Himmelswege in Sachsen-Anhalt
Halle
An unserem letzten Tag stand nun endlich das Highlight und der Hauptgrund unseres Trips an: Die Himmelsscheibe im Original zu sehen!
Aber auch abgesehen davon freute ich mich auf die Stadt. Natürlich gehört Halle nicht gerade zu den Topstädten Deutschlands und hat eher einen schlechten Ruf - die größte Stadt Sachsen-Anhalts war zu DDR-Zeiten eine Industriestadt, und wurde nach der Wende nicht so aufwändig restauriert wie etwa Leipzig oder Dresden. Aber andererseits hat Halle auch eine interessante Geschichte, schließlich wurde es aufgrund der Salzvorkommen gegründet. Das hört man immer noch im Namen, hall bedeutet nämlich Salz, wie ich im Jahr zuvor in Hallstatt gelernt hatte, s. mein Salzburg-Reisebericht! Später wirkten hier die Komponisten Bach und Händel. Das zeigt schon, dass Halle zur Zeit des Barock ein kulturelles Zentrum war.
Wir fuhren erstmal wieder nach Halle rein, parkten am Rand der Innenstand und gingen zum Landesmuseum für Vorgeschichte. Untergebracht in einem eindrucksvollen Gebäude, das zu Beginn des 20. Jahrhundert gebaut wurde, ist es eines der größten Museen seiner Art in Europa. Fotografieren ist leider verboten.
Landesmuseum für Vorgeschichte
Das Museum widmet sich hauptsächlich der Steinzeit, es gibt sehr viele steinzeitliche Werkzeuge und andere Gegenstände wie Göttinnen oder Töpferware. Auch zu sehen sind Tierskelette und Gräber, wobei erklärt wird, wie die Menschen damals begraben wurden.
Das Highlight ist aber natürlich die Himmelsscheibe, die auch gebührlich präsentiert wird: Sie befindet sich in einem abgedunkelten Raum und wird erleuchtet, so dass eine besondere Atmosphäre entsteht. Und es war in der Tat ein besonderer Moment. Mein Vater hatte so viel von der Himmelsscheibe gesprochen und ich hatte mich nie sonderlich dafür interessiert, aber sie nun zu sehen, war ein wirklich bewegender Moment. Sie war viel größer als ich erwartet hatte, und einfach wunderschön.
Nachdem wir das Museum ausgiebig erkundet hatten, besuchten wir noch kurz den Shop, dann machten wir uns auf den Weg zum Marktplatz von Halle.
Auf dem Weg sahen wir das Opernhaus von Halle, gebaut 1886
Der Marktplatz von Halle wurde im Zweiten Weltkrieg stark bombardiert und danach leider recht unsensibel wieder aufgebaut. Die meisten Gebäude drumherum sind nicht sehr ansehnlich, aber es gibt auch ein paar hübschere zu entdecken
Der Rote Turm und dahinter die Marienkirche mit ihren vier Türmen (einer ist von einem anderen verdeckt) - wegen dieses besonderen Ensembles wird Halle auch die "Stadt der fünf Türme" genannt
Das Denkmal von Georg Friedrich Händel befindet sich gegenüber der Marienkirche, in der er getauft wurde
Inzwischen überkam uns der Hunger - in diesem schönen Gebäude fanden wir ein Subway-Restaurant, sehr praktisch, da wir uns nicht lange mit dem Essen aufhalten wollten
Der Rote Turm aus dem 15. Jahrhundert steht mitten auf dem Marktplatz und beherbergt Deutschlands größtes Glockenspiel, das wir später am Nachmittag auch hörten. Die normale Melodie zur vollen Stunde ist die gleiche wie die des Big Ben! Der Turm war früher der Glockenturm der Marienkirche.
Der Roland vor dem Turm symbolisiert die Freiheit und Souveränität der Stadt
Eines der schöneren Häuser am Marktplatz ist das Stadthaus aus dem 19. Jahrhundert, das eine Versammlungs- und Festhalle beherbergt
Das Marktschlösschen ist ein hübsches Renaissance-Haus, in dem sich heutzutage die Touristeninformation befindet
Als ich die Marienkirche sah, war ich echt erstaunt, denn ich hatte vorher noch nie - oder zumindest nicht bewusst - eine Kirche mit vier Türmen gesehen! Und die Geschichte, die dahinter steckt, ist auch wirklich verrückt - früher standen hier einmal zwei Kirchen, die einfach abgerissen wurden, so dass nur noch die Türme stehen blieben. Nun wurden diese durch ein großes Kirchenschiff verbunden - fertig war die neue Kirche mit vier Türmen!
Angeordnet wurde das ganze durch Kardinal Albrecht, der die Reformation verhindern wollte, indem er seine Macht durch diese große Kirche demonstrierte. Funktioniert hat das aber nicht, er wurde wenig später aus der Stadt gejagt, und Luther predigte insgesamt dreimal in der Marienkirche.
Die Marienkirche mit ihren vier Türmen
Auch das Innere der Kirche gefiel mir sehr gut. Durch die Gold- und Blautöne wirkt sie ein wenig orientalisch.
Die große, wunderschöne Orgel wurde im Jahr 1716 gebaut und zuallererst von Johann Sebastian Bach gespielt. Später war sein Sohn Wilhelm Friedemann Bach hier Organist.
Auf dieser weiteren, kleinen Orgel über dem Altar lernte Händel das Orgelspiel. Auch der Flügelaltar ist sehr schön.
Als wir die Türme und die Brücke dazwischen gesehen hatten, hatten wir direkt gehofft, dass man da auch hochsteigen könne - und das ging tatsächlich! Für sechs Euro durften wir die steile Steintreppe in einem der Türme hochsteigen, kamen dann oben an, dann ging es über die Brücke und im anderen Turm wieder runter. Ich war wegen meiner Höhenangst etwas aufgeregt, aber die Brücke war gar nicht schlimm. Gruseliger waren die minikleinen "Balkone" rund um die Türme selbst, die äußerst schmal und noch dazu abschüssig waren - ach du sch...!
Blick auf den Marktplatz
Das weiße Gebäude rechts ist der Dom zu Halle, den wir später noch besuchten
Blick auf die hinteren Türme
Die Brücke
Die Gegend um den Marktplatz hatten wir nun vollständig erkundet - erstmal Pause in einem kleinen Café
Weiter geht's - das Geburtshaus Händels, in dem sich ein Museum zu seinem Leben und eine Sammlung historischer Musikinstrumente befinden. Leider wollte mein Vater absolut nicht rein... und so hab ich einen Grund, wieder nach Halle zu kommen!
Das Haus stammt aus dem 16. Jahrhundert und Händel verbrachte hier die ersten acht Jahre seines Lebens
Die zweite wichtige Kirche in Halle ist der Dom, der meiner Meinung nach von außen wirklich merkwürdig aussieht. Das wirkt noch stärker so, weil er fast vollständig von Gebäuden umgeben ist und man daher kaum einen guten Blick bekommt.
Im Gegensatz zur Marienkirche hat der Dom keinen einzigen Turm!
Der Dom zu Halle
Drinnen gefiel mir der Dom überraschend gut...
...vor allem die schöne Kanzel
Wir gingen zurück zum Marktplatz und entdeckten dabei noch einen weiteren Platz hinter der Marienkirche mit einem sehr interessanten Brunnen - den Hallmarkt. Wie der Name schon sagt, wurde hier früher Salz gewonnen und behandelt. Jetzt ist es ein schöner grüner Platz, aber vor allem sollte man einen Blick auf den großen Brunnen und seine verschiedenen Figuren werfen. Die Künstler Gerhard Lichtenfeld und Bernd Göbel arbeiteten von 1974 bis 1998 daran! Das lag nicht nur an den politischen Veränderungen, sondern auch am Brunnen selbst, der einige heiß diskutierte Figuren aufweist... Die meisten stellen Halles Geschichte dar, und zwar teilweise auf pikante Art und Weise!
Der Hallmarkt
Die berühmten Affen - nichts hören, nichts sehen, nichts sagen...
Hier wird ein Salzarbeiter gezeigt, ein alter Mann, der schwer arbeitet. Die Salzarbeiter begründeten früher den Ruhm und Reichtum Halles, was durch das Wappen dargestellt wird. Aber - wie man sieht, rühren die Autoritäten keinen Finger und sehen dem Arbeiter nur versonnen beim Schuften zu.
Hier wird ein religiöses Gebäude gebaut - so wie Kardinal Albrecht die Marienkirche, den Dom und weitere Gebäude bauen ließ. Genau, bauen ließ - denn der Aufseher peitscht hier nur auf die Arbeiter ein...
...während oben Albrecht, süchtig nach Macht, Geld und Frauen, eine Frau vergewaltigt. Dies ist der umstrittenste Teil des Brunnens - und so trägt Albrecht auch keinen Kardinalshut, sondern lediglich sein Haar ist so geformt. Diesen Teil der Figur mussten die Künstler ändern.
Ein wirklich außergewöhnlicher Brunnen und ein mutiges Kunstwerk an dieser öffentlichen Stelle!
Unser Tag in Halle ging nun zu Ende, auf dem Weg zum Parkplatz fanden wir uns nochmal in einem schönen Café ein und fuhren dann zurück zum Campingplatz, wo wir schonmal alles einpackten, was wir morgens nicht mehr brauchen würden.
Café "Wonnemond und Sterne"
Am nächsten Morgen traten wir dann die lange Fahrt quer durch Deutschland an.
Ein Fazit dieser Reise? Das ist ein bisschen schwierig, schließlich habe ich sie nicht selbst geplant und hätte die Himmelswege auch nicht aus eigenem Antrieb bereist. Halle und Naumburg haben mir jedoch sehr gut gefallen, und so war diese Reise ein interessanter Blick über den Tellerrand. Halle ist sicher kein Ziel vom Kaliber anderer deutscher Städtedestinationen, aber dafür ist es eine sehr authentische Stadt mit freundlichen Bewohnern und einer entspannten Atmosphäre. Und manchmal machen solche Ziele viel mehr Spaß als die "Must Sees"!
Aufbruch: | 25.08.2011 |
Dauer: | 5 Tage |
Heimkehr: | 29.08.2011 |