchte zu Anfang noch recht stark, doch der weiße Rauch, offenbar Reste des Getriebeöls in Kurbelgehäuse und Auspuff, war nach ca. 20-30 km nahezu vollständig verschwunden.

Es wurde wieder ein heißer Tag. Umgeben von Reisfeldern vermeldete Rainer: " Heiko, bei Dir ist irgendwas nich oginal". Der Auspuff wackelte, die bereits ausgetauschte Halteschraube war erneut verlustig und die zweite Halterung war auch schon locker. Es war klar, Ersatz musste her und zwar rasch. Weder eine Mercedes noch eine BMW Vertragswerkstatt konnten helfen, erst bei einem Motorradhändler wurden sie fündig.

Es war wohl eine Frage der Ehre, denn der Motorradhändler wollte kein Geld. Kurze Zeit später gönnte sich die Gruppe wieder einen Stopp bei einem Cafe. Da die letzte Nacht wild gecampt wurde, waren die gepflegten Toiletten mit Waschgelegenheit im Cafe sehr willkommen.

Auf der Weiterfahrt Richtung Lago di Orta, bemerkte Werner plötzlich einen Defekt an seiner Maschine. Am Schaltgestänge hatte sich ein Sicherungssplint verabschiedet.

Ein Stück Draht sollte das Gestänge bis auf Weiteres fixieren. Die Reparatur dauerte keine 2 Minuten, was ihm einhelliges Lob der Gruppe einbrachte.

Wieder am Lago di Orta angekommen, wurde beschlossen ein Bad zu nehmen. Da die Fahrt erneut unmittelbar am vor einigen Tagen heimgesuchten Campingplatz entlang führte, erinnerte man sich an dessen schönen Badestrand. Das Risiko, hier als nicht registrierte Campinggäste entlarvt zu werden war überschaubar.

Nach der Abkühlung wurde erst mal fein getafelt.

Danach nutzte Oliver die Pause um seine Zündung nachzustellen, offenbar fehlte ein halbes PS.

Ein Gewitter zog auf. Unter Bäumen suchte man Schutz vor dem Regen. Bereits nach kurzer Zeit konnte es jedoch weitergehen Richtung Verbania am Lago Maggiore.

Der zweitgrößte See Italiens empfang die Mopedfahrer mit super Wetter und einem unbeschreiblichen mediterranen Flair. Links und rechts der idyllischen Uferstraße wachsen Bananen, Palmen, Kakteen und Bambus. Es war erstaunlich ruhig am See, eben noch keine Hauptreisezeit.

Plötzlich diagnostiziert Oli dubiose Geräusche an seinem Motor. Er war recht zornig und setzte unvermittelt die Fahrt in Richtung Locarno bzw. Bellinzona fort. Die Alpenüberquerung sollte über den Lukmanier Pass führen.

Zu Anfang lief es noch recht flott. Kurz vor dem Passanstieg machte Heiko an seiner Aprilia einen Kerzenwechsel.

Der Motor hatte immer wieder Aussetzer und bei weitem nicht mehr die volle Leistung. Dass hierfür der halbe Roller zerlegt werden musste, sorgte bei den Simson Piloten für etwas Verwunderung.

Der Lukmanier Pass wartet mit recht gemäßigten Steigungen auf, so dass Bernd mit seinem Habicht hier voll auf seine Kosten kam.

Auf halber Höhe wurde wie bereits im letzten Jahr beim Restaurant "Alloggio" Halt gemacht. Nach kurzer Abstimmung mit dem Wirt, bekam er die Order für die Zubereitung von 5 Männerportionen Spaghetti mit Tomatensoße und Parmesan, dazu grüner Salat.

Die Jungs waren hungrig, richtig hungrig. Rainer bekam seinen Teller als Letzter. Es war die kleinste Portion, eben der Rest. Diesen Sachverhalt tat er auch recht lautstark kund, so dass auch alle Umsitzenden im Bilde waren, dass Werner die größte und er "armes Schwein", die kleinste Portion erhalten hatten. Eine Mischung aus Enttäuschung und Zorn war wohl auch ausschlaggebend dafür, dass Rainer die ganze Parmesandose ins Essen fiel und somit für großes Gelächter sorgte.

Der Himmel zog sich bedenklich zu. Blitz und Donner waren bereits vernehmbar und somit ging es im Eiltempo weiter.

Recht schnell wurde es kühl, es begann zu schütten wie aus Kübeln. In einem Tunnel entschloss man sich, die Regenkombis überzustreifen. Die Entscheidung fiel nicht leicht, denn es war das erste Mal während dieser Tour. Andererseits trösteten sich die Jungs damit, diese Gepäckstücke wenigstens nicht umsonst mitgenommen zu haben. Die bereits vom letzten Jahr bekannte Passauffahrt inmitten herrlicher Landschaft, wurde diesmal komplett im Regen bewältigt. Auch bei der Passabfahrt hätte das Wetter kaum schlechter sein können.

Es wurde bereits dunkel. Die Sicht wurde, speziell für die Brillenträger immer schlechter. Heiko machte das Tempo. Die Fahrt war recht anstrengend und beschwerlich, nicht zuletzt deshalb, da man den kompletten Tag im Sattel saß.

In Disentis musste man sich entscheiden, ob die Rückreise wieder über Chur, also über die östliche Route erfolgen sollte oder nach Westen Richtung Andermatt. Alle waren sich einig, diesmal die westliche Route zu nehmen, da diese einfach die Unbekanntere war. Allerdings galt es hier gleich noch eine Hürde zu nehmen, als besonderes Gimmick musste man direkt im Anschluss auch noch den Oberalppass mit über 2.000 Höhenmetern überqueren. Bei diesem Pass mit seinen unzähligen Kehren und enormen Steigungen waren Rainer und Werner in ihrem Element, während Oliver und hauptsächlich Bernd die meiste Zeit aus dem 1. Gang nicht herauskamen und ihre Mopeds im Murmeltiertempo zur Passhöhe hochquälten.

Auf der Passhöhe angekommen, hatten einige Kisten etwas Probleme mit der Gasannahme bzw. mit kurzzeitigen Zündaussetzern, wahrscheinlich bedingt durch die Höhenluft und der damit verbundenen Gemisch Abmagerung. Werner und Rainer waren bereits auf Reserve, doch weit und breit keine Tankstelle. Vorsichtshalber hatte jeder der Beiden einen Ersatzkanister dabei, welcher hier nun zum Einsatz kam. Weiter Richtung Altdorf hielt man so langsam Ausschau nach einem geeigneten Übernachtungsplatz. In der Zwischenzeit hatte es aufgehört zu regnen. Oliver und Rainer waren bereits recht genervt.

Aus unerklärlichen Gründen war die Gruppe plötzlich nicht mehr vollzählig. Die Nerven lagen blank. Glücklicherweise fanden die Fünf nach wenigen Minuten wieder zusammen. Die Suche nach einem Übernachtungsplatz gestaltete sich äußerst schwierig. Das Tal war recht eng, rechts und links hohe Berge. Nahezu jedes Fleckchen war im Privatbesitz, eingezäunt oder einfach ungeeignet.

Nach einiger Zeit wurde einem Hinweisschild zu einer Gondelstation gefolgt, in der Hoffnung, dort oben vielleicht ein geeignetes Fleckchen zu finden. Der Stich wurde derart steil, dass alle Mopeds im ersten Gang auf der letzten Rille hochkeuchten. Plötzlich war Rainer verschwunden. Er klagte bereits kurze Zeit zuvor über Zündaussetzer und Leistungsverlust. Bernd fuhr zurück und fand ihn unten im Dorf. Seine Kiste schaffte den Aufstieg nicht und er war fertig mit den Nerven. Kein Wunder, alle waren bestimmt wieder 12 Stunden auf dem Bock, es war Nacht, immer wieder Regen, seine Kiste spielte verrückt und immer noch kein Übernachtungsplatz. Er fragte eine Einheimische nach dem nächsten Hotel.

In der Zwischenzeit war die Gruppe wieder zusammen. Auch bei der Gondelstation kein geeigneter Schlafplatz. Somit war guter Rat teuer, es war bereits nach 22:00 Uhr. Nach kurzer Abstimmung fuhren alle zu dem besagten Hotel. Die Übernachtungspreise wurden eingeholt. Das Doppelzimmer 130 Franken, das war eine klare Ansage. Also machten sich Werner und Bernd auf, im Ort einen letzten Versuch zu starten, ein Plätzchen für die Zelte zu finden. Nach intensiver Suche war zwar eine Stelle nahe einer Flussböschung gefunden, jedoch war diese auch mehr schlecht als recht.

Es ging wieder zurück zum Rest der Gruppe um zu berichten. Im Hotel Krone in Schattdorf hatte es sich wohl schon herumgesprochen, dass draußen einige "Motorradfahrer" eine Übernachtungsmöglichkeit suchten, allerdings die Zimmerpauschale nicht bereit waren zu bezahlen. Urplötzlich erschien eine junge Mitarbeiterin des Hotels auf der Straße und bemerkte: "Ach, ich hatte ja ganz vergessen Ihnen zu sagen, dass wir auch ein Matratzenlager haben für 28 Franken inkl. Frühstücksbuffet". Diese Person hatte der Himmel geschickt. Die Jungs überlegten keine Sekunde und nahmen das Angebot spontan an.
Das Matratzenlager war im Obergeschoss eines Nachbargebäudes.

Sie hatten das ganze Haus für sich alleine, sogar mit einem schönen Pool im Garten. Alles hat gepasst. Die nassen Sachen wurden erst mal zum Trocknen aufgehängt. Danach eine warme Dusche und frische Klamotten. Bei einem Becherchen Wein saßen die Fünf noch etwas im Garten zusammen und resümierten über den Tag. Inzwischen war es nach 1:00 Uhr. Die Stimmung war etwas gedämpft. Oliver ließ seinen Gefühlen freien Lauf und schüttete sein Herz aus. Er bemängelte die Raserei der letzten Stunden bei Regen und anspruchsvoller Strecke und auch die planlose Nachtplatzsuche. Bernd pflichtete ihm bei, dass das Reisetempo unter diesen Bedingungen recht grenzwertig war und speziell für Brillenträger nicht wirklich Spaß machte. Die Sache wurde recht kontrovers diskutiert, ein massiver gruppendynamischer Prozess wurde in Gang gesetzt.

Heiko und Werner, ein eingespieltes Team auf zahlreichen gemeinsamen Motorradtouren, fanden sowohl das Tempo als auch die Platzsuche völlig in Ordnung. Beide schliefen in dieser Nacht nicht im Matratzenlager bei den Anderen, sondern im Garten bzw. im Fluor. Ob es wirklich nur an der Wärme im Obergeschoss lag, blieb unklar.

© Bernd F., 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit Moped Veteranen bis ans Mittelmeer
Details:
Aufbruch: 26.06.2010
Dauer: 8 Tage
Heimkehr: 03.07.2010
Reiseziele: Deutschland
Schweiz
Italien
Monaco
Der Autor
 
Bernd F. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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