Begegnungen in Kuba

Bienvenido a Cuba !

Hola, hombre! Wo willst du hin? Bleib doch mal stehen. Hast du keine Zeit? Zeit haben wir hier in Kuba im Überfluss. Ich bin fast 80 Jahre alt und wohne hier in Santiago seit mehr als 60 Jahren, seit meiner Heirat. Jetzt bin ich allein. Mein Mann ist tot, die Kinder kommen manchmal, aber nicht oft. Aber richtig allein bin ich nie. Ich kenne hier jeden und jeder kennt mich. Ich bin mit meinem Leben zufrieden, mir geht es gut. Na ja, die Augen wollen nicht mehr so richtig, aber es reicht zum Fernsehen. Die Welt kommt zu mir. Ich stehe jeden Tag auf und gehe einkaufen. Was es eben so gibt? Immer dasselbe, entweder Reis mit Bohnen oder Bohnen mit Reis und am Sonntag vielleicht mal ein Huhn. Die paar Pesos Rente reichen kaum zum Leben. Ich gehe trotzdem zwei Mal in der Woche zum Friseur. Man darf sich nicht gehen lassen. Meinen Rosenkranz bete ich jeden Tag. Man weiß ja nicht, was nach dem Tod kommt. Die von der Partei sagen, es stimmt nicht, was der Priester sagt. Der Priester sagt, es stimmt nicht, was die von der Partei sagen. Ich weiß nicht, wer recht hat. Sicher ist sicher und deshalb glaube ich auch noch an die Santeria, an die Götter unserer Vorfahren. Entra hombre! Vien in mi casa. Tritt ein, in meine Wohnung. Trink einen Kaffee mit mir und dann mach dich auf den Weg. Schau dir Kuba an, das schönste Land auf dieser Erde! Wenn nur die Wirklichkeit nicht wäre, la realidad, die macht uns oft das Leben schwer.

Diese Worte habe ich von Linette gehört, die ich in einem Frisiersalon in Santiago kennengelernt hatte. Sie waren für mich so eine Art Programm und eine Motivation, diese Fotos zu machen. Die Sicht auf Kuba, ohne falsche Romantik, in nüchternen schwarz-weiß Bildern, aber mit großer Liebe zu diesem farbigen Land und seinen einmaligen Menschen.

Kuba ist in der Tat ein schönes Land. Schon Kolumbus beschrieb es als das Schönste, das ein menschliches Auge je erblickt hat. Das ist sicher etwas übertrieben, es gibt noch viel mehr großartige Landschaften, aber es ist auf jeden Fall ein höchst faszinierendes Land. Allein schon durch seine Rolle als David gegen den allmächtigen Nachbarn in Norden, durch die Revolution, die sich gegen den allmächtigen Kapitalismus stemmte und nun schon mehr als 50 Jahre anhält, ist Kuba etwas Besonderes. Der Preis, den das Land für diese Sonderrolle zu bezahlen hat, ist hoch und die Folgen sieht man überall. Doch genau diese besondere Rolle macht es einmalig und interessant.

Das Beste, was Kuba dem Besucher zu bieten hat, der seine Zeit nicht an den All-inclusive-Stränden vertrödelt, sondern mit sehenden Augen durch das Land reist, sind seine Menschen und ihr alltägliches Leben. Für mich als Fotografen ist das Land ideal. Wo trifft man noch auf eine solch vielfältige Mischung interessanter, interessierter, gut aussehender Menschen, mit denen man reden kann, die einen verstehen, die neugierig und wissensdurstig sind? Wo findet man noch eine solche Fülle höchst spannender Motive, wo zeigen sich noch auf der Straße Szenen und Momente, die einen süchtig machen, nach mehr und immer mehr Kuba? Jeder Gang durch eine Stadt, jede Fahrt über das Land, jede Begegnung, jedes Gespräch brachte neue Eindrücke und Bilder, die Geschichten erzählen und Anlass zum Nachdenken und Träumen geben. Was will man mehr?

Die Bilder und Texte sind dem Buch "Begegnungen in Kuba" entnommen, das bei epubli Berlin (www.epubli.de) als print-on-demand erschienen ist (ISBN 978-3-7375-4262-3).