Madagaskar zur Regenzeit 2015
Zugfahrt nach Manakara
Zugfahrt nach Manakara
Dienstag, 17.2.
Morgens um 5:30 werde ich von Vogelstimmen geweckt. Ich schaue aus dem Fenster und bin in einem See. Das Lac Hotel hat seine schönen Hütten in einen See gebaut, so wie man das von den Malediven kennt. Nach 3 Seiten Fenster, Sonnenaufgang bei schönstem Wetter. Wir sind die einzigen Gäste in dieser großen Anlage. Das Hotelpersonal hat sich
schon um die Platzreservierung im Zug gekümmert, 1. Klasse natürlich.
Nach einem guten Frühstück packen wir unseren Rucksack für die Bahnfahrt. Tsiresy wird uns an der Endstation erwarten.
Die 1. Klasse glänzt durch verschlissene Kunstlederpolster und Löcher im Fußboden, durch die man die Schienen sieht. Ein Soldat mit AK47 fährt als Security in unserem Abteil mit. Außer einem Franzosen sind wir die einzigen Weißen. Dudum, dudum dudum, monoton rattern wir durch den Urwald. Lange Tunnel ohne ein Licht im Wagen, mit Ausnahme von Jörgs Taschenlampe. Haltestellen, an denen uns Flußkrebse, Bananen und Maiskolben angeboten werden. Dann geht es abwärts Richtung Küste. Noch 150 Kilometer. Tolle Ausblicke: Rechts die grüne Hölle, links tiefer Abgrund. Plötzlich ein Ruck, ein Kreischen und wir stehen. Einer der Waggons ist aus den Schienen gesprungen. Die meisten der Passagiere verlassen den Zug, quetschen sich zwischen Berg und Zug vorbei und laufen zu Fuß weiter. Etwas später erfahren wir vom Zugpersonal, daß ein Reparaturtrupp auf dem Weg ist, um den Waggon wieder in die Schienen zu heben. Wird aber noch dauern. Ob heute oder morgen können sie nicht sagen. Nun haben wir unser Abenteuer. Irgendwann kommen Kinder mit Bananen, die sie in der Nähe geerntet haben. Verhungern müssen wir also nicht. Handynetz gibt es keins, wir können Tsiresy über die Verspätung nicht informieren. Aber es wird sich
sicherlich bis zu ihm herumsprechen, daß zwei Deutsche im Urwald verschollen
sind.
Etwa zwei Stunden später kommt eine Lok mit kleinem Anhänger, darauf
Verkäuferinnen mit allen möglichen Speisen. Körbeweise gekochter Reis, Gekochte Hühnerteile (inclusive Füße), Schweinefleisch, gebackene Bananen usw.. Es ist Essenszeit. Jörg isst gekochte Manjokwurzel, ich knabbere an einem ziemlich harten Maiskolben. Die Lok verschwindet wieder, um Eisenstangen, Spitzhacken, Holzbohlen und große Wagenheber zu holen. Stunde um Stunde vergeht. In der Zwischenzeit sitzen wir auf den Gleisen rum und warten. In einem Busch entdecke ich eine wunderschöne große Schlange, die sich zur Siesta zusammengerollt hat. Die Einheimischen nennen sie Thuna. Ungiftig, wie so ziemlich alles Getier auf Madagaskar. Nach 5 Stunden ist der entgleiste Waggon wieder auf den Schienen und langsam setzt sich der Zug in Bewegung. Großes Geschrei, nun ist der hinterste Waggon aus der Schiene gesprungen. Also weiter gearbeitet. Gegen 18 Uhr ist alles überstanden. Wir sehen, daß die Schiene total verdreht ist. Kein Wunder, daß der Zug da rausrollt.
Leider bekommen wir von den tollen Ausblicken nicht mehr viel mit, die Dunkelheit kommt schnell. Und sintflutartiger Regen setzt ein. Bei jedem kleinen Dorf wird gehalten, um Säcke mit Holzkohle oder Reis oder andere Waren aus- und einzuladen. Wir bekommen zu spüren, daß wir in einem Güterzug mit angehängtem Personenwagen sitzen. Mosquitos haben uns auch schon als Blutspender entdeckt. An Schlaf ist nicht zu denken. Planmäßige Ankunftszeit wäre 18 Uhr in Manankara gewesen. Mitternacht ist lange vorbei. Gegen 4 Uhr morgens fährt der Zug in eine Schlammlawine, die einen Tunnel verschüttet hat. Endstation. Wir sind 50 km von Manakara entfernt. Um 6 Uhr ist es hell genug, daß wir aufbrechen können. Der Franzose kommt mit. Ein kleiner Trampelpfad geht steil bergauf. Alle 5 Minuten muß ich Pause machen. Gut, daß ich vernünftige Wanderschuhe anhabe. Irgendwann kommen wir auf eine Sandpiste. Und wir haben mehr Glück als Verstand, denn in dem Augenblick kommt das einzige Auto des naheliegenden Dorfes vorbei in Richtung Stadt. Der alte Isuzu-Pickup ist voll besetzt, aber die Leute von der Rückbank nehmen die Plane von der Ladefläche und setzen sich hinten drauf. Das Wetter spielt auch mit, der Pickup hat nämlich keine Fenster. Unterwegs halten wir, um Säcke mit Reis an einem Straßenmarkt abzugeben. Für das Kilo erhalten die Farmer 30 Cent.
Wir kommen an einer größeren Partygruppe vorbei, die lachend und singend die Straße lang ziehen. Vorneweg eine in blaue Plane eingewickelte Leiche. In dieser Gegend ist es üblich, daß die Toten alle paar Jahre umgebettet werden und aus diesem Anlaß werden die Knochen gewaschen, in sauberer Tücher gewickelt und durchs Dorf getragen. Schließlich soll der Verstorbene Wissen, was sich seit dem letzten mal so alles getan hat.
Um 8:30 kommen wir in Manakara an. Tsiresy wartet immer noch am Bahnhof auf uns. Wir sind jetzt seit 25 Stunden unterwegs. Im Hotel Sidi frühstücken wir und zur Belohnung gönne ich mir die Präsidentensuite für 45 Euro/Nacht. Ich geh jetzt erst mal schlafen. Gute Nacht.
Mittwoch, 18.02.2015
Hab nicht lange geschlafen. Um 14 Uhr bin ich schon wieder munter, Halsschmerzen plagen mich. Muß wohl im Zug gesessen haben . Wir machen eine Stadtbesichtigung mit Tsiresy. Manakara muß mal sehr schön gewesen sein, wurde aber von Wirbelstürmen arg gebeutelt und ist nun in 2 Stadtteile geteilt:
Die Brücke über den Pangalanes-Kanal ist vor 2 Jahren eingestürzt, der Rost hat die schweren Eisenträger durchgefressen. Niemand räumt die hunderte Tonnen Schrott weg. Statt dessen gibt es eine Flotte von Einbäumen, die die Leute für ein paar Cent über den Kanal paddeln.
Wir fahren ein paar km südlich über die für PKW noch passierbare Aushilfsbrücke und gehen an den Strand und kaufen Kokosnüsse. 15 Cent das Stück inclusive öffnen.
Abends essen wir Calamares mit Reis. Vor den Restaurant werden Fische und Langusten zum Kauf angeboten. Eine Monsterlanguste von ca 4 Kilo soll 15 Euro kosten. Ein Bootskapitän möchte uns zu einem Ausflug auf dem Pangalanes-Kanal überreden. Dies scheitert an seinen Preisvorstellungen von 10 Euro pro Nase. Außerdem wollen wir bei der Hitze nicht den ganzen Tag auf dem Wasser verbringen. Wir können uns ja immer noch einen Einbaum von der Brücke mieten.
Auf dem Heimweg ins Hotel regnet es in Strömen.
Ich telefoniere noch mit Prof Mahefa wegen Schulheften und Stiften für die
Schule.
Aufbruch: | 05.02.2015 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 25.02.2015 |