Auf den Spuren von Che und Fidel

Reisezeit: November 2013  |  von Marius Schebaum

Zwei Pempelforther Jungs backpacken sich kreuz und quer auf revolutionären Pfaden durch die Perle der Karibik

Kubanische Revolution 2.0

Los geht die wilde Fahrt

Mein guter Kumpel Bene und ich hatten uns eines Frühjahrs in den Kopf gesetzt, dass wir mit unserer traditionell reichlich vorhandenen studentischen Freizeit doch dieses Mal etwas Sinnvolleres anfangen könnten, als den ganzen Tag nur auf der faulen Haut zu liegen oder sein Erspartes in den dunklen Kaschemmen unseres Landes in Flüssignahrung zu investieren. Also setzten wir uns eines Abends zusammen und berieten bei einem Paderborner Pils (das soll da in der Gegend so etwas wie eine lokale Spezialität sein, munkelt man) die künftige Reiseroute: In die sagenumwobene Karibik sollte es gehen, da wo die Palmen sich über weißen Stränden gen Meer biegen, die Kokosnüsse von ebenjenen runter plumpsen und die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. So wie man sich dank diverser Katalogbilder eben die Karibik vorstellt. Jetzt muss man allerdings wissen, dass wir nicht die klassischen Resort-Pauschal-Touristen sind, sondern mein Kumpel Bene eher der Gattung der Flashpacker (zwar in Hostels unterkommen, allerdings dort auch ab und zu mal ein bequemes und ungestörtes Einzelzimmer dem Dorm-Room vorziehen und im Zweifel sich auch mal die ein oder andere Taxifahrt leisten anstatt immer per Viehtransport durch die Gegend zu ziehen) zuzuordnen ist, während ich eher der klassische Backpacker inklusive Hang zum Abenteuer bin.

Der alte Mann und der Seesack

Der alte Mann und der Seesack

Es sollte also am Besten für beide etwas dabei sein und so fiel unsere Wahl auf das immer noch stark kommunistisch geprägte Kuba, ein Land mit wahnsinnig spannender und vor allem lebendiger Geschichte und Kultur und ab und an blitzt auch hier das bei Europäern so fest verankerte Bild des karibischen Traumstrands durch die Plattenbauten der kubanischen Küste.

Gar nicht so einfach, da rein zu kommen

Wir durchliefen also den recht langwierigen Prozess der Visabeschaffung, für welches Bene extra persönlich in Bonn antanzen musste, da die Internetseite der kubanischen Botschaft ziemlich scheintot daher kommt und sich nicht dazu eignet, irgendetwas in Richtung eines Visums zu organisieren. Wir sollten zu einem späteren Zeitpunkt unserer Reise noch erfahren, wie speziell das Thema Internet bzw. Online-Organisation in Kuba ist...
Zusätzlich zum Visum benötigt man für die Einreise ein Schreiben der deutschen Auslandskrankenversicherung, am Besten auf spanisch und außerdem ein Ausreisenachweis, will heißen ein Flug- oder Fährticket. Gegen Ende unserer Reiseplanung habe ich dann eigentlich eher durch Zufall nochmal auf unser Flugticket geschaut und in einem kleinen Zusatz unter der Flugzeit stand etwas kryptisch verpackt die Aufforderung zur Beschaffung einer TSA-Nummer. TSA-Nummer? Was ist das denn für ein Quatsch, fragt man sich da zu Recht. Nach kurzer Recherche habe ich dann herausgefunden, dass dies eine Art Freifahrtschein für die amerikanische Flugsicherheitsbehörde ist. Um diese Nummer zu bekommen, muss man nämlich Flugdaten, Namen und Geburtsdatum angeben und dies sei notwendig, da man auf dem Weg nach Kuba durch US-amerikanischen Luftraum flöge und darüber hinaus behalte sich die NSA (oder irgendeine dieser modernen merkelschen Handy-Überwachungsinstitutionen) vor, bei Nicht-Angabe dieser Daten den Einstieg in das Flugzeug schlichtweg zu verweigern. Aha, wenn man den Amis also nicht gibt, was sie wollen, lassen sie einen nicht an ihrem Land VORBEI fliegen?! Naja, is wohl so, also wieder mal den gläsernen Bürger machen und endlich hatten wir alles beisammen, um Kuba zu entern...

Dat is also dieset Kuba

Da wir beide als Studenten Vertreter der dünnen Geldbörse sind, bevorzugten wir die günstigste Variante der Einreise: einen Condor-Flug nach Holguin. Der nicht ganz so findige Geograph fragt sich vielleicht, wer oder was und vor allem WO Holguin ist und auch wir brauchten einen zweiten Blick auf Google Maps, um die kleine, unscheinbare und nicht gerade vor Schönheit strahlende Stadt mitten im östlichen Hinterland der Insel zu finden.
Wie gesagt, war ich mit einem Vorzeigemodell der Flashpacker-Generation unterwegs und als solcher setzte Bene durch, dass wir bereits im Voraus ein Hostel für die ersten zwei Nächte buchen sollten inklusive Abholservice vom Flughafen. Dies sollte sich dann auch als einzige online organisierte Übernachtungsmöglichkeit entpuppen, aber dazu später mehr im Kapitel "Matratzenhorchdienst"...
Unsere ersten Schritte auf unbekanntem Terrain liefen dann tatsächlich auch nach dem vorher per e-mail ausgeklügelten Plan: Wir wurden mit einem kleinen Schild mit unseren Namen sehr freundlich empfangen und in einen mit ganz viel Liebe und Schweiß am Leben gehaltenen amerikanischen Oldtimer verfrachtet, wobei wir uns hinten auf die breite, braune Ledercouch im Foyer des Schlachtschiffs lümmeln durften.

Ami-Schlitten

Wir kamen uns wirklich vor wie in einem 60er Jahre Film (nicht, dass wir als 88er-Jahrgänge viel davon verstehen würden, aber ein paar Schwarz-Weiß-Bilder von Marylin Monroe aus der Zeit haben ja glücklicherweise überdauert, um auch unserer DVD-Generation einen Einblick in historische Unterhaltungsmedien zu gewähren) und Herstellungsdatum dieser Schmuckstücke passt auch tatsächlich dazu, denn eine von Fidel Castro erlassene Regel zu Anfang seines Regimes lautete, dass ausschließlich vor 1959 gekaufte Autos im Land verbleiben dürften, während es von nun an verboten sei, neuere Gefährte zu importieren, zu kaufen oder geschweige denn zu besitzen.

Diese Regelung wurde erst vor kurzem aufgehoben, so dass man mittlerweile auch vereinzelt neuere amerikanische oder asiatische Autos auf den staubigen Straßen zu sehen kriegt, doch der Großteil der Karossen sind tatsächlich notdürftig zusammengehaltene Oldtimer aus den Nachkriegsjahren und dementsprechend gibt es an jeder Ecke kleine Garagen oder auch der Einfachheit halber Freiluftwerkstätten, die ständig an einem Auto oder einem Roller oder einem Fahrrad oder einem Pferdekarren oder einem Reisebus oder einem LKW rum zu basteln scheinen. Man hat das Gefühl, dass Kubaner im Notfall sogar noch einen Kleiderbügel so verbogen kriegen, dass er als Ersatzteil ins Auto eingebaut wird

Wie kommt man hier eigentlich an Kohle?

Aber zurück zu unserem ersten Abend in dem fremden Land: Wir fuhren also langsam und schunkelnd durch die kubanische Dunkelheit, während unser Taxi-Fahrer an dem hochmodernen Fernseher im Vorderraum seines Autos herumdrehte und irgendwann laut scheppernd die riesigen basslastigen Boxen in unserem Rücken ansprangen und laute kubanische Rhythmen durch die Nacht hallten und sowohl unser Fahrer als auch unser Gastgeber immer wieder Menschen von der Straße wahlweise hupten oder grüßten. Außerdem hing die drückend schwüle Luft schwer über der Stadt und ließ uns unsere ersten kubanischen Schweißtropfen vergießen, von denen noch einige weitere hinzukommen sollten.
Ich hatte unserem Host mit meinem holprigen Spanisch klar gemacht, dass wir noch Geld bräuchten, um das Taxi zu bezahlen, denn in Deutschland war es sowohl Bene als auch mir unabhängig voneinander nicht gelungen, kubanisches Geld zu beschaffen. Sowohl die Deutsche Bank, als auch die Deutsche Bank und die Sparkasse führen keine kubanischen Dollar und es würde sich auch nicht lohnen, diese zu bestellen, da dies viel zu teuer sei. Aha, gut, dann eben mit einem Maximum an Vertrauen in die Funktionstüchtigkeit der kubanischen Geldautomaten ins Land gereist und der erste Härtetest ergab sich dann in einer eher schwach beleuchteten und wenig belebten Nebenstraße etwas außerhalb von Holguin und meine geliebte DKB-Cash-Karte ließ mich nicht im Stich! Auch wenn der maximale Abhebungsbetrag bei kubanischen Automaten so niedrig liegt, dass man das Abheben fast zu einem täglichen Ritual machen kann, da schließlich gemäß des Boykotts jeglicher us-amerikaischer Institutionen und Produkte auch nirgendwo Visa-Kartenzahlung möglich ist, was Kuba eindeutig zu einem vom Bargeld regierten Land macht. Bis zu diesem Moment hatten wir noch geglaubt, mit dem Besitz kubanischer Dollar (CUC), die 1:1 an den amerikanischen Dollar gebunden sind, sei der Drops gelutscht bzw. der Finanzbedarf gedeckt, bis wir ein paar Tage später unser blaues Währungswunder erleben durften, aber das dann en detail beim Kapitel "Wie Bene den Pizza-Stand kaufen wollte"...

Roberto

Ihr seht schon, es gibt so viel zu berichten aus diesem verrückten Land, dass ich ein wenig von der chronologisch Linie der Reise abweiche, deshalb jetzt wieder zurück zu unserem ersten Abend in der Karibik. Wir fuhren mittlerweile wieder aus der Stadt heraus, als unser Host uns auf spanisch erklärte, dass das eigentlich für uns vorgesehene Hostel voll sei und er uns aber jetzt zu einem guten Kumpel bringe, der auch ein schönes Haus habe. Diesem Unbekannten, aber freundlichen Kubaner mit unserem notdürftigen Spanisch ausgeliefert, stimmten wir zu (was blieb uns auch für eine Wahl?) und wurden schließlich vor Robertos Haus abgesetzt und kurze Zeit später von ebenjenem kleinen, energischen Schnauzbart namens Roberto begrüßt, der uns sofort energisch und offensichtlich begeistert von dem "hohen" Besuch aus Deutschland unser Zimmer zeigte: Ein großes Doppelbett mit furchtbar kitschigem Bezug in der Mitte, ein kleiner Balkon, ein Kühlschrank mit Mini-Bar und ein Badezimmer mit durchsichtiger Glastür (eine Einrichtung, die sich in ihrem tieferen Sinn bis heute unseres Verständnisses entzogen hat)

das war in dem Moment nach der langen Anreise und den ersten Eindrücken wahrlich sogar mehr als wir brauchten und so ließen wir uns schlaftrunken in unser nicht gerade homophobes Doppelbett sinken, allerdings nicht ohne mit Roberto detailgetreu zu besprechen, wann und vor allem was wir frühstücken wollten.

Matratzenhorchdienst im "casa particular"

Der geneigte Backpacker kennt aus vielen anderen Ländern, die schon den ein oder anderen Rucksackreisenden empfangen haben, wahrscheinlich das klassische Hostel mit einer Rezeption, einem Gemeinschaftsraum, einer Gemeinschaftsküche und ein paar mehr oder weniger liebevoll eingerichteten Schlafsälen. Wer so etwas in der Art in Kuba erwartet, der wird allerdings schnell eines besseren belehrt, denn die Hostel-Kultur sucht man hier vergeblich. Es gibt dafür aber ein wahnsinnig spannendes, das ganze Land durchspannendes System der so genannten "casa particulares". Dies sind von der Castro-Regierung verteilte Lizenzen, mit denen man das Recht hat, auch ausländische Touristen in seinem Haus schlafen zu lassen. Man schläft also in einem eigens dafür eingerichteten Zimmer im weiterhin ganz normal bewohnten Haus der Familie und es gehört zum landesweiten Standard, dass ein selbst zubereitetes Frühstück am nächsten Morgen für einen kleinen Aufpreis gibt. Es gibt eigentlich keine Schlafsäle, sondern überwiegend Zweierzimmer, was sich in unserem Fall vortrefflich traf. Während seines Aufenthalts lernt man dann automatisch direkt die ganze Familie kennen, die meist alle zusammen in dem Haus wohnen und da man das Frühstück dann meist im Wohnzimmer der Familie serviert bekommt, ist man gleich mittendrin im kubanischen Alltag
Ein Doppelzimmer kostet eigentlich landesweit immer 25 US$ und ein Frühstück dann nochmal 3US$ pro Person, was für die weitere Ernährungspolitik des Tages ein Segen ist, denn Supermärkte nach westlicher Art oder Fast-Food-Shops haben Seltenheitswert und sind vor allem mit währungstechnischen Komplikationen verbunden, so dass die meisten Backpacker sich diesen oft mit Liebe und frisch zubereiteten Start in den Tag nicht nehmen lassen.

Erst im Laufe unserer Reise ist uns aufgegangen, dass auch die Zusammensetzung des Frühstücks ziemlich systematisiert ist und somit im ganzen Land nicht von der Hand zu weisende Ähnlichkeiten aufweist: Es gibt fast immer einen Früchteteller mit Papaya, Guave, Bananen und Ananas, eine Kanne Kaffee und eine Kanne Milch, die allerdings aus Ermangelung an frischer Milch und zureichenden Kühlmöglichkeiten als Pulvermilch daher kommt und ziemlich pappig schmeckt, so dass man ab einem gewissen Punkt eigentlich zu schwarzem Kaffee übergeht und den seligen Starbucks-Zeiten hinterher weint, in denen man so verrückte Sachen wie Vanilla-Haselnuss-Frozen-Yoghurt-Cream-Cookie-Chai-Latte bestellt hat. Aber Mangelwirtschaft ist eben Mangelwirtschaft, dass haben unsere verwöhnten deutschen Gaumen relativ schnell feststellen müssen.

Außerdem gibt es noch eine Plastikkanne mit einem frisch gepressten Fruchtsaft (wahlweise Ananas, Banane, Papaya oder Guave, die vier absoluten Lieblingsfrüchte der Kubaner), der keinerlei Zusatzstoffe enthält, sondern wirklich die pure Fruchtexplosion im Mund und gleichzeitig sehr sättigend ist.
Das absolute Highlight ist allerdings das im ganzen Land omnipräsente Schinken-Käse-Sandwich, um das sich seit unserem Urlaub ganze kulinarische Legenden ranken. Dabei darf man keinenfalls denken, es handle sich hierbei um ein gut durchgetoastetes Sandwich-Brot, belegt mit Schweizer Bergkäse und einem frischen italienischen Serrano-Schinken, sondern das komplette Gegenteil ist der Fall. Das Brot ist jenes für südeuropäische Länder typische labbrige Weißbrot, dass beim anfassen auseinanderbröselt. Der Käse hat meist eine Farbe, die zwischen milchig weiß, beige und braun-gelb schwankt, eine Form ähnlich den berühmten Scheibletten und nicht selten ist die Konsistenz eher einem abgestandenen Ziegenkäse ähnlich als dem nach einigen Tagen so schmerzlich vermissten holländischen Gouda. Der Schinken indes reicht regional verschieden von "gerade so kaubar" zu ekelhaft faserig und zahnseide-erfordernd.

Da man aber im Laufe des Tages nicht auf bessere oder ansehnlichere Sandwiches oder Burger trifft , sondern man sich dann zusätzlich noch auf die Integrität und das Hygienebewusstsein des Straßenhändlers verlassen muss, schraubt man sichs halt rein (auch wenn man sich niemals so richtig dran gewöhnen kann), schließlich hat man als kultur-interessierter Reisender einen ereignisreichen Tag vor sich...

Bene achtet doch immer sehr auf das gewisse Ambiente beim Frühstück

Bene achtet doch immer sehr auf das gewisse Ambiente beim Frühstück

Was? Amerikanisch? Ach nee, ist nur McDUnald

Was? Amerikanisch? Ach nee, ist nur McDUnald

Auch bei Subway hats nur der heimliche Unterhändler "Sanway"nach Kuba geschafft

Auch bei Subway hats nur der heimliche Unterhändler "Sanway"nach Kuba geschafft

Wie ich zu Barbarossa wurde

Mit der Ankunft in Holguin wurde ganz nebenbei ein sehr ehrgeiziges Projekt der zwei bis dato eher kahlen Reiseteilnehmer gestartet, nämlich sich nach langen Jahren des bartlosen Lebens probeweise auch unter die Bartträger zu begeben.
Wir dachten uns da schon, dass der Weg ein langer sein würde oder um es mal salopp auszudrücken: Es würde wahrscheinlich ziemlich lange ziemlich scheiße aussehen, wenn wir beide mit unserer eher lausigen Gesichtsbehaarung versuchen würden, uns einen Bart wachsen zu lassen. Nichtsdestotrotz rasierten wir uns in unserem durchsichtigen Designer-Badezimmer in Holguin ein vorerst letztes Mal, um dann das Projekt "kubanischer Bart" anzugehen.

Vorbilder waren hierbei keine geringeren als Ernesto Guevara (im Volksmund auch "El Che" genannt) und der Führer himself Fidel Castro. Denn wir lernten während unserer Reise auf den allgegenwärtigen Spuren der kubanischen Revolutionsgeschichte, dass selbst die beiden späteren Wildwuchs-Jungs bei Beginn ihrer Machtergreifung in Kuba 1953 auch ziemliche Milchbubis ohne Bart waren und erst auf ihrem langen guerilla-geprägten Weg durch den Dschungel in Richtung der Hauptstadt Havanna kein akurates Rasierzeug mehr auftreiben konnten und sich somit notgedrungen das Abenteurer-Assecoire zulegten. Es gibt in einigen Museen Bilder von Che und Fidel, wie sie wie frisch gebackene, brave Abiturienten in die Kamera grinsen und ein paar Jahre später war bei den beiden Galionsfiguren der kubanischen Revolution der Bart nicht mehr wegzudenken.
Da wir geplant hatten, das Land von Südosten nach Nordwesten zu bereisen, also von Santiago nach Havanna, folgten wir zwangsläufig der groben Eroberungsroute der Beiden, die später noch etwas detaillierter beleuchtet wird, vorläufig allerdings zurück in die Gegenwart und unserem Versuch, uns im zarten Alter von 25 auch endlich mal einen Dreitage-Bart wachsen zu lassen. Für diesen DREI-TAGE-Bart sollten wir tatsächlich ca. 3 Wochen brauchen, in denen wir uns gegenseitig auslachten, vom Vollbart träumten, komische Blicke und einige lustige Kommentare von Einheimischen ernteten (schließlich sind für einen Kubaner rote Haare an sich schon spannend, aber ein roter Barbarossa-Bart? Unvorstellbar!), aber die ganze Zeit tapfer durchhielten, die deutlichen Lücken in unseren Bärten ignorierten und uns oft genug durch den von Hitze, Sonnencreme und Schweiß mächtig juckenden Bartansatz fuhren, schließlich muss leiden, wer schön sein will, hab ich mal gehört. Hier einige Impressionen unserer Odyssee...

Das große Vorbild immer vor Augen

Das große Vorbild immer vor Augen

ein eher frühes Stadium der Odysee

ein eher frühes Stadium der Odysee

So hatten wir uns das vorgestellt: Bene Castro

So hatten wir uns das vorgestellt: Bene Castro

ein leichter Schatten, aber man darf ruhig sagen, dass es immer noch ziemlich lächerlich aussah

ein leichter Schatten, aber man darf ruhig sagen, dass es immer noch ziemlich lächerlich aussah

trotz einiger Lücken ein gestandener und weitgereister Mann

trotz einiger Lücken ein gestandener und weitgereister Mann

schon besser nach Wochen des Kacke-Aussehens

schon besser nach Wochen des Kacke-Aussehens

gemütlicher Start in Holguin

Vielleicht habt ihr bemerkt, dass ich das Thema Holguin bisher recht erfolgreich umschifft habe und das hat seinen Grund, denn das kleine Kaff inmitten der kubanischen Hinterland-Hügel gibt einfach nicht viel her. Es ist klein, beschaulich, quadratisch angeordnet, hat ein "casa de la trova" (eine Art Musik- und Tanzcafe, sozusagen ein zentraler Sammelpunkt eines jeden kubanischen Ortes, in dem literweise Bier und Rum runtergespült wird und abends, oft mit Liveband, klassische Paartänze das Bild bestimmen), einen rechteckigen zentralen Park, der gleichzeitig das Zentrum darstellt, leere Supermärkte, kleine Straßenstände mit Schinken-Käse-Sandwiches und Pizza im kargen Angebot, einen völlig verwaisten Bahnhof, bei dem man nicht glauben würde, dass hier jemals etwas zugähnliches ein- oder abgefahren ist und schlussendlich einen etwas außerhalb liegenden Busterminal, der einem die Möglichkeit eröffnet, mehr oder weniger entspannt zur nächsten Etappe der Reise aufzubrechen.

Genau dies haben wir dann nach zwei Tagen der Akklimatisierung und des kleinen Kulturschocks auch getan und sind in die Metropole Santiago de Cuba gefahren, dort also, wo die Revolution damals auf dubiosen Umwegen ihren Anfang nahm...

Der ganz normale kubanische Verkehrswahnsinn

Nach dem beschaulichen, von der Revolutionsgeschichte ziemlich vernachlässigten Holguin nun also die ehemalige Hauptstadt Santiago de Cuba, wo der ganze Spaß damals angefangen hat. Zunächst hieß es allerdings, den Tranfer dorthin zu organisieren und man muss dazu wissen, dass Kuba transporttechnisch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist. Den Fernbus-Terminal in Holguin muss man sich als sehr trubeligen Umschlagsplatz für diverse Transportmittel vorstellen, wo jeder versucht, sein Fortbewegungsmittel an den Mann bzw. in diesem Fall an den unbedarften Touristen zu bringen. Durch den großen Rucksack auf dem Rücken schnell zu erkennen, stürmten dann auch direkt nach der Ankunft zahlreiche so genannte "jineteros" (frei zu übersetzen mit "Schlepper") auf uns zu un boten ihre Waren feil: "Taxi? Taxi? Santiago? Camaguey? Habana?" Die cleverste Antwort in so einem Fall ist tatsächlich "no, gracias", um sich zunächst einmal einen Überblick über Angebot und Nachfrage zu verschaffen. Wir hatten es also unverletzt und ohne Unterzeichnung eines Transportvertrags durch die Meute geschafft und standen nun in der voll besetzten Wartehalle des Terminals. Nun hieß es also, herauszufinden, wann der nächste Viazul-Fernbus nach Santiago fuhr. Klingt einfacher, als es dann in Wirklichkeit ist, denn laut Roberto sollte dieser um 1 Uhr mittags abfahren, doch auf Nachfrage in dem spärlich eingerichteten Info-Häuschen hieß es dann schon mal 2 Uhr. Es war zu diesem Zeitpunkt gerade mal 12 Uhr mittags, da die goldene Busregel lautet, dass man mindestens eine Stunde vor Abfahrt am Terminal sein sollte. Das Whiteboard mit handgemalten Abfahrtszeiten war auch nicht wirklich eine Hilfe, da man vorher wahrscheinlich ein Studium abschließen muss, um diese Hyroglyphen entziffern, geschweige denn verstehen zu können.

aaah ja...

aaah ja...

Ist ja nicht so schlimm, man bringt ja als Backpacker eine grundsätzliche Tiefenentspanntheit und Zeitdrucklosigkeit mit, die einem in so einem Fall zu Gute kommt

Füße hoch, Buch in die Pfoten und fast fühlt sichs an wie zuhause auf der Couch

Füße hoch, Buch in die Pfoten und fast fühlt sichs an wie zuhause auf der Couch

Im Notfall eben auch mal ein kurzer Sitzstreik, um an sein Busticket zu kommen

Im Notfall eben auch mal ein kurzer Sitzstreik, um an sein Busticket zu kommen

Dies ließ uns also Zeit, das bunte Treiben am Terminal ein wenig genauer in Augenschein zu nehmen und die Gesetzte des kubanischen Transports zu verinnerlichen. Während der wissensdurstige Bene unsere Bibel, den lonely planet, durchwälzte auf der Suche nach nützlichen Infos über unser nächstes Etappenziel...

...tauchte ich ein in das Kuddelmuddel des Umschlagplatzes und seiner umtriebigen Akteure:
Die Auswahl an Transportmitteln ist übrigens mit der richtigen Portion Fantasie und vor allem auch Abenteuerlust nahezu grenzenlos:

"Taxi? Taxi?" oder doch Eierschale aufn Kopp und ab in den Beiwagen?

"Taxi? Taxi?" oder doch Eierschale aufn Kopp und ab in den Beiwagen?

Einfach auf eigenes Faust ein Motorrad schnappen und Bene unter der Plane verstecken?

Einfach auf eigenes Faust ein Motorrad schnappen und Bene unter der Plane verstecken?

Ein Hauch von Indien auf einer Fahrrad-Rikscha?

Ein Hauch von Indien auf einer Fahrrad-Rikscha?

Schweinetransport bei 52 Grad Raumtemperatur? Kein Scherz, die locals fahren tatsächlich zusammengepfercht teilweise stundenlang in diesen Gefängnissen durchs Land, wenn sie knapp bei Kasse sind und nichts anderes leisten können

Schweinetransport bei 52 Grad Raumtemperatur? Kein Scherz, die locals fahren tatsächlich zusammengepfercht teilweise stundenlang in diesen Gefängnissen durchs Land, wenn sie knapp bei Kasse sind und nichts anderes leisten können

Mit alle Mann zum Ballermann?

Mit alle Mann zum Ballermann?

Die Öko-Variante, damit die CO²-Bilanz nicht aus den Fugen gerät?

Die Öko-Variante, damit die CO²-Bilanz nicht aus den Fugen gerät?

Die römische Variante?

Die römische Variante?

Oder doch politisch angehaucht  mit der neuen regime-treuen Generation auf Wahlkampagne?

Oder doch politisch angehaucht mit der neuen regime-treuen Generation auf Wahlkampagne?

Jedenfalls gehört eine gehörige Portion Verhandlungsgeschick und bei der Auswahl der Business-Partner ein gewisses Vertrauen in die eigene Menschenkenntnis mit dazu, damit man nicht übers Ohr gehauen wird von den gewitzten Kubanern...

Letztendlich haben wir uns aber dann nach gründlicher Abwägung unserer Optionen doch für die klassische Flashpacker-Variante des klimatisierten Viazul-Fernbusses entschieden, der einen in ca. 3 Stunden die 100 km über Staubpisten und kurze Autobahn-Stückchen nach Santiago bringen sollte. Da die kommunistische Regierung stets ein Auge auf die Bewegungsradien der Menschen in ihrem Land wirft, muss man dann beim Kauf des Tickets (das man übrigens erst kaufen kann, sobald der Bus vor der Tür steht, denn man weiß ja nie, ob dieser heute überhaupt auftaucht) auch seinen Reisepass vorzeigen und daraufhin wird dann das Gepäck schon mal vorsorglich von der Bus-Crew in einem Extra-Raum aufbewahrt und man bekommt ein eigenes Gepäckzettelchen für den späteren Ausstieg, auch wenn unsere beiden Rucksäcke sich signifikant von den anderen Gepäckstücken unterschieden, doch der Grund liegt hier nicht primär in dem Wiedererkennungswert der Gepäckstücke, sondern bietet eine zusätzliche Einnahmequelle: Denn selbst wenn man nur für 30 Sekunden sein Gepäck auf einen Rollwagen legt, was man im Übrigen tun MUSS, da man nicht selbst seinen Rucksack in den Gepäckraum des Busses legen darf, auch wenn die Klappe offen steht und das die offensichtlichste und ökonomischste Variante wäre, muss man für 1 Dollar diesen Arbeitsschritt auslagern an den netten jungen Bus-Gepäck-Assistenten, der zusätzlich zu den beiden Fahrern den Bus immer begleitet. Früher hat man das bei uns Arbeitsbeschaffungsmaßnahme genannt und ich denke, die Grundidee hat sich hier im modernen Kommunismus nicht geändert, weshalb die offizielle Arbeitslosenquote auch erstaunlich gering ist, obwohl gefühlt 50 % der Bevölkerung tagein tagaus vor ihrem Zuhause abchillen und entweder irgendetwas verticken oder mit dem Nachbarn den neuesten Klatsch austauschen oder auch einfach nur ungläubig in der Mittagshitze vorbeilaufenden deutschen Touristen mit schwerem Rucksack auf dem Rücken zuschauen. Der Kubaner hält das kontemplative spazieren gehen nämlich für ziemlich sinnbefreit, schließlich läuft man in einer solch heißen Gegend nur, wenn man wirklich muss und ansonsten schmeißt man sich halt voller Inbrunst in den Terminaltrubel und besorgt sich je nach Dicke des Geldbündels in der Tasche das Transportmittel der Wahl.

Bei diesen Fahrten mit den Viazul-Fernbussen haben wir schmerzlich erfahren müssen, dass die Kubaner die brandneue chinesisch-gefertigte Klimaanlage in diesen Bussen so klasse finden, dass sie regelrechte Wettbewerbe abhalten, welcher Bus die größte Kältestufe während einer Fahrt schafft. Es wird also kräftig runtergekühlt bis auf ca. 18 Grad und um jegliche Einflussnahme auf den Rekord zu verhindern, lässt sich diese auch nicht manuell abschalten, sondern bläst fröhlich vor sich hin, auch während der Nachtfahrten. Man kommt also schnell auf die überlebenswichtige Idee, schnell noch einen dicken Pulli aus dem großen Rucksack herauszunehmen, bevor man diesen dem Gepäck-Boy gibt und Bene war immer ein großer Fan der langen Jogginghose während dieser Transportmomente. Wenn man dann ca. einmal die Stunde eine Rast macht, um im hinterletzten Kaff an einem traurig-abgeranzten Busbahnhof noch ein paar Leute aufzulesen oder sich ein Schinken-Käse-Mitternachtssandwich reinzuschieben

wird man beim aussteigen erstmal von einer Hitzewand empfangen, so dass man sich sofort aus dem Pulli schält, um sich fünf Minuten später wieder wieder in diesen einzumummeln, weil man sich sonst den Arsch abfriert im Kühlschrank Fernbus.

"Patria o muerte" (Vaterland oder Tod)

Nun aber zurück zur selbst ernannten Partyhauptstadt Kubas: Santiago de Cuba. Wir waren ziemlich überrascht, als wir um 7 Uhr morgens aus dem Bus ausstiegen und dort eine Frau mit einem weißen DINA4-Zettel mit den Namen "Bene y Marius" stand, die uns sofort erkannte (es gab ja auch sonst keine weißen Langnasen weit und breit), uns freundlich begrüßte, das Gepäck abnahm und in ein Privatwagen drückte, der uns direkt vor unser neues casa particular chauffierte. Es stellte sich heraus, dass sie die Besitzerin war und auf der Fahrt zum Hostel fuhren wir absichtlich durch die Innenstadt und bekamen eine ziemlich enthusiastische Stadtführung, denn prinzipiell findet jeder Kubaner seine Stadt am coolsten, schönsten, besten und all andere Städte sind so la la.
Wir haben dann auch direkt ein reichhaltiges Frühstück bekommen und sind dann losgestapft, um uns die Zeugnisse der Revoultion anzuschauen:
Der erste Stopp war eine Kaserne ein wenig außerhalb von Santiago. Hier begab es sich 1953, dass Fidel Castro und sein Bruder Raul Castro jene Kaserne einnehmen wollten, um von hier aus eine Revolution gegen das Regime von Batista durch das ganze Land zu starten, ausgerüstet mit Waffen und Munition aus ebenjener Kaserne. Raul sollte mit ein paar Kumpels schon mal vorfahren, auf dem Dach des Nachbargebäudes ein paar Schützen postieren, um dann von dort dem später eintreffenden Raul Feuerschutz geben zu können.
Grundsätzlich ein guter Plan, der aber ziemlich in die Hose ging, weil Fidel sich mit seiner Crew schlicht und einfach verfahren hat, an der falschen Stelle rauskam, den richtigen Weg suchen musste und dann nicht da war, als Raul mit seinen Homies vor der Kaserne hielt. Von den 80 hochmotivierten Revoluzzern sind dann bei diesem mehr oder weniger energischen Sturm auf die Kaserne auch ziemlich viele umgekommen, während Raul und Fidel gefangen genommen wurden. Batista nahm die beiden Grünschnäbel allerdings ziemlich ernst und wollte sie nach Habana verlegen, wo er angeblich die ihre Hinrichtung plante nach Absitzen der Haftstrafe.

Diese Aussicht gefiel Fidel nur bedingt, so dass er beschloss, einfach das Land zu verlassen, bevor weiteres Ungemach drohte von Batista. Also seinen Bruder und seine besten Kumpels geschnappt, schnell nach Mexico abgesetzt und dort erstmal durchgeatmet. Und wenn man schon mal in Mexico ist, kann man ja auch die Gunst der Stunde nutzen und sich gleich ein bisschen die Gegend anschauen. USA ist ja auch nicht weit und nach New York will schließlich jeder Mal, also flugs die Küste hochgereist und da auf den guten alten Che Guevara getroffen.
Che seinerseits hatte damals in Argentinien nach dem Medizin-Studium irgendwie nicht so richtig Lust auf den Job und ist erstmal mit einem Kumpel mit einem alten Motorrad durch Südamerika gereist. Auf dem langen Trip hat er ein paar Sachen gesehen, die ihm nicht sooo gut gefallen haben, z.B. von einem Diktator oder einem brutalen Regime unterdrückte Menschen und da fragte er sich, ob man da nicht etwas gegen tun könnte... Und siehe da, er konnte: Hat schnell mal die eine oder andere Revolution angezettelt im Laufe seiner post-pubertären Lebensphase, z.B. in Bolivien oder später nochmal in Guatemala. Aber dort wurde es dann ein bisschen heiß, weshalb er einfach nach Mexico weitergezogen ist und vom selben entdeckergeist getrieben wie Fidel ist er ab nach New York. Die beiden Akademiker (Fidel hat Jura studiert in Havanna) hatten sich gesucht und gefunden und da Che sowieso gerade empfänglich war für jede Art von Revolution, brauchte es nicht viel, um ihn davon zu überzeugen, dass man doch gegen diesen Batista etwas unternehmen müsse. Also schnell ein paar Mann mobilisiert und ein Bötchen organisiert und dann zurück nach Santiago im Jahre 1956 und auf ein Neues, diesmal ein wenig überlegter und strategisch durchgeplanter als 3 Jahre zuvor. Hat dann aber wieder nicht so richtig hingehauen, denn bei dem Gefecht, welches direkt nach dem Anlegen folgte, wurde der Großteil der Revoluzzer erschossen und nur eine Handvoll überlebte, darunter Che, Fidel und Raul die alten Glückspilze. Sie haben sich dann ihrer Lage schnell bewusst getrennt und in den Dschungel abgesetzt. Dort haben sie in mühevoller Kleinarbeit die einfache Bevölkerung mobilisiert, ein paar neue follower rekrutiert, sich Waffen ergaunert und sich Stück für Stück Richtung Westen durchs Land gekämpft. Außerdem war dies die bereits angesprochene Phase des Erwachsen Werdens, in denen sich die Jungs als Markenzeichen einen dichten Dschungel-Bart stehen ließen und sich auch sonst hygienisch gesehen ziemlich gehen ließen, aber das gehört zum Guerilla-Sein eben irgendwie dazu.

Fidel hat dann im Südosten eine Art Dschungel-Basis errichtet, die von Batistas wütend kämpfenden Truppen nie eingenommen werden konnte, während ein paar andere Mitstreiter woanders auch ein bisschen abgelenkt haben, damit Che in der Zwischenzeit mit seinen 12 Geschworenen (es waren die meiste Zeit tatsächlich nicht viel mehr als 12 bärtige junge Männer in Khaki-Uniformen, lediglich mit Gewehr, ein paar Granaten und Baskenmützen bewaffnet) Richtung Westen ziehen konnte, um dann den ganz großen Coup im Herzen des Landes, in Santa Clara zu landen: Er schaffte es mit ebenjenen 13 Jungs einen ganzen Güterzug voll mit Waffen zum entgleisen zu bringen und ca. 300 Soldaten Batistas (inwieweit die Zahl zur Legendenbildung geschönt wurde, sei mal dahin gestellt) zu überwältigen, woraufhin der Weg nach Havanna frei war und Fidel kurze Zeit später triumphal dort einziehen konnte. Aus Dank hat er Che auch gleich zu seinem Wirtschaftsminister gemacht, was der auch von 59 - 65 ganz gerne gemacht hat, aber dann hat er doch wieder Hummeln im Hintern bekommen und die Revoluzzer-Lust hat ihn wieder gepackt, so dass er dann von Heute auf Morgen in den Kongo abgehauen ist, irgendwen stürzen wahrscheinlich. Als dort sein Werk vollrichtet war, ist er wieder zurück zu alten Glanzstätten, nämlich nach Bolivien, ein bisschen rumrevoluzzen wahrscheinlich, aber dieses Mal hatte er seine Rechnung ohne die CIA gemacht, die irgendwie die Schnauze voll hatten von diesem Umstürzer. Die haben dann auch keine halben Sachen gemacht, sondern ihn direkt hingerichtet und in ein Massengrab geworfen, wo er erst Jahrzehnte später von Fidel persönlich befreit wurde und in einer sehr heroischen Prozession in Santa Clara beigesetzt wurde, wo man auch heute noch sein Grad mitsamt ewiger Grabflamme des Kommunistischen Widerstands bestaunen kann.
Dies erklärt vielleicht, warum man bei einer Reise durch das heutige Kuba gar nicht an bunt bemalten Propaganda-Wänden, Plakaten, Konterfeis und Statuen von Revolutionsführer und Nationenretter Fidel, dem netten Guerilla-Kämpfer Che und dem amtierenden Staatschef Raul vorbeikommt, frei nach dem recht drastisch formulierten Motto "Patria o Muerte" (Vaterland oder Tod):

Begegnungen

Bis auf die erheiternde Geschichte des eher dilettantisch organisierten ersten Revolutionsversuchs vor der ehemaligen Kaserne Santiagos (wie um den blutigen Angriff von damals zu konterkarieren, dient die Kaserne mittlerweile heiter spielenden und lachenden Kindern als Schule, *rollin 55), hatte die zweitgrößte Stadt Kubas aus unsere Sicht allerdings nicht viel zu bieten: Nachdem Holguin leider keinen Zugang zum Meer vorweisen kann, wollten wir nun endlich mal dieses berühmte karibische Meer sehen, von dem immer alle so schwärmen und sind frohen Mutes von unserer Unterkunft die ca. 300 m runter Richtung Hafen gelaufen. Doch anstatt weißer Sandstrände und sich gen türkisem Wasser streckenden Palmen erwartete uns ein einziges verpestetes Industriehafen-Moloch. Ein Umschlagplatz für sämtliche Containerschiffe, Fähren, Früchteverkäufer, Bettler, Drogenhändler und allen voran unzählige von jineteros, die einem hanebüchene Geschichten aufgetischt haben und hier im Vergleich zu Holguin auch nach einigen sehr bestimmten "no gracias" sich nicht verscheuchen ließen. Der door opener war immer wieder "De donde eres?", also "Wo kommst du her?" und wenn man dann "alemania" als Antwort gab, hatte man im Prinzip schon verloren. Denn dann war man unausweichlich in einer Endlosschleife über die Erfahrungen der jungen Männer mit der guten, alten DDR, dem kommunistischen System dort und außerdem einem spontanen Vortrag sämtlicher, im Laufe des Lebens aufgeschnappten Deutschkenntnisse gefangen. Grundsätzlich haben Bene und ich nichts gegen kulturellen Austausch mit Einheimischen, sind im Gegenteil sogar sehr daran interessiert, aber im Hafenviertel von Santiago haben wir anscheinend die mit Abstand hartnäckigste und aufdringlichste Sorte Einheimischer aufgegabelt und einer dieser Jungs hat uns sogar 20 Minuten begleitet (während er zum Stein-Erweichen nach Urin gestunken hat), angeblich, um sein deutsch ein wenig aufzufrischen, denn er habe vor vielen Jahren bei Carl-Zeiss in Jena gearbeitet im Rahmen eines Austauschs der beiden Kommunistischen Bruderstaaten. Doch wie es leider oft der Fall ist, wollte auch er am Ende des recht einseitigen Gesprächs Geld von uns haben und als wir daraufhin versuchten zu erklären, dass wir in Deutschland Studenten seien und ein ziemlich knapp bemessenes Reisebudget hätten, wurde er richtig sauer, spuckte auf den Boden und schmiss uns im Weggehen ein paar spanische Schimpfwörter hinterher. Der nächste hatte dann die zugegebenermaßen originelle Idee, dass wir für ein Foto von einem Aussichtspunkt ihm als offiziellem Verwalter des Foto-Spots doch einfach einen Dollar geben könnten.

Als wir dann meinten, dass wir da eigentlich keine Lust drauf hätten, ihm für ein selbst gemachtes Foto Geld zu geben, kam er auch schnell wieder von der Idee ab und erließ uns großzügiger weise die Foto-Gebühr. Man kann´s ja mal probieren. Doch geschäftstüchtig wie er war, kam ihm blitzschnell ein neuer Gedanke und er erzählte uns von einem Kumpel, der ein Restaurant in der Nähe betreibt und ob wir nicht total hungrig seien? Wir sähen auch schon so abgemagert aus und könnten doch bestimmt was zu essen gebrauchen. Als wir erwiderten, dass wir gerade erst gegessen hätten, fing er völlig unbeirrt an, uns aufzuzählen, was für leckere Gerichte sein Kumpel auf den Tisch zaubere. Zum Beispiel einen Riesen-Fisch aus dem Hafen von Santiago (nach dem Anblick des Hafens ein paar Minuten zuvor machte das die Vorstellung eines Lebewesens aus dem Brackwasser nicht gerade appetitlicher). Obwohl wir noch ein paar Mal dankend ablehnten, drückte er uns jedem eine Visitenkarte in die Hand von dem Restaurant und als wir uns gerade noch insgeheim fragten, was er selbst denn eigentlich davon habe, kam er nebenbei darauf zu sprechen, dass er ja zu Hause vier hungrige Kinder habe, ihnen nur ganz selten etwas zu essen machen könne und er für jeden Gast, den er an seinen Restaurant-Kumpel vermittelt bekomme, eine ganze Flasche Öl von ihm bekäme, dass man eben nur sehr schwer auf dem Markt zu kaufen kriege und wenn, dann sei es wahnsinnig teuer und ob wir denn nicht helfen wollten, ihn und seine Familie zu ernähren? Hm, nette Idee die Sache mit der Tränendrüse am Ende, aber wir hatten nun mal schlicht und ergreifend keinen Hunger, sorry Kumpel... Mein Begleiter Bene hat sich übrigens bei den meisten der gefühlt 187 small talks mit eben jenen jineteros dezent zurückgehalten, indem er einfach vorgab, kein spanisch sprechen zu können. Dies hat er dann auch recht glaubhaft rüberbringen können, da er wirklich kein spanisch spricht. Dies war während unserer Reise Fluch und Segen zugleich, denn einerseits gingen einige recht interessante Gespräche mit unseren casa particulares-Besitzern spurlos an ihm vorbei und andererseits musste er sich nicht täglich mit den teilweise recht aufdringlichen "Schleppern" rumschlagen, deren Anzahl und Intensität jedoch spürbar mehr wurde, je größer die Stadt war, die wir besuchten. Wie in vielen Belangen nimmt die Hauptstadt Havanna hier eindeutig einen Spitzenplatz ein.

© Marius Schebaum, 2014
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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: 01.11.2013
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 20.11.2013
Reiseziele: Kuba
Der Autor
 
Marius Schebaum berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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