Israel/Palästina
Ich möchte herausfinden, warum es den Israelis und den Palästinensern bisher nicht gelungen ist, in Frieden zusammenzuleben. Auf meiner Reise werde ich versuchen mit einzelnen Menschen beider Länder ins Gespräch zu kommen, um der Wurzel des Problems näher zu kommen. Geplante Stationen: Tel Aviv, Jerusalem, Ramallah, Bethlehem, Jericho, Hebron ( hängt von der Sicherheitslage ab), Haifa und Nazareth.
Israel
Tel Aviv Teil 1
Endlich, Israel. Schon der Anflug auf Tel Aviv löste Gänsehaut bei mir aus. In wenigen Minuten – das wurde mir bewusst – werde ich das wohl geschichtsträchtigste Land der Welt betreten und damit selbst Teil derselbigen werden, obgleich dieser Teil der Geschichte nur in meinen Geschichtsbüchern landen wird. Bereits am Flughafen wurde mir deutlich, welchen Stellenwert die Sicherheit in diesem Land besitzt. Ganze 15 Minuten wurde ich von einer in allen Belangen charmeresistenten israelischen Sicherheitsbeamtin nach dem Zweck meiner Reise befragt. Sie wollte mir partout nicht glauben, dass ich tatsächlich alleine durch Israel reisen möchte, weshalb Sie beharrlich Ihre Frage wiederholte, ob ich irgendwelche Freunde oder Familienangehörige in Israel habe. Meine Antwort war stets: Nein, ich wolle ausschließlich Ihr wunderschönes Land kennenlernen. Dass ich darüber hinaus plane, einen großen Teil meiner Reise in der Westbank zu verbringen, ließ ich nach kurzer Überlegungszeit lieber unerwähnt.
In der Stadt eingetroffen, wimmelte es nur von Soldaten, die offenkundig Dienstschluss hatten und sich auf dem Heimweg befanden, das Maschinengewehr stets umgehängt. Ein Anblick, an den man sich in Israel rasch gewöhnen muss. Ich dachte in diesem Moment an einen Satz von Dietrich Bonhoeffer: „Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit“.
Im Hostel traf ich unter anderem auf den eloquenten und charismatischen Gast Jaime, der sich auf der Durchreise befand. Jaime wurde noch vor der Gründung Israels (1948) geboren und hat somit die Entwicklung der letzten 60 Jahre als israelischer Staatsbürger bewusst miterlebt. Zunächst erzählte er mir von den Vorzügen der Stadt und erwähnte ausdrücklich, den hohen Anteil der schönen Frauen. Im Laufe des Gesprächs näherten wir uns den Fragen an, die mich zu dieser Reise veranlasst haben: Warum gibt es kein Frieden zwischen den Palästinensern und den Israelis?
Er lachte, guckte mich an und antwortet mit einer Metapher: „Für einen erfolgreichen Tango braucht man einen willigen Tanzpartner“. Die Araber, sagte er, wollen dieses Land für sich und seien nicht bereit Kompromisse zu schließen, auch wenn Sie dies nicht immer offen zur Schau stellen. Er fügte hinzu, dass die Palästinenser die Israelis verachten und keine Sekunde zögern würden Israel zu vernichten. Der Hass sei auch deshalb so tief, weil er den palästinensischen Kindern bereits in der Schule beigebracht werden würde. Ich fragte Jaime am Ende des Gesprächs noch, ob er sich denn vorstellen könne, dass es eine Zeit geben wird, in der in diesem Land so etwas wie Frieden herrschen würde. Er sah mich an und schoss die Augen. Wir verabschiedeten uns.
Ich schlenderte nachdenklich zur nächsten Bar, bestellte einen Wein und rauchte eine Zigarette. Was für ein hoffnungsloses erstes Gespräch. Bereits am nächsten Tag sollte ich weitere Gesprächspartner kennenlernen. Einen auf den Golanhöhen stationierten UN-Soldaten, einen Angler, eine Ostfriesin und meinen persönlichen Hoffnungsschimmer Nathan.
Fortsetzung folgt..
Tel Aviv Teil 2
Meine Zeit in Tel Aviv geht dem Ende entgegen. Die Stadt ist unglaublich, man stelle sich nur vor, Berlin würde am Mittelmeer liegen. Scheinbare Widersprüche lösen sich auf authentische und spielerische Art und Weise auf. Nachmittags legen sich Menschen nach dem Besuch einer der vielen Kunstgalerien oder Museen direkt an den Strand. Am Abend vermischen sich die Ausrufe des Muezzins mit westlicher Musik alla David Guetta. Die Stadt ist traditionell, voller Kultur und gleichzeitig bunt und schrill.
Am ersten Morgen in Tel Aviv frühstückte ich zusammen mit einem niederländischen UN Soldaten, der auf den Golanhöhen eingesetzt ist. Markus entspricht so gar nicht dem Klischee eines Soldaten. In jeder freien Minute bastelt er Kunstwerke oder versprüht einfach nur gute Laune. Seine freien Tage verbringt er in Tel Aviv. Wir sitzen auf der Dachterrasse des Hostels und sprechen über den Nahostkonflikt. Seine Ausführungen sind sehr bedacht und stets darauf gerichtet neutral zu bleiben, obgleich er die Zusammenarbeit mit der israelischen Armee in den höchsten Tönen lobt; sie sei eine der professionellsten Armeen der Welt. So richtig vertiefen möchte er die Thematik aber nicht, stattdessen gab er mir den Tipp das Nachleben von Tel Aviv zu genießen, ich sei noch jung und manchmal sei es wichtig, das Menschen einen Zustand einfach akzeptieren, so auch im Falle des Konflikts zwischen Israel und Palästina. Wir beließen es dabei. Markus widmete sich wieder seinen Kunstwerken und ich ging in die Stadt und ließ mich über den Carmel Market treiben.
Als ich kurz auf meine Straßenkarte schaute um mich zu orientieren, sprach mich ein älterer Herr an, Nathan: „Hallo, kann ich dir helfen“?, fragte er mich. Ich wunderte mich kurz, schaute ihn mit großen Augen an und stellte im Affekt die Gegenfrage warum er den wisse, dass ich Deutscher bin. Diesmal konnte es noch nicht einmal mein starker deutscher Akzent gewesen sein, der mich verraten hat. Nathan erzählte mir, dass seine Eltern vor dem Holocaust in Danzig gelebt, weshalb er als junger Mensch auch öfter nach Deutschland gereist ist. Mittlerweile habe er einen ganz guten Blick für Deutsche Gesichter. Spontan lud ich ihn zu einer Tasse Kaffee ein. Nathan ist anders als die Menschen, die ich bisher getroffen habe. Er hat sehr weiche Züge an sich und offenbart viel Verständnis für das Leid der Araber. Trotzdem glaubt er nicht an eine schnelle Lösung des Konflikts. In 50 Jahren aber, so Nathan, sei ein Frieden durchaus möglich. Er verwies auf den Holocaust und fragte mich, ob meine Großeltern es wohl für möglich gehalten hätten, dass ihr Enkel eines Tages das Land der Juden besuchen würde. Er hatte Recht, mein Besuch ist das Ergebnis eines langen politischen Prozesses. Ohne weitere Nachfrage erzählte er mir, dass er früher Vorbehalte gegenüber Deutschland hatte, mittlerweile weiß er aber, dass unser Land sich verändert hat. Meine Generation könne nichts für die Gräueltaten meiner Großeltern. Diese Botschaft solle ich meinen Freunden in Deutschland mitteilen. Wir ließen sogar ein Foto von diesem symbolischen Handschlag machen, aus dem versehentlich ein kurzes Video wurde. Nathan - als junger Mann selbst in der Politik aktiv gewesen – hat nichts von seinem Sinn für aussagekräftige Gesten eingebüßt, ein bisschen Show war natürlich auch dabei, aber bewegend war es trotzdem. Am Ende wollte ich ihn eigentlich noch fragen, ob er es für angemessen hielte, wenn wir Deutschen die israelische Politik z.B. in der Siedlungsfrage kritisieren. Diese Frage stellte ich aber nicht mehr, weil ich meine Antwort schon längst bekommen hatte. Wir verabschiedeten uns herzlich.
Am Abend machte ich einen Spaziergang durch den arabischen Teil der Stadt. Ich traf auf einen israelischen Nachtangler und schaute gespannt zu, ob es ihm gelingen würde einen dicken Fisch aus dem Mittelmeer zu ziehen. Ich bot ihm eine Zigarette an und im Gegenzug holte er zwei Plastikgläser und eine Flasche Orangensaft aus dem Auto. Es war nett. Seine Frau mache sich immer Sorgen, wenn er an dieser Stelle alleine angeln geht, weil erst vor einem Jahr - nicht unweit dieser Stelle - ein Palästinenser aus Gaza einen Israeli erstochen habe. Ich glaubte ihm. Auch riet er mir, an diesen Stellen nicht alleine durch die Dunkelheit zu laufen. Man merkte diesem netten Menschen die Angst und eine Art von Grundmisstrauen förmlich an, er berichtete – wie auch schon Jaime – dass viele Palästinenser den Hass auf Israel bereits mit der Muttermilch aufsaugen würden und deshalb so gefährlich seien. Jedes mal, wenn er nachts eine Gruppe von Arabern sehe, sei er konzentriert um im Falle eines Angriffs sofort reagieren zu können. Diese Art von latenter Anspannung ist scheinbar ein ganz natürlicher Bestandteil seines Lebens geworden. Der dicke Fisch blieb leider aus und ich ging zurück ins Hostel, unsicher fühlte ich mich nicht.
Dort abgekommen, erlebte ich eine große Überraschung. Ich traf auf eine alte Bekannte, Danny. Wir hatten uns seit dem Abitur nicht mehr gesehen und waren völlig begeistert von unserem unverhofften Zusammentreffen. Danny war ebenfalls aus Interesse an dem Nahostkonflikt nach Israel und Palästina gereist, jedoch nicht alleine, sondern mit ihren Kommilitonen im Rahmen einer Exkursion. Anders als ich, traf Danny sich vor allem mit professionellen Organisationen und nicht mit Menschen, die einem zufällig im Alltag begegnen. Anders als bei mir, waren ihre Gesprächspartner gut vorbereitet. Wir redeten fast die ganze Nacht und tauschten uns über unsere unterschiedlich gemachten Erfahrungen aus. Am Ende stellen wir fest, dass wir noch nicht sehr weit gekommen waren mit unserem Vorhaben, den Nahostkonflikt besser beurteilen zu können. Statt einfache Antworten zu finden, haben sich vor allem neue Fragen aufgetan.
Ich ging ins Bett und dachte an einen Song von John Lennon, Imagine.
JerusalemTeil 1
Noch bevor ich im Hostel einchecke, setzte ich mich in ein charmantes Eckcafe mitten im Herzen von Jerusalem. Ich bestellte mir einen Espresso und versuchte ein erstes Gefühl für die Stadt zu entwickeln. Jerusalem. Ein stärkerer Kontrast zu Tel Aviv ist kaum vorstellbar. Alle drei abrahamitischen Weltreligionen beanspruchen diese Stadt auf ihre Weise für sich. Die Palästinenser sehen in (Ost)Jerusalem gar die Hauptstadt des angestrebten Palästinenserstaates. Kontrolliert wird die gesamte Stadt aber von Israel. Diese explosive Mischung aus Anspruch und Wirklichkeit ist in Jerusalem jederzeit zu spüren, die Leichtigkeit von Tel Aviv ist jedenfalls verflogen. Was wird mich wohl in den nächsten Tagen erwarten?
Noch bevor ich über die Frage nachdenken konnte, setzte sich Uri zu mir an den Tisch, da die restlichen Plätze im Cafe restlos besetzt waren. Meine erste Bekanntschaft in Jerusalem war also gläubiger Jude. Wir kamen ins Gespräch. Schon bald stellte sich heraus, dass Uri alles andere als konservativ war. Uri ist davon überzeugt, dass der aktuelle Nahostkonflikt nicht per se in der Unvereinbarkeit von Judentum und Islam wurzelt, sondern vielmehr der politischen Ebene geschuldet ist. Es geht um Macht und Gebietsansprüche, mit Religion hätte das nicht viel zu tun. Es war ihm wichtig mir zu erklären, dass die politischen Ansichten der israelischen Regierung keineswegs deckungsgleich mit den Grundsätzen des jüdischen Glaubens sind.
Nach dem Gespräch bezog ich das Zimmer in meinem Hostel. Dort traf ich unter anderem auf Klaus, einen 60 jährigen - bereits äußerlich unverkennbaren - Globetrotter, der bereits über 100 Länder bereist hat und nun in Israel seinen jüdischen Wurzeln nachgeht. Soviel war klar: Die Zeit im Hostel wird nicht langweilig werden.
Zunächst einmal wollte ich aber die Stadt erkunden und vor allem noch vor Sonnenuntergang auf den Ölberg gelangen, um einen weitläufigen Blick auf die Altstadt von Jerusalem zu erhaschen. Auf dem Weg dahin traf ich auf Illyana, eine australische Muslima, die gebürtig aus Singapur kommt. Wir stiegen zusammen auf den kleinen Berg, setzten uns auf eine kleine Mauer und unterhielten uns über Gott und die Welt. Zusammen warteten wir auf den Sonnenuntergang. Das Ergebnis war beeindruckend, die untergehende Sonne spiegelte sich in der Kuppel der al-Aqsa-Moschee. Welch ein Anblick und Ausblick zugleich, auf die vielleicht geschichtsträchtigste Stadt der Welt.
Auf dem Rückweg beschlossen wir spontan die Klagemauer zu besichtigen. Beim Passieren eines Checkpoints ergaben sich für mich keine Probleme. Illyana hingegen musste einige Fragen beantworten und eine durchaus intensive Durchsuchung über sich ergehen lassen. Niemals hätte ich mir mehr gewünscht gleichbehandelt zu werden, stattdessen blickte ich in die traurigen Augen von Illyana. Racial profiling, willkommen in der täglichen Realität Israels. Nach dem Besuch der Klagemauer verabschiedete ich mich von meiner charmanten Begleitung und schlenderte müde und hungrig in Richtung Hostel.
Am nächsten Tag besuchte ich den besonders konfliktreichen Teil von Jerusalem – den muslimischen Teil der Altstadt. Dort traf ich auf Achmed, einen Händler der sich auf Touristen spezialisiert hat und versuchte, mit mir ein gutes Geschäft zu machen. Ich winkte ab, fragte ihn jedoch nach seiner Meinung, warum es in diesem Land keinen Frieden gäbe. Er kochte uns einen Pfefferminztee und wir diskutierten in der Küche seines Geschäfts, überraschenderweise auf Deutsch. Achmed bat mich eindringlich zu versuchen, mit den Augen eines Palästinensers durch das muslimische Viertel zu laufen. Dann würde ich merken, dass die israelischen Soldaten wie Besatzer auftreten und die palästinensischen Menschen wie Bürger zweiter Klasse behandeln. Diese täglichen Demütigungen müsse sein Volk seit 1967 ertragen. Für eine wirkliche Verbesserung der Lage sei eine Hilfe von außen notwendig. Solange aber die Amerikaner Israel unkritisch den Rücken freihalten, sei eine Veränderung praktisch unmöglich. Der Einfluss von Europa sei sehr begrenzt. Auch würde er sich wünschen, dass sich die europäischen Politiker nicht nur auf internationale Konferenzen und in Israel blicken lassen würden, sondern auch im Westjordanland. Auf diese Weise würden den politisch handelnden Akteuren die tägliche Diskriminierung der palästinensischen Bevölkerung erst richtig bewusst werden. Auf die Frage, ob er für eine "Zweistaatenlösung" eintrete, antwortete Achmed etwas ausweichend. Er würde diesem Modell zwar realistischerweise zustimmen, in Wirklichkeit stehe das gesamte Land aber beiden Seiten zu. Er verwies auf die letzten 2000 Jahre in denen Palästinenser und Juden - ohne eine Teilung des Landes - friedlicher zusammengelebt haben als heute. Mittlerweile sitzen auch zwei seiner Söhne mit am Tisch. Mich interessiert, ob Achmed daran glaubt, dass es seinen Kindern in Zukunft einmal besser gehen wird. Er schaut zu seinem jüngsten Sohn, überlegt kurz und antwortet mit leiser Stimme, dass er auf eine bessere Zeit hofft. Nach unserem Gespräch kaufe ich doch noch einen Kaschmir-Schal, auch in der Gewissheit, dass Achmed das bessere Geschäft von uns beiden gemacht hat.
Im Anschluss brauche ich Zeit für mich. Ich setzte mich auf eine Bank, genoss die Sonne und dachte über das Gespräch nach. Auf dem Rückweg herrschte im muslimischen Viertel eine sehr angespannte Stimmung, israelische Soldaten hämmerten gegen die Tür eines Händlers. Später erfuhr ich, dass an dieser Stelle kurz zuvor ein Messerangriff auf zwei orthodoxe Juden stattgefunden hat, die dabei leicht verletzt worden sind. Der Attentäter wurde erschossen, es war ein 17 jähriger Palästinenser aus Nablus. Was für ein trauriger Tag.
Fortsetzung folgt...
Jerusalem Teil 2
Der erste Teil meines Berichts soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass Jerusalem bei allen Konflikten zugleich wunderbare Seiten offenbart. Nirgendwo anders ist die geschichtliche und spirituelle Entwicklung der Weltreligionen besser zu verstehen als in dieser Stadt. Da ich in diesem Blog jedoch vorrangig aus politischer Perspektive berichte, geraten die sanften Seiten von Jerusalem automatisch etwas in den Hintergrund. Im politischen Alltag ist in Jerusalem einfach eine latente Nervosität stets spürbar. Zu diesem Ergebnis kommt auch Klaus, mit dem ich den Vormittag auf der Dachterrasse des Hostels verbringe. Klaus ist einfach ein Unikat, der bereits mehr als 100 Länder besucht hat und schon seit 6 Jahren nicht mehr für einen längeren Zeitraum in Deutschland war. Von ihm habe ich sogar gelernt, dass es ein regelrechtes „Reise-Burnout-Syndrom“ gibt. Klaus bezeichnet sich zwar selbst als jüdischen Eigenbrödler, durch seine vielen Reisen in der ganzen Welt habe er aber ein sehr feines Gespür für die Menschen in unterschiedlichsten Kulturen entwickelt. Ich höre ihm gerne zu. Anders als ich, gibt er dieser Region aber keine Hoffnung auf ein zukünftiges friedvolles Zusammenleben. Die Feindseligkeiten zwischen den Israelis und den Palästinensern haben sich im Laufe der Zeit zu sehr im Alltag verfestigt, dies sei täglich in Israel und ganz besonders in Jerusalem zu spüren. Anders als in anderen Konfliktregionen sei die feindselige Stimmung hier bereits fester Bestandteil der Identität der Menschen. Eine kritische Reflexion, die notwendig wäre, um das System aufzubrechen, wird dadurch unmöglich. Auf einen Besuch der West Bank verzichtet Klaus daher, auch Jerusalem wird er nach nur wenigen Tagen wieder verlassen. Vielleicht hat dieser Mann sogar Recht mit dem was er sagt, in mir spüre ich aber einen großen Widerstand die gleiche Schlussfolgerung zu ziehen. Es muss doch einen Weg zum Frieden geben. Einen anderen Gedanken lasse ich nicht zu!
Die Zeit in Jerusalem neigt sich für mich dem Ende hingegen, ich verspüre den Drang die Menschen in der West Bank kennenzulernen, sowohl die Palästinenser als auch die jüdischen Siedler, über die ich soviel negatives in Deutschland gelesen habe.
Vorher habe ich aber noch zwei Dinge zu erledigen. Zunächst machte ich mich auf den Weg in den Stadtteil „Mea Shearim“, hier leben überwiegend orthodoxe Juden. Ich möchte wissen, welche Vision diese Menschen von der Zukunft haben, schließlich stellen sie 10 Prozent der israelischen Bevölkerung. Bereits die Kontaktaufnahme erweist sich als wahre Geduldsprobe, die wenigsten der von mir angetroffenen orthodoxen Juden sprechen Englisch oder sie weigern sich mit mir zu sprechen. Ich bin kurz davor aufzugeben und fühle mich alles andere als wohl in diesem Viertel. Schließlich gelingt es mir doch noch einen Gesprächspartner zu finden. Sein Name ist Ariel, er ist ungefähr so alt wie ich. Mein Angebot ihn zu einer Tasse Kaffee einzuladen lehnt er ab, stattdessen setzten wir uns auf eine karge Bank in Straßennähe, die Atmosphäre ist kühl. Ich erzählte Ariel über meine Intention der Israelreise und frage ihn, welche Lösung er und seine Freunde im Nahostkonflikt vertreten würden. Ariel erklärte mir zunächst, warum seiner Meinung nach auch das heutige Westjordanland für ihn ein Teil Israels ist. Als Begründung reichen ihm Textstellen des alten Testaments. Die „Zweistaatenlösung“ sei für ihn in keinster Weise akzeptabel, stattdessen soll es nur einen Staat in dieser Region geben, nämlich Israel. Ich war neugierig und wollte von ihm wissen, welche Rolle die Palästinenser in dem dann einzigen Staat Israel spielen sollen. Seine Antwort kam prompt und präzise: Die Palästinenser würden in diesem Staat gar keine Rolle spielen, er würde sie am liebsten aus dem Land werfen. Mir wurde bewusst, dass dieser Teil der israelischen Gesellschaft niemals bereit sein wird, für einen Frieden mit den Palästinensern Kompromisse zu schließen. Das düstere Menschenbild dieser Menschen engte mich ein. Ich verließ den orthodoxen Stadtteil und atmete tief durch, es fühlte sich gut an, diesen Teil meiner Reise hinter mich gebracht zu haben.
Meine letzte Reise in Jerusalem führte mich zur Grabeskirche, an dieser Stelle soll Jesus gekreuzigt und begraben worden sein. Ich betete und erlebte einen ganz persönlichen und friedlichen Moment. Nie zuvor fühlte ich mich meinem Glauben näher als hier. Auch das ist Jerusalem.
Fortsetzung folgt...
Aufbruch: | 28.03.2017 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 26.04.2017 |
Palästina