Reise durch Aserbaidschan
Baku - Quba
Noch lange bevor die Hitze des Tages über Baku einbricht bin ich bereits in Badamdar, von wo aus ich die Fahrt Richtung Quba im Norden des Landes antreten werde. Baku zeigt sich zentrumsnah wie aus dem Ei gepellt, die Straßen sauber und frisch asphaltiert - augenscheinlich erinnert nichts an die sowjetische Vergangenheit, in welcher das Bild entlang der Straßen vom Anblick der unästethisch, grau-depressiven und im Zerfall befindlichen Plattenbauten geprägt war. Je weiter ich aus Baku herauskomme, desto mehr fallen mir die neugebauten und teilweise aufwändig gestalteten Mauern an beiden Straßenseiten auf, die ein wenig an die alte Baustilweise in Bakus Zentrum erinnern. Fast muten sie wie Burgmauern an, die Eindringlinge vom Betreten der Reichengrundstücke abhalten sollen. An denjenigen Stellen da offene Tore den Blick hinter die Kulissen ermöglichten tat sich gähnende trocken-verstaubte Leere auf - es scheint fast so als wäre die im ölreichen Aserbaidschan vorherrschende Armut nur den Eingeweihten zur Schau gestellt, wie ein Löwe, der um die Freude seiner eingesperrten Existenz Willen weiß, daß sich nicht ein einziger Gast in den Zoo verlaufen würde sein Elend zu betrachten.
Die Fenster des Fahrzeuges sind geschlossen, die Sonnenjalousien weit heruntergezogen, und die Klimanalage rauscht klappernd monoton im Takt mit dem Klang der auf die aneinandergereihten Betonplatten schlagenden Reifen, als wir Baku bereits hinter uns gelassen haben und in die unmittelbar angrenzende Wüstenregion bei Sumqayit einfahren. Zwangsläufig tut sich die Frage nach einer nachhaltigen und ausreichenden Wasserversorgung Bakus auf. Mit nur 33mm durchschnittlicher Regenmenge ist der Monat November der niederschlagsreichste Monat des Jahres. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, daß bereits seit längerer Zeit knapp ein Zehntel aller jährlichen Investitionen in die Bereiche Wasserversorgung, Abwasserwirtschaft und Bodenbewässerung flossen und dieser Bereich auch ein wesentlicher Investitionssektor für ausländische Firmen bleiben wird. Die karg-trockene Lanschaft rauscht an mir vorbei und ab und an erspähe ich, nun nicht eingezäunt und weggesperrt, einen Blick auf noch bewohnte Überbleibsel der sowjetischen Einheitsbauwerke. Ein paar Steinbrüche reihen sich entlang der Straße bevor wir rechter Hand auf der zum kaspischen Meer gewandten Seite an kilometerlangen Raffinerien und ins Meer eingemeiselten Bohrinseln vorbeifahren. Mehr als 150 Jahre ist es nun her da die schwedischen Brüder Ludvig und Alfred Nobel im Jahre 1873 nach Baku kamen, um mit dem gut organisierten Gewinn von Rohöl und dessen Raffinierung ihr Ölmimperium aufzubauen. Genau 69 Jahre später, nämlich im Jahre 1942 tat Adolf Hitler gegenüber Gemeralfeldmarschall Erich von Manstein kund, daß die Eroberung Bakus und der Ölfelder zwangläufig mit dem Sieg oder der Niederlage des Krieges einhergehen. Somit lag 1942 der Fokus der deutschen Offensiven auf der Eroberung des Kaukasusgebietes. Das Öl fiel schließlich ins Einzugsgebiet Moskaus und finanziert nun auch den zur Schau gestellten Prunk auf Bakus Straßen und Promenaden. Auch ist es der wichtigste Industriesektor des Landes und die drei Flammentürme in Baku sind Zeichen für das neue Selbstbewußtsein der Ölnation.
Es ist bereits früher Nachmittag, als ich in Quba ankomme. Die Unterkunft ist bald gefunden, eine Mauer, ein großer verwilderter Garten, ein Plumsklo zwischen Schutt- und Holzresten auf der Hinterseite des Wohnhauses und eine aus Massivholz geschreinerte und in braun-rot frisch gestrichene Treppe hinauf zu meinem Zimmer. Die Babuschka überschüttet mich mit Gastfreundschaft, bietet mir Tee und Kompott an und entschuldigt sich dafür, daß sie in den Garten geht um die fürs Mittagessen vorbereiteten Schaschlikspieße am offenen Feuer zu grillen. Man ist als Reisender versucht von lieblichen Zuständen, von Freiheit und Idyll zu sprechen wenn man, beflügelt von der Wärme der Einheimischen und Ihrer Gastfreundschaft über derartige Erlebnisse berichtet. Die Realität ist eine andere und während die Babuschka das Feuer anschürt und das Fleisch auf die Spiese steckt spricht sie, so verstehe ich es zumindest ohne jede Russischkenntnisse, von ihrer Tochter die in Baku lebe und ungern nach Quba käme um hier unter einfachsten Bedingungen ihre Mutter zu besuchen. Auch Besorgungen in der Apotheke seien oft kompliziert und einen Mann habe sie auch keinen mehr, der ihr im Garten helfe und für den im Kaukasus relativ kalten Winter Holz bereitet. Als das rostige Gatter knarrend und quietschend aufgeht kommt eine Nachbarin der alten Dame, um beim Kochen zu helfen und dem Mittagessen beizuwohnen. Wir sitzen unter den schattenspendenden Bäumen an einem Klapptisch und ich genieße das Frische Lamm- und Rindfleisch sowie die saftigen Tomaten und sauer eingelegten Gurken aus dem eigenen Garten. Wir lachen viel gemeinsam, wahrscheinlich auch wegen der Sprachbarriere, die mich bereits zum x-Mal zu einem "Ja njeponimajo" (ich verstehe nicht) hinreißt.
Aufbruch: | 01.06.2015 |
Dauer: | 15 Tage |
Heimkehr: | 15.06.2015 |