Mali: 4000 km durchs Land
Dies war meine 3. Malireise, dieses Mal ohne Kameltrekking, sondern nur mit Auto. Dafür hab ich sehr viel gesehen - die Wüstenstadt Timbuktu, die andere Wüstenstadt Gao, die berühme Moschee in Djenné mit dem Montagsmarkt und vieles mehr.
Reise nach Koutiala und Djenné
1. Kapitel: Zürich - Bamako - Koutiala - Djenné - Koutiala - Douentza
28.12.2002, 18.15: Wir fliegen über Marokko. Die Leute rund um uns sind eine Gruppe fröhlicher Südländer - die Frau links hat mir Weisswein über meine Füsse geleert, nicht absichtlich, aber sie ist beschwipst. Ich stinke nach Wein, auch wenn sie sich entschuldigt und bin nicht begeistert.
18.45: Wir fliegen über Marrakech und Ouarzazate. Ich bekomme Heimweh nach diesen Orten, an die ich schöne Erinnerungen habe. Technische Angaben zum Flug: Höhe 10'668 m, 916 km/h, Aussentemperatur - 53°C, zurückgelegte Strecke seit Paris: 2124 km. Wir fliegen Richtung Agadir - rechts liegt der hohe Atlas.
Sonntag, 29.12.2002, Bamako und Koutiala:
Die Ankunft im Flughafen Bamako war ein Riesenchaos. Zwar waren drei Cousins da, um uns zu helfen, und die uns sehr schnell durch die Passkontrolle schleusten. Aber mein Gepäck kam lange nicht heraus, es war das allerletzte Stück! Die Gepäckträger manipulierten einen immer wieder vom Turntable weg, und der Zugang zum eigenen Gepäck wurde einem verwehrt! Es ist ein unglaubliches Chaos an diesem Flughafen! Nachdem man endlich in der Hitze sein Gepäck in Empfang nehmen kann, muss man wieder anstehen, um damit durch den Röntgenapparat zu gehen (wozu das - die Reise ist ja zu Ende - aber das Gepäck wird nochmals geröntgt !!!?). Anschliessend luden wir alles in ein Auto von Verwandten und fuhren sofort nach Koutiala, ca. 23.00 Uhr ab Flughafen Bamako, Ankunft ca. 3.15 Uhr morgens in Koutiala im Südosten Malis. Der Sternenhimmel auf der Fahrt war grossartig. Die Sterne hingen tief und erschienen mir sehr gross und sehr nah. Es war eine richtige Zauberwelt. Ich war nach der Ankunft so kaputt, dass ich sogleich ins Bett fiel, aber nicht einschlafen konnte (da zu kalt, zu viel Lärm, zu viel Aufregung). Ich hörte Stimmen, - Seydou redete ohne Unterlass - irgendwann muss ich dann doch eingeschlafen sein, denn am andern morgen fühlte ich mich besser !
Mittags Spaziergang mit Seydou und Ismaël (Seydou nenne ich hier meinen Mann, Ismaël ist sein Jugendfreund) durch die Mangofelder in Koutiala. Wunderschöne Mangobäume, auch Baobabs, hat es hier. Wir sind weit gelaufen, es war angenehm kühl trotz Sonne. Ich habe den Frauen der Familie, meine Geschenke verteilt. Habe versucht, den verlorenen Schlaf nachzuholen, aber der Lärm war zu gross. Mittags gab's roten Reis mit interessanten Gewürzen und Fisch "Capitaine"! Hinreissend! Neue Pläne: Wir reisen morgen (Montag, 30.12.02) nach Djenné, an den Montagsmarkt und um die berühmte Moschee zu besichtigen - und am gleichen Tag wieder zurück nach Koutiala. Seydou's Bruder Alphadi und Ismaël kommen mit. Die Fahrt von Koutiala nach Djenné dauere ungefähr 3 Stunden hin und 3 zurück. Ich freute mich sehr auf Djenné. Viel Besuch kam vorbei, und endloses Palaver. Apropos Licht - was hier in Koutiala schlecht ist - es gibt kein elektrisches Licht, ab 18.30 Uhr ist es stockdunkel und man findet seine Sachen kaum - selbst eine Taschenlampe hilft nur wenig.
Karte von Mali.
Meine Schwiegermutter, mein Mann und ich in Mali
Die Moschee von Djenné
Der Montagsmarkt von Djenné
Montag, 30.12.2002 - Djenné
Es hat eine gute Strasse von Koutiala aus, wir sehen auf den Feldern Berge gepflückter, aufgeschichteter Baumwolle! An einem Schulgebäude sind Esel angebunden - sehr lustig. Der Ort heisst Karaba. Wieso die Esel ausgerechnet am Schulgebäude stehen? Auf der Weiterfahrt begegnen wir vielen Herden: Ziegen, Rinder, Pferde und Esel. Entlang der Strasse stehen Baobabs und Akazien. Peuls in Turbanen mit dem spitzen Peulhut über dem Turban laufen entlang der Strasse. Termitenhügel flitzen an uns vorbei. In der Gegend von San wohnen die Bobo, darunter habe es viele Christen - auch eine Kirche haben wir gesehen. Immer wieder begegnen wir Peuls (auch Fulbe oder Fulani genannt). Um in die Stadt Djenné zu gelangen, muss man mit einer Fähre den Fluss Niger überqueren - endlose Warterei, Verkehrschaos, zwischen den Autos zwängen sich Esel, Ziegen, Schafe und Menschen. Habe bei der Fährstation zwei Djiwaras* gekauft für 35 Euro - sehr schöne Ausführung (*Djiwaras sind Antilopenfiguren, nach einer alten Legende ein Naturgott und zugleich das Nationalemblem von Mali), mit Metallbeschlag an den Schläfen. Das Weibchen hat ein Kitz auf dem Rücken.. Ich bin total begeistert! Um nach Djenné zu gelangen, braucht man ein Ticket, welches 1000 CFA kostet (dies nur der Ausländer mit Auto), die Fähre kostet CFA 1500.-je Hin- oder Rückfahrt. Wir haben den Wagen in Djenné parkiert und sind durch den Montagsmarkt gelaufen - der sehr farbenfroh ist. Auch hier gab es viele Peulnomaden in ihren typischen Spitzhüten. Habe für 30 Euro einen Peul-Ring gekauft aus Silber - welches dann doch keines war. Wir sind dann um die berühmte Moschee gelaufen, kletterten sogar auf ein Dach vis-à-vis, um sie photografieren zu können. Es war schwierig, sie ganz aufs Bild zu kriegen, weil rund herum zu viele andere Gebäude sind, dazu der Markt. Es wimmelte nur so von Menschen, auch vielen europäischen Touristen. Mein erster 36er Film ist fertig.
Informationen zu Djenné: Djenné liegt auf einer Insel im Fluss Niger. Die berühmte Moschee von Djenné wurde 1907 gebaut, also relativ spät, und zwar auf dem Fundament aus früheren Zeiten, einer alten Moschee, die mehrmals zerstört worden ist. Die vier Minarette der Moschee sind nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtet, 100 Säulen tragen das flache Dach. Dieses imposante Gebäude wurde zum Symbol der sudanesischen Architektur. Der Stil setzt sich im ganzen Norden von Mali fort, vor allem entlang des Niger: Kontenze, Konna, Korienzé, Kotota sind die besten Beispiele dieser Architektur. Djenne-Jeno, so heisst das alte Djenné, liegt auf dem ursprünglichen Platz, welcher 1977 bis 1981 von einem amerikanischen Archeologenpaar namens MacIntosh entdeckt und ausgegraben wurde. Es hat eine Grösse von ca. 2 km2. Leider darf man nicht mehr in die Moschee hinein und schon gar nicht fotografieren, seit ein europäisches Fotografenteam unerlaubterweise in der Moschee Modeaufnahmen gemacht hat. Die Moschee ist ein heiliger Platz!
Abendessen wie geplant zu Hause in Koutiala. Eine Tante ist aus dem Nachbarland Niger angereist.Sie schenkte mir ein Bild, bestehend aus allen 21 Tuaregkreuzen des Niger, hinter Glas.
Und "gomme arabique" = durchsichtige leicht bernsteinfarbige Masse (sieht aus wie runde Kristalle) - ist Baumharz und kann so gegessen werden (ganz leicht süss, klebt unangenehm und intensiv an den Zähnen). Dieser "gomme arabique" wird nur von einem speziellen Baum gewonnen und sei sehr teuer! Daraus kann alles mögliche fabriziert werden - z.B. auch Hustenmedizin). Habe zwei Muster davon mitgenommen in die Schweiz, es ist ein Produkt des Landes Niger. Dass er so teuer sei, ist relativ, und von uns gesehen, nicht so teuer, wie das die Einheimischen empfinden.
Dienstag, 31.12. 2002 (Silvester in Koutiala)
Ismaël, der mit uns in Djenné war, hat sich als netter Freund entpuppt. Ich habe mit ihm sehr interessante Gespräche geführt. Ich habe weitere Geschenke verteilt. Heute abend soll es ein Fest geben (es ist Silvester) bei einer Tante zu Hause, so ähnlich wie letztes Mal vor zwei Jahren. Beim Spazieren habe ich Federn gesammelt - es seien "plumes des peintats" wird mir gesagt. Es ist das Perlhuhn, da die Feder perlartige Zeichnung aufweist. Man hat ein Schaf geschlachtet und es nachher hierhergebracht und hier ausgenommen und enthäutet. Leckerbissen sind Leber und andere Innereien, welche mir angeboten wurden - als besondere Ehre. Ich esse jedoch keine Innereien. Das Schaf wird heute abend zu einem Méchoui geröstet. Ich versuche, nicht hinzusehen.
Mittwoch, 1.1.2003 (Neujahr in Koutiala)
Das Fest bei der Tante im Garten war nur "halbschön". Es fing schlecht an - wir sollten zuerst zu einer Verwandten für ein Couscous, aber die Brüder und Cousins haben uns nicht mit dem Auto abgeholt wie abgemacht. Es gab darüber Aerger. Schliesslich mussten wir zu Fuss zum Haus der Tante laufen. "Wir" bestanden aus Ismaël, "Müller", Seydou und ich. ("Müller" ist ein Jugendfreund, der ganz anders heisst, aber man hat ihm in dieser fussball-verrückten Nation den Namen eines deutschen Fussballers gegeben und seither heisst er "Müller"). Während wir im Dunkeln der Strasse entlang gingen, hielt plötzlich ein Auto an, es war der Onkel. Wir stiegen ein und fuhren den Rest Die Gäste setzten sich in den Garten, es gab überlaute Musik, und auf der ebenerdigen Terrasse wurde getanzt.
Leider haben wir noch ein Problem mit dem Wagen - der vorgesehene 4x4 verliere Oel, wir können ihn nicht benützen, um nach Timbuktu zu fahren, und die Mietwagen in den Garagen sind schon alle weg nach Timbuktu,wo gerade ein Tuareg-Festival stattfinde! Wir werden einen kleinen roten Wagen (Toyota Starlet) nehmen müssen, mit dem man aber zuerst in die Garage muss, um die Papiere in Ordnung zu bringen (Versicherung), und dann mit diesem Auto versuchen, auf der geteerten Strasse nach Gao zu kommen (anstatt nach Timbuktu), diesen Wagen dort zu lassen und in Gao einen 4x4 zu mieten, um nach Timbuktu zu fahren.
Wir haben den ganzen Tag Besuch, da es Neujahr ist. Eine alte Frau namens Aisha wird mir als meine "Co-Epouse" (Mitehefrau) vorgestellt - sie ist ca. 80 Jahre alt und halbblind. Die ganze Familie lacht sich krumm über diesen Scherz. Es ist wie früher bei uns, als wir zu unseren Verwandten gingen, um ihnen ein gutes Neues Jahr zu wünschen. Seydou's Mutter und Tante erzählen mir, dass es von Familie zu Familie anders ist und abhängt, ob ein Mann eine oder mehrere Ehefrauen habe. In ihrer Familie hätten alle Männer nur eine Ehefrau (Monogamie). Wenn es mehrere Frauen habe, so gäbe dies immer grosse Probleme. Sie sind sehr resolut gegen die Polygamie und können sich bei dem Thema sehr ereifern. Die Tante aus dem Niger erzählt mir, dass sie nach ihrer Scheidung viele Männer hätte heiraten können (was ich ihr glaube bei ihrem Aussehen), aber immer als "Co-Epouse", und deshalb habe sie jedes Mal abgelehnt. So etwas käme für sie nicht in Frage, das gäbe immer Probleme und sei nicht denkbar in ihrer Familie. Wir machen diverse "Neujahrsphotos" mit mehreren Frauen im Salon, darunter ein süsses kleines Mädchen, das ein schwarzes Mützchen trägt mit vielen goldenen Perlen besetzt. Noch etwas zu den afrikanischen Frisuren - die Zöpfchen der Frauen werden mit einer Metallnadel bearbeitet, d.h. geflochten. Noch eine Tante ist angekommen aus Nouakchott (Mauretanien). Sie reiste per Flugzeug nach Bamako und von dort mit dem öffentlichen Bus nach Koutiala und ist sehr müde von der Reise. Andere Leute, die übers Neujahr gekommen sind, sind nach Bamako zurückgereist. Dann gab es noch ein Dorffest mit Musik - richtig ländlich und ursprünglich. Ich ging abends mit Seydou hin, und versuchte, im Dunkeln ein Photo des Orchesters zu machen. Wenn mit dem Auto alles klappt, fahren wir morgen los nach Gao. Die Frauen (sie heissen alle entweder Kadeija, Nana, Fatouma oder Aisha) sagen, ich müsse "grossir" (zunehmen). Sie sind alle sehr rund, aber Nana ist sehr hübsch.
Koutiala, 2.1.2003 (Donnerstag)
Seydou ist krank. Ich habe einen hellgrünen Schleier geschentk bekommen (er ist mit kleinen Pailletten und Spitzen bestickt und sehr weich). Ich trage ihn locker um den Hals und Kopf und finde es sieht ganz gut aus. Zudem hilft er gegen Sonne, Staub, Kälte, Wind und gegen allzu aufdringliche Blicke. Habe länger mit Fatouma aus Nouakchott geredet, sie ist sehr nett und ziemlich resolut. Sie trägt ein wunderschönes, smaragdgrünes mauretanisches Schleierkleid mit einem dazupassenden Kopfschleier.
Seydou, Ismaël und ich sind wieder zu einem alten Freund gefahren. Bevor wir dort in den Hof eintraten, befahl Seydou Bokar etwas in Sonrai, das ich nicht verstand, und ich musste vor dem Eingang warten. Später sagte er mir, er habe nicht gewollt, dass ich "etwas" sähe, was Bokar und seine Freunde grillierten. Es sei eine riesige Ratte. Hier im Süden würde man manchmal auch Ratten essen. Ich bin nicht geschockt, so lange ich davon weder essen, noch zusehen muss. Aber es ist unappetitlich, das grillierte Fleisch zu riechen und an die Ratte zu denken. Falls die Papiere für das kleine rote Auto bis mittags bereit sind, wollen wir trotz Seydou's Magenproblemen nach Gao abfahren. Später erfahre ich, dass das kleine süsse Mädchen mit dem hübschen Bonnet, "Zafoura" heisst (was mir gefällt, da endlich mal ein anderer Name!). Um 15 Uhr sind wir immer noch hier, warum weiss ich nicht. Wir haben wieder viel Besuch, Tahar, Aisha, alle Brüder ausser Alphadi sind da inkl Himahou aus Gao, sowie diverse Frauen, die ich nicht alle kenne.
Ca. 16.00 Uhr: Juhuuu - endlich Abfahrt von Koutiala mit dem roten Toyota in Richtung Gao. Wir fahren auf einer geteerten Strasse durch rote Erde mit Bäumchen und Sträuchern links und rechts. Wir - das sind Seydou und ich und sein Jugendfreund Ismaël, der heute in Burkina Faso lebt, und wegen unserem Besuch nach Mali gekommen ist. Ich bin erstaunt, dass er mit uns auf die Reise geht. Wir sind via Sévaré (Mopti) bis Douentza gefahren. Leider gab es im einzigen Hotel von Douentza kein einziges freies Zimmer (wir kamen ca. 22 Uhr an), der Garten war voller Zelte, und man offerierte uns, im Zelt zu übernachten. Es war aber sehr kalt, deshalb lehnten wir das ab und fuhren weiter, bis wir zu müde waren. Wir schliefen nun zu Dritt in dem kleinen Auto, und das war gar nicht lustig! Es war unmöglich, die Beine zu strecken! Wir haben auch nichts gegessen. Und wir haben gefroren. Das mag sonderbar tönen in Afrika, aber im Norden von Mali ist es in den Nächten manchmal sehr kalt, besonders in der Wüste.
Am frühen Morgen fuhren wir weiter (dh. es war noch Nacht, aber unbequem, darum fuhren wir früh weiter!) und an den Hombouri Bergen vorbei - die charakteristischen Formen ("La Main de Fatouma") hoben sich zu unserer Linken als dunkle Silhouette gegen einen lila-violetten Nachthimmel empor - ein imposanter, wunderbarer Anblick, der sich ganz plötzlich wie magisch über uns auftat. Es war eine grosse Ueberraschung - und ich staunte die Berge an wie ein Wunder - die schwarze Silhouette gegen das Violette! Es hat mir fast die Sprache verschlagen - die Berge waren ganz nah und majestätisch! Diese Gegend (der Hombouri-Bergkette mit der "Main de Fatouma" ist eine der reizvollsten in ganz Mali und sehr empfehlenswert!). Die Bergkette beginnt bei Douentza und setzt sich fort bis fast nach Gao.
Die Moschee von Djenné mit Seitengasse
Die Djiwaras (Antilopen-Gottheit des Ackerbaus der Bambara und heute oft auch gebraucht als Symbol für Mali)
Die berühmte "Main de Fatouma" aus der Hombouri Bergkettee, leider war es dunstig und das Foto ist nicht gut geworden
Aufbruch: | 28.12.2002 |
Dauer: | 5 Wochen |
Heimkehr: | 02.02.2003 |