Zu Fuss über den Gotthard und ein wenig Tessin

Reisezeit: August 2007  |  von Thomas B.

Und noch ein wenig Tessin

Nebel zieht auf im Centovalli

Nebel zieht auf im Centovalli

Typische Steinhäuser im Centovalli

Typische Steinhäuser im Centovalli

Lago Maggiore und Centovalli

Am Lago Maggiore

Dieses Mal ging es durch den Tunnel südlich zum Lago Maggiore.
An der Ostseite des Lago fanden wir in einem Restaurant ein Zimmer, oben unter dem Dach nur durch eine Glasabdeckung von der großen Terrasse getrennt. Der Ort lag fast an der italienischen Grenze, gerade noch auf Schweizer Gebiet. Herrliche Düfte zogen zu uns nach oben und wir aßen hier drei Tage lang Spezialitäten des Tessin, vor allem Fische direkt aus dem See. Wunderbar. Tagsüber wanderten wir, jetzt ohne Gepäck vom Ort in die Höhe, genossen die Aussicht über den Lago Maggiore und die Berge der Tessiner Alpen, besuchten einen angrenzenden privaten Park oder fuhren mit dem Schiff über den See rüber nach Locarno.

Centovalli

Dann aber war die Zeit gekommen, ins Centovalli auf die gegenüber liegende Seite zu wechseln. Wir hatten in einem winzigen Bergdorf ein "rustico" gemietet, ein altes Bauernhaus am Hang raffiniert umgebaut. Auch hier konnte man wandern. Eine Seilbahn unten im Tal brachte uns in die Höhe und ein interessanter Wanderweg mit tollen Blicken über das Centovalli führte uns nach unten in unser Dorf. Gegenüber sahen wir immer ein ähnliches Dorf und so fuhren wir ins Tal, wanderten rüber und hatten von dort eine Aussicht bis in die Walliser Alpen.

Das größte Abenteuer aber sollte die Zugfahrt mit der Centovalli-Bahn nach Domodossola, rüber über die italienische Grenze werden. Dieser Zug war nach der Flamdal-Bahn, die ich in Norwegen erlebten hatte, die heißeste Zugfahrt meines Lebens und Ingrids Leben ebenso. Schon die Hinfahrt war interessant, über Brücken, die tief blicken ließen, Schluchten, Bäche, Wasserfälle gelangten wir mit diesem wackelig wirkende Zügchen nach Domodossola. Es tröstete uns immerhin, dass es sich hier ja um ein Schweizerisch-italienisches Gemeinschaftsprojekt handelte, Präzision also garantiert war. Dachten wir.

In Domodossola machten wir einen Stadtbummel, tranken etwas, als es plötzlich zu regnen, nein zu schütten begann. Ein Wolkenbruch ging nieder und überflutete den ganzen Ort. Wir rannten zum Bahnhof und auch während der Fahrt schüttete es weiter wie aus Kübeln. Dann begann es zu blitzen und zu donnern und zwar im Minutentakt. Kurz nach Domodossola gab es an einer Haltestelle einen Schlag als würde alles zusammenbrechen: Der Blitz hatte in ein Trafohaus der Bahn eingeschlagen, die Bahn fuhr zwar noch aber hatte kein Licht mehr und offensichtlich war der Funkverkehr ausgefallen. Sie hielten. Fahrer, Schaffner und auch der Betreiber des Kiosks im Zug zogen sich zur Beratung in die Fahrerkabine zurück. Dann kam der Schaffner ganz bleich wieder raus. Der Kioskbetreiber blieb beim Fahrer, denn vier Augen sehen halt mehr... Der Schaffner versuchte mit seinem Mobiltelefon Kontakt zu bekommen und es klappte. Ganz langsam, von Brücke zu Tunnel und von Station zu Station schlich unsere Bahn hinunter Richtung Lago Maggiore. Wir wussten ja, wie es bei den Brücken unter uns aussah, obwohl wir fast nichts sehen konnten, nur die Blitze erhellten die Szenerie. Es schüttete immer noch, der Wind heulte und wir waren dankbar, als wir die Station erreichten, an der unser Auto stand. Die Bahn schlich weiter. Die wenigen Meter vom Bahnhof zum Parkplatz und wir waren völlig durchnäßt. Wir schlichen jetzt ebenfalls die Straße hinunter, denn wir hatten das Gefühl, in einem Fluss zu fahren. Unter einem Felsen standen zwei Wanderer, völlig durchnässt. Wir hielten an. Es waren Deutsche aus Bielefeld und sie waren für die Alpen schlichtwegs nicht passend gekleidet. Wir fuhren sie zur nächsten Bahnstation und sie schworen uns alle Eide, am nächsten Tag in den "Jack Wolfskin" - Laden in Lugano zu gehen, bevor sie sich wieder in die Berge wagen sollten.

Es regnete noch die ganze Nacht und als es am Morgen heller wurde, sahen wir am gegenüber liegenden Hang Dutzende von Wasserfällen, wo vorher nur Fels und Geröll gewesen war und auch neben unserem Rustico rauschte ein Bach zur Erde. Wir erfuhren am nächsten Tag aus den Nachrichten, dass zwei deutsche Wanderer, die ganz in der Nähe an einem Bachufer gezeltet hatten, in der Nacht ertrunken waren, sie hatten nicht gemerkt, wie der Bach plötzlich zu einem reisenden wilden Strom geworden war.

Familienkonferenz

Aber dann wurde es wieder sonnig und wir verbrachten auch den einen oder anderen Tag auf der Terrasse unseres Rustico. Außer Wanderern verirrte sich eigentlich kaum jemand in unser Dorf. Aber, es gab ein kleines Restaurant, das doch immer wieder Gäste nach oben lockte. So auch ein deutsches Ehepaar mit 2 Jungen, so etwa 12 und 14 Jahre alt. Es dunkelte schon, als sie zurück kamen. Direkt über uns blieben sie stehen, obwohl wir uns bemerkbar machten, fielen wir wohl nicht auf. So, sagte die Mutter, wir müssen jetzt ein Familiengespräch führen. "Es geht nicht, dass ihr in einem so guten Restaurant euch so unmöglich benehmt (die Söhne waren gemeint), am Essen rummäkelt, alles anbeißt und dann halbgegessen auf dem Teller liegen lasst". Der eine Sohn verteitigte sich: "Es geht aber auch nicht, dass Vati mir einfach Sachen auf den Teller legt, die ich nicht mag! Ich bin nicht länger bereit, das Mastschwein der Familie zu sein!" Wir verschwanden prustend in unserem Haus. Das arme Mastschwein!

Die Botta-Kirche im Maggiatal (Val Lavizzara)
Mogno besteht nur aus wenigen Häusern aber es gab dort eine Kirche. 1986 zerstörte ein Lawine ein gutes Dutzend Häuser und eben diese Kirche. Zum Glück kamen keine Menschen zuschaden. In den 90er Jahren wurde vom Tessiner Architekten Mario Botta eine neue Kirche gebaut. Er baute mit abwechselnden Schichten aus weißem Peccia-Marmor und Granit, beide Steinarten aus dem Maggiatal. Wir waren begeistert und fanden, dass diese Kirche bestens in die Landschaft passt. Aber nicht nur Bottas Kirche, das ganze Maggiatal ist sehenswert und ganz oben im Tal der große Stausee, dessen Ablauf unterirdisch in den Lago Maggiore führt.

Berghöfe überm Centovalli-Tal

Berghöfe überm Centovalli-Tal

Blick hinunter ins Centovalli kurz vor der schweizerisch-italienischen Grenze

Blick hinunter ins Centovalli kurz vor der schweizerisch-italienischen Grenze

Blick auf Mogno mit der Botta-Kirche

Blick auf Mogno mit der Botta-Kirche

Marmor und Granit in der Botta-Kirche

Marmor und Granit in der Botta-Kirche

© Thomas B., 2014
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wir sind 2007 vom Vierwaldstätter-See über den Gotthard gewandert bis nach Biasca im Tessin. Anschließend waren wir noch einige Tage am Lago Maggiore und anschließend im Centovalli, ebenfalls im Tessin, dem "Tal der hundert Täler".
Details:
Aufbruch: August 2007
Dauer: unbekannt
Heimkehr: August 2007
Reiseziele: Schweiz
Der Autor
 
Thomas B. berichtet seit 10 Jahren auf umdiewelt.
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