Frühjahrsreise durch Kalabrien und die Basilikata

Reisezeit: März / April 2014  |  von Thomas B.

Wir waren März / April 2014 5 Wochen in Kalabrien und der Basilikata (mit ein klein wenig Sizilien). Wir hatten 4 verschiedene Ferienwohnungen und haben von dort aus Wanderungen unternommen und Städte bzw. Landschaften besucht.

Über Palermo nach Kalabrien zum Capo Vaticano

Blick von Coccorino zum Capo Vaticano

Blick von Coccorino zum Capo Vaticano

Über Palermo nach Kalabrien zum Capo Vaticano

Wir sind über die Alpen nach Genua gefahren, dann mit der Fähre (frühe Buchung zu empfehlen) nach Palermo und von dort zurück aufs italienische Festland, auf die Stiefelspitze nach Kalabrien.
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Über die Alpen und Genua nach Palermo

Das Ausborden klappt ganz gut, außer uns hält sich niemand an das Verkehrszeichen "nur rechts abbiegen", aber nach einer Ehrenrunde sind wir in der richtigen Richtung und meine vierte Prüfung als Autofahrer durch Palermo läuft. Es hat mit sturem deutschem Autofahren nichts zu tun. Jede Lücke wird gestopft, Verkehrszeichen
gelten nur als Hinweis, man könne so verfahren. Rote Ampeln gelten fast nicht, Zebrastreifen sind lediglich weisse Balken auf der Straße. Dafür aber hält man selbstverständlich, wenn jemand die Straße überquert oder einen Karren schiebt, man muss nur gehen, zaudern gilt nicht. Vorfahrtsstraßen sind nur relativ. Man schiebt sich zentimeterweiße in den Strom, niemand läßt einen rein aber niemand beharrt auf seine Vorfahrt. Es ist ein Reißverschluss mit vielen Überraschungen. Fahrradfahrer fahren zu zweit nebeneinander. Licht? Licht am Fahrrad?? Geparkt wird auch in der dritten Reihe. Die Schlange muss dann aber kurzfristig auf die Gegenfahrbahn ausweichen. Gegenverkehr? Vorfahrt hat immer der, der zuerst dran ist. Nur die Rollerfahrer mit ihren Scootern machen uns Angst. Rechts, links, zentimetergenau in die Lücke, permanenter Slalom mit viel Krach. Nun gut, einige tragen sogar Helme. Es erinnert an Ski-Cross oder diese neuen Eisschnelllauf-wettbewerbe.
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Wir fahren die Autobahn bis S.Agata und biegen dann ab ins Nebrodi-Bergland Richtung Cesaro über den Pass, um dann nördlich des Etna nach Taormina zu kommen. Heiße Gebirgssträßchen, Serpentinen, Örtchen hoch an die Felsen geklebt und dann Schnee oben auf dem Pass (1600m), teilweise bis zu 15 cm. Glücklicherweise ist die Straße frei. Parallel zu uns fähr die "Circum-Etna" - Bahn.

Der Etna zeigt sich bedeckt, in Wolken gehüllt, seine Hinterlassenschaften sehen wir auch viele km entfernt in Form gewaltiger Lava-Blöcke. Dann noch ein Schwenker in ein Seitental am pittoresken Castiglione de Sicilia vorbei und wir kommen ans Meer. Giardino Naxos, ich fahre entgegen der Meinung meiner Frau und dem Navi zuerst mal in die falsche Richtung auf der Autobahn, was uns einmal umkehren und 70 Cent Autobahngebühr kostet, dann sind wir in Taormina.

Die Casa de Agrumi liegt im Gassengewirr von Taormina, dort wo man eigentlich gar nicht fahren darf, aber wir sind ja potentielle Anwohner. Ein hartes Stück Arbeit, aber lauter freundliche Menschen. Der Polizist frägt nicht, warum wir hier fahren sondern hilft uns, der Taxifahrer erklärt uns, dass wir unmittelbar vor der gesuchten Straße stehen, der Via Giovane di Giovane. Aber das ist ein noch schmäleres Gässchen als alles zuvor. Was hilft's, hinein. Um drei Ecken, wir sehen die Schilder unserer Unterkunft, quälen uns durch eine japanische Reisegruppe, dann stehen wir davor. I. klingelt, tja, wir hätten eigentlich vorher anrufen sollen. Und dann kommen drei Autos hinter uns, ich muss den Platz räumen, fahre bis zur nächsten Abbiegung und dann rückwärts in eine Sackgasse. Anruf, der Chef wird kommen. Die Signora aus dem Friseurgeschäft, neben dem wir stehen, hat auch schon geahnt, wo wir hinwollen. Hat die Rezeptionsdame irgendwie erreicht, das Garagentor geht auf, die Poller fahren runter, nochmals in die Kurve, zwei Ansätze, dann bin ich drin, die Garage ist zum Glück fast leer. Platz 3, Riservato!

Die Dame ist sehr freundlich, wie wohl alle hier in Taormina. Sie zeigt uns das Studio. Toll! Wir haben sogar über eine Wendeltreppe erreichbar eine riesige Terrasse mit Blick auf die Gassen und mit ganz kleinem Ausschnitt sogar auf das Meer. Wenn man ganz ans Geländer tritt, kann man über dem Dach auf einem steilen Hügel die alte Burg von Taormina sehen.

Ganz in der Nähe die Hauptattraktion Taorminas, das griechische Theater. Wir schaffen es auch per Fuß in die falsche Richtung zu gehen, aber dann sind wir beim "teatro greco". Wirklich faszinierend, ein riesiges Amphitheater und die Lage einmalig. Falls damals das Schauspiel gelangweilt hätte (falls es das bei den alten Griechen überhaupt gab, Langeweile) hatte man immer noch den Blick auf die Küste und im Hintergrund den Etna. Uns zeigt er sich leider weiterhin wolkenverhangen. Ansonsten aber herrlicher Sonnenschein, ein angenehmer Kontrast nach dem Schnee im Gebirge.

Wir gehen in eine nettes Lokal gleich um die Ecke und essen Salat und Penne mit Sardellen (ich) und Spaghetti Vongole (I.). Danach sitzen wir auf unserer Terrasse zwischen Topfpalmen und Zitronenbäumchen und trinken sizilianischen Wein, bevor wir die Treppe hinunter wendeln und gut schlafen.....
Wieder ein gutes Frühstück auf der Terrasse, dann packen, in die Garage, durch die engen Gässchen, letzter Gruß an Taormina, wir sind auf der Autobahn.

Ankunft in Kalabrien: nach Coccorino

Richtung Messina, Ausfahrt 5, Biglietti. Kurz darauf sind wir in der nur halbvollen Fähre rüber nach Kalabrien, nach Villa di San Giovanni. Wir gehen aufs oberste Deck, genießen die kurze Überfahrt bei leichtem Wind aber ruhiger See - die Straße von Messina kann auch anders sein, - siehe Odysseus - und fahren direkt von der Fähre auf die Autobahn. Alte Reminiszensen, vor fast 50 Jahren....

Ich war mit Freunden mit einem alten VW-Bus auf dem Weg nach Sizilien. Damals musste man noch in steilen Serpentinen ins Städtchen hinunter fahren und ein LKW mit Eiern beladen kippte in einer der Kurven kurz vor uns um und die zerbrechliche Ware lag auf dem Pflaster oder rollte die Straße herunter. Hausfrauen in Schürzen kamen mit Töpfen aus den Häusern gerannt und suchten zwischen der glibbrigen Masse nach ganzen Eiern. Der Rest verwandelte sich unter der südlichen Sonne zu Rühr- oder Spiegelei. Polizisten lotsten uns um das größte Omelette Italiens herum.

Fast 50 Jahre her, aber die Geschichte kann man immer wieder erzählen.
In Rosarna fahren wir von der (kostenlosen!) Autobahn, von hier sollte es nicht mehr weit sein bis Coccorino. Luftlinie! Aber, die eigentliche Verbindungsstraße über Jojobo ist gesperrt, wohl ein Erdrutsch. Darum fahren wir über gewagte, steile Bergsträßchen durch winzige Örtchen, unser Navi blickt irgendwie noch durch und dann stehen wir endlich in einem Örtchen, wo uns eine ältere Dame bestätigt, das sei Coccorino.
Wir finden dann auch das Hotel Royal, die Via Stazione und schließlich die Casa Stefano und dort Signore Stefano höchstpersönlich. Wir parken ein in die enge Einfahrt (wie komm ich da rückwärts wieder raus?), sind im Haus, schlicht eingerichtet aber alles zweckmäßig und geräumig. Und dann die Terrasse! Vor uns die Bucht von Coccorino, Häuser, Gärten, Äcker, alles am Steilhang, links der Blick bis ans Südende von Kalabrien, irgendwo dort Scilla, wo angeblich ein Seeungeheuer Odysseus verschlingen wollte. Bei gutem Wetter geht der Blick bis nach Sizilien, rechts das Capo Vaticano (hat nichts mit den Päpsten zu tun), Kalkfelsen und ein schroffes Felsennäschen ganz vorne. Und weit im Meer, heute aber im Dunst verschwunden, links der schlotende Etna und rechts die Vulkaninsel Stromboli.

Coccorino, Monte Poro und Vaticano (nebst Tropea)

Wir richten uns fürs Erste ein, danach spazieren wir runter zum Meer, treffen freundliche und unfreundliche Hunde und schüchterne Katzen, bewundern alles was blüht: Stechginster, verschiedene meist gelbe Blumen (gelber Sauerklee bedeckt ganze Hänge) und Mimosenbäume. Wir betrachten die Gärten, Zwiebelfelder (rote Zwiebeln mild aber wirksam sind eine kalabrische Spezialität), Olivenhaine und immer wieder leuchtend gelbe Zitronen und Orangen, die natürlich orange sind.

Der kleine Naturhafen hat nur Platz für einige Boote, eine große Ferienanlage, wie ein Schloss am Hang, wirkt wie ausgestorben. Wir gehen einen anderen Weg nach oben, wieder an Feldern vorbei, Traktoren pflügen die schwarze Erde. Wir kommen zur Bahn, die das Capo Vaticano umfährt, sie erinnert uns an die Korsika-Bahn. Über eine Schlucht führt ein Schienen-Viadukt. Wir finden den Weg wieder nach oben, obwohl wir unten noch zweifeln, welches denn "unser" Haus sei.

Dann wieder auf der Terrasse, Weisswein aus den Abbruzzen, und westwärts im Meer versinkt die Sonne rot-leuchtend, ganz zum Schluss im Dunstschleier am Horizont. Wenn bei Coccorino die rote Sonne im Meer versinkt....

Wir wollen nach oben auf den Monte Poro (700 m). Es geht die steilen Straßen hinauf auf denen wir hergekommen sind. Aber es ist kaum Verkehr. Kleine Weiler Coccorinos (der angrenzende Weiler heißt Coccorinello, beides zur Gemeinde Jolobo gehörend), Schweine und Hunde, Blumenvielfalt. Wir wandern weit über den Monte Poro hinaus, genießen die immer wieder wechselnde Ausicht. Ein einsamer brauner Esel steht auf einer Weide angepflockt. Ein kalter Wind kommt über den Pass, die Sonne kommt und geht, dann kehren wir um, finden den Monte Poro aber nicht das angekündigte "Santuario". Später erfahren wir, dass es den Berg gibt, dessen Gipfel steil über der Küste steht, und noch höher gelegen der Ort Monte Poro mit der Kirche. Wir lassen uns auf Steinen nieder und essen etwas. Auf dem Rückweg begegnen wir einem Mann mit einem kleinen Hund an der Leine und sieben weiteren kleinen Hunden, die ihn umwuseln. Wir essen auf dem Balkon, danach Sonnenuntergang "Coccorino die zweite".

So wie gestern Abend die Sonne einen warmen roten Streifen ins Meer geschickt hat, ist es am Morgen der Mond, der einen kalten hellgelben Streifen bis zur Bucht von Coccorino liefert.

Wir fahren nach Tropea. Das heißt zuerst einmal das Auto langsam rückwärts die leicht ansteigende Ausfahrt die Straße hinauf zu bugsieren, dann die engen Serpentinen hoch bis Coccorino. Vorbei an der baufälligen Kirche, der Bar. Dann die Straße Richtung Tropea. Kurz vor Tropea ein Markt, wir kaufen Orangen, Honig, Wein und Würste sowie Brot und Käse von einer Bauersfrau.

Tropea ist im Sommer eine Touristenattraktion, jetzt ist fast alles geschlossen bis auf die eigentliche Attraktion: der Blick vom Strand über die senkrecht aufsteigenden Kalkfelsen auf die Stadt bzw. auf die ganz vorne drohend an der Kante stehenden Häuser. Am Strand arbeiten Bagger und Planierrauben, um ihn für den Sommer herzurichten. Gewaltige Felsblöcke liegen zum Teil im Meer, zum Teil am Strand, auf dem größten Felsblock, fast schon einem kleinen Berg, liegt die ungewöhnliche Kirche "Santa Maria del Isola". Wir steigen ein Stück den Weg auf den Felsen hoch, leider ist das Gittertor auf halber Höhe verschlossen. Die Kirche gehört zum Benediktinerkloster Monte Cassino.

Am Strand treffen wir einen Mann mit Kopfhörern und einem Metalldetektor. Er sucht Gold. Alles, was das Meer anschwemmt. Auf seinem Smartphone zeigt er uns Fotos seiner Funde der letzten Woche. Goldringe, Münzen, alles im Sand verborgen.
Jugendliche spielen Softball am Meer, wir gehen weiter und umrunden die Altstadt und steigen dann wieder eine steile Treppe hoch.

Es soll eine der Spezialitäten Tropeas sein: oben auf dem zentralen Platz setzen wir uns vors Café Tropea. Der junge Kellner will uns auf Englisch die Eissorten erklären, aber drin an der Theke und mit meinem Italienisch geht's dann doch leichter. Hervorragendes Eis, dazu Kaffee. Währenddessen repariert der Kellner auch noch die Sonnenschirme, die Saison kann kommen. Wir schlendern noch ein wenig durch Tropea. Es gibt eine Art Corso im Carreé, lauter Restaurants, Gelaterien, kleine Touri-Läden, die meisten geschlossen, auch die Touristen-Info in einem historischen Gebäude hat noch zu.

Mit etwas Umwegen finden wir das Capo Vaticano, stehen vor dem Leuchtfeuer, das uns abends in unregelmäßigen Abständen Licht sendet, korresponierend mit dem Leuchtturm von Messina. Dann sind wir auf der Aussichtsterrasse, vor uns der schroffe Fels im Meer, der wie das Horn eines im Meer versunkenen Nashorns aussieht. Wir blicken über die smaragdblaue Bucht und das steile Hinterland, in der Ferne Coccorino und unser Haus. Eine deutsche Reisegruppe mit einem Kleinbus parkt neben uns, bewundernd blicken sie auf unsere Fahrräder in unserem Doplo. Was wir nicht verraten, wir haben sie noch keinen Meter bewegt, hier ist alles doch verdammt steil!

Zurück will uns das Navi dann den kürzesten Weg anzeigen, aber es führt uns auf eine Mischung aus Matsch und riesigen Schlaglochkratern, so dass wir den Umweg über die geteerte Straße gerne in Kauf nehmen.

Als es dunkel wird über uns der überwältigende Sternenhimmel: Orion, Großer Hund, Zwillinge und der kastenförmige Fuhrmann im Westen, hoch über Dach der Große Wagen. Und am Morgen übernimmt wieder der Mond die Rolle der Sonne, sein blauer Strahl.....

Sonnenuntergang bei Coccorino (Capo Vaticano)

Sonnenuntergang bei Coccorino (Capo Vaticano)

Tropea vom Strand aus

Tropea vom Strand aus

Tropea: Klosterkirche auf dem Felsen

Tropea: Klosterkirche auf dem Felsen

© Thomas B., 2014
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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: 11.03.2014
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 18.04.2014
Reiseziele: Italien
Der Autor
 
Thomas B. berichtet seit 10 Jahren auf umdiewelt.
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