Begegnungen in Kuba

Reisezeit: November 2015  |  von Udo Pagga

Leben in Kuba

El trabajo, die Arbeit, hat auch in Kuba zwangsläufig einen hohen Stellenwert. Der Sozialismus zwingt die Leute, viel und vielfältig und einfallsreich zu arbeiten. Kubaner sind gute, effiziente Arbeiter, die unter widrigen Bedingungen und für einen Hungerlohn viel leisten. Leider, das hörte ich von vielen, bekommt man für seine Arbeit nicht genug Geld und für das wenige Geld keine Waren. Männer führen gerne Gespräche über ihre Arbeit und zeigen mir ihren Arbeitsplatz, wenn nicht ein Wächter vor dem Tor steht und dem Fremden, dem Ausländer, den Eintritt verwehrt. Dann bleibt nur der Blick durch ein Fenster. Geht man durch eine Stadt, kann man in viele Fenster blicken, hinein in Wohnungen, in Schulen, in Fabrikräume. Ich habe auch oft Männer getroffen, eigentlich nur Männer, die in ihrer Jugend in der DDR waren und noch ganz gut deutsch sprechen. Fast alle sehen diese Zeit sehr verklärt. Ich habe sie nie über die damaligen Zustände klagen hören. Die DDR ein Paradies. Wenn sie klagen, dann über die Gegenwart. Selbst Weißrussland war für den Taxifahrer, der mich zum Flughafen brachte, ein Traumland, bis auf die kalten Winter.

An das Notwendigste zu kommen, an genügend Essen, Kleidung, Gebrauchsgegenstände ist nicht einfach. In Havanna angelten junge Männer im Hafenbecken von aufgeblasenen LKW-Schläuchen aus, jetzt ist es verboten. Sie müssen weiter fort, wo sie die Polizei nicht vertreiben kann. Viele Geschäfte sind leer. Ein Gemüseverkäufer wartet vor seinen leeren Auslagen auf den Feierabend, Kundschaft kommt keine, wozu auch. Auch die Sekretärin im Büro des Komitees zur Verteidigung der Revolution wartet und sieht irgendwie verloren aus, gar nicht revolutionär. Nach irgendetwas anstehen, auf irgendetwas warten, das ist der Alltag.

Noch vor Tagesanbruch machen sie sich auf den Weg zur Arbeit, mit Bussen, alten Taxis oder per Anhalter. Etwas später gehen die Kinder und die Jugendlichen in die Schule. Die Kleinen werden oft von den Müttern begleitet. Das Straßenbild wird durch Schuluniformen geprägt, die im ganzen Land gleich sind und die den Schultyp anzeigen. Man sieht sie auch auf öffentlichen Plätzen, wenn diese zu Sportarenen umfunktioniert werden. Kubas Kinder tollen herum, wie überall auf der Welt. Erstaunlicherweise sind ihre Uniformen immer sehr proper und die Hemden blütenweiß.

Alte Leute sitzen vor den Hauseingängen oder auf den Veranden. Ein ehemaliger Matrose und sein Dackel wärmen sich in der Sonne. Er freut sich, dass er seine Englischkenntnisse anbringen kann und schimpft auf den Staat, weil er für die vielen Jahre Arbeit, kaum genug Geld zum Leben hat. Seine Frau ist krank. Er bittet mich dennoch in die Wohnung und möchte, dass ich ein Bild mache.

Nach unseren Maßstäben ist die Qualität kubanischer Wohnungen oft unzumutbar, obwohl im Vergleich zu Slums in anderen Ländern immer noch menschenwürdig. Miguel wohnt in einem Wohnblock. Von der Straße geht es, wie fast immer, direkt in das Wohnzimmer: Tisch, Stuhl, Sessel, Fernseher und das Fahrrad, das hier auch noch abgestellt ist. Notdürftig abgetrennt vom Wohnraum die Küche, dahinter Klo und Dusche. Die zahlreichen Mitglieder der unübersichtlichen Familie, es mögen ein Dutzend sein, wohnen in vier Zimmern, jeder quasi ein Untermieter. Sie müssen zusammenbleiben, ob sie wollen oder nicht, Wohnraum ist knapp. Miguel schuftet jeden Tag von früh bis spät, er trägt schwere Säcke. Sein Hobby und sein ganzer Stolz ist der gallo, der Kampfhahn, den er hegt und pflegt und am Wochenende in die Arena bringt. Trotz aller Liebe wird er eines Sonntags im Kochtopf landen, wie sein Harem im winzigen Hinterhof und die mümmelnden Kaninchen.

Maraidi steht neben ihrem Mann vor einem Regal mit Nippes. Timofio mit nacktem Oberkörper, Halsketten und einer Brille an einer weiteren Kette, trägt ihr Kind auf dem Arm. Große Augen, kleines Pferdeschwänzchen, Schnuller. Familienidyll in Kuba.


Die Bilder und Texte sind dem Buch "Begegnungen in Kuba" entnommen, das bei epubli Berlin (www.epubli.de) als print-on-demand erschienen ist (ISBN 978-3-7375-4262-3).

© Udo Pagga, 2016
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Alltagsleben in Kuba in sw-Bildern. Die Bilder und Texte sind das Ergebnis von 6 Kubareisen in den letzten 10 Jahren. Die Reisedaten beziehen sich auf die letzte Reise.
Details:
Aufbruch: 08.11.2015
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 29.11.2015
Reiseziele: Kuba
Der Autor
 
Udo Pagga berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.