Finnisch-Lappland im Winter
Schneeschuhe, Sauna und Seele baumeln lassen: Saariselkä und Urho-Kekkonen Nationalpark
Anreise und Tag 1, 18.02.2018
Der Plan lautet also wie folgt:
Übernachten in Blockhütten, viel saunieren und einfach die herrliche Natur Nordfinnlands, die mir so vertraut ist, genießen.
Wir flogen von Frankfurt am Main über Helsinki nach Ivalo, einem kleinen Städtchen in Nordostlappland. Der Flughafen ist derart klein, dass die ca. 130 Touristen, die mit uns auf ihr Gepäck warteten den Gepäckaufnahmeraum beinahe sprengten. Da wir am späten Abend gelandet waren und noch den Mietwagen entgegennehmen mussten, waren wir froh, schnell durch das übliche Prozedere durchzukommen, um die 41km bis zu unserer erstem ersten Mökki hinter uns zu bringen.
Unsere Unterkunft, die Aurora Cabin unmittelbar neben der Grenze zum Urho-Kekkonen Nationalpark bei Kakslauttanen südlich von Saariselkä war genau, was wir uns erhofft hatten. Ausgestattet mit zwei Saunen (einer elektronischen in der Hütte und einer mit Holz beheizten Fasssauna vor der Tür), einem Kamin und einem urgemütlichen Wohnzimmer hatten wir gleich das Gefühl, hier die richtige Wahl getroffen zu haben. Fünf der elf Nächte würden wir hier verbringen und die Aussicht auf einen heißen Saunagang nach dem anderen, nachdem wir den Tag draußen in der klirrenden Kälte verbracht hätten, ließ Vorfreude aufkommen.
Am ersten Morgen ließen wir es erst einmal ruhig angehen, kochten Kaffee und aßen, was wir aus Deutschland mitgenommen hatten. Dann aber lockten das herrliche Wetter und die unberührte Natur direkt vor unserem Fenster doch zu sehr um zu lange untätig zu bleiben. Und so drehten wir eine erste Runde mit den Schneeschuhen. Da zwei von uns vieren noch keine Erfahrung mit Schneeschuhwanderungen hatte, war das auch eine Art Jungfernflug, der jedoch grandios fehlschlug: Es wurden zwei Schneestockteller verloren und wir wären fast in einen Bach gestürzt, weil ich das Eis für dicker hielt, als es tatsächlich war. Es wäre zwar nichts passiert, aber die Erkenntnis, dass auch bei -15°C ein Bach nicht unbedingt dick genug vereist ist, um auf ihm zu stehen, blieb fortan in unseren Köpfen.
Den restlichen Tag verbrachten wir damit, einzukaufen und den Ort Saariselkä zu erkunden. Wobei hier tatsächlich nicht viel zu erkunden ist. Saariselkä ist – anders als die Orte Inari und Ivalo – kein historisch gewachsenes Dorf, sondern ein Wintersportzentrum mit lediglich etwas über 300 Einwohnern bei gleichzeitig über 10.000 Bettenplätzen für Touristen. Der Fokus liegt daher auch im Ort wenig überraschend auf dem Tourismus. Wie an allen größeren touristischen Destinationen in Lappland – wie etwa in Rovaniemi, Levi oder Kittilä – ist auch hier der immer gleiche Weihnachtsmann-Kitsch allgegenwärtig. Schon während meines Auslandssemesters in Rovaniemi hat mich diese Art von oberflächlichem Massentourismus gehörig gestört und mit jedem weiteren Besuch in Finnlands Norden verstärkt sich dieses Gefühl. Es ist mir unbegreiflich, wie man in eine solch entlegene und zugleich aufregende Region reisen kann, nur um ein paar Selfies mit dem Weihnachtsmann zu machen, überteuerte Souvenirs zu kaufen und in dem Glauben weiterleben kann, wirklich etwas von Lappland gesehen zu haben. Aber gut, so bleibt mehr vom richtigen Lappland für uns…
Die Fasssauna war ein absolutes Highlight. Das Saunaerlebnis ist einfach mit einem herkömmlichen Elektroofen nicht zu vergleichen.
Tag 2, 19.02.2018
Heute sollte es also richtig losgehen. Wir fuhren von unserer Hütte etwa zwei Kilometer weiter nach Osten zum Kiilopää Fjellcenter, einem kleinen familiären Wintersportzentrum, das hauptsächlich als Ausgangspunkt für Langlauftouren genutzt wird. Wir allerdings wollten von hier aus unsere erste echte Schneeschuhtour starten. Die Temperaturen waren an diesem Morgen auf -20°C gefallen, was aber mit der richtigen Kleidung und Bewegung keineswegs unangenehm war. Überhaupt sind die gefühlten Temperaturen nicht mit denen in Deutschland zu vergleichen, da die Luftfeuchtigkeit meistens deutlich geringer ist, was dafür sorgt, dass auch zweistellige Minusgrade gut auszuhalten sind.
Unsere Tour führte uns auf den namensgebenden Hügel Kiilopää. Das schöne in Lappland ist, dass es keine besonders hohen Berge braucht, um über die Baumgrenze hinaus zu kommen. Oftmals liegen die Täler noch in dichtem Wald, doch bereits in 100 Metern höherer Lage wachsen nur noch zwergige Sträucher und Büsche, die im Februar natürlich unter einer dicken Schneedecke begraben sind. In Finnland unterscheidet man daher zwischen den sog. ‚tunturi‘ und den ‚vaara‘, wobei erstere Hügel ohne und letztere Hügel mit bewuchs am höchsten Punkt beschreiben. Der Ausdruck ‚pää‘ bedeutet Kopf und ist grundsätzlich für alle Arten von Erhebungen zu benutzen. Wir stiegen ca. 300 Höhenmeter auf die Spitze des Hügels und hatten einen herrlichen Blick über die Weiten des Umlandes. In Richtung Osten konnte man bereits die 30km entfernte russische Seite erahnen und an klareren Tagen hätte man in Richtung Nordwesten sogar bis nach Nordnorwegen blicken können. Ein jeder Bergsteiger weiß, dass man nicht zu lange auf dem Gipfel verweilen sollte, um sich in seinem verschwitzten Zustand nicht zu erkälten. Diese Regel galt für uns bei den gegebenen Temperaturen natürlich umso mehr, weshalb wir uns rasch wieder an den Abstieg machten. Abgesehen von der tollen Aussicht, hat das winterliche Bergsteigen einen weiteren Vorteil gegenüber dem Laufen im Tal: der Schnee ist weniger als halb so tief wie in den Senken. Während wir uns in den Niederungen gehörig anstrengen mussten, um einen Fuß vor den anderen zu bekommen, hätten wir weiter oben sogar ganz auf die Schneeschuhe verzichten können. Aus diesem Grund stelle ich mir eine winterliche Höhentour etwa über die langgezogenen aber abgerundeten Berge Norwegens sehr toll vor.
Bei Temperaturen jenseits der -10°C gefriert der Schnee an den Bäumen und hinterlässt wunderschöne Eiskristalle.
Tag 3, 20.02.2018
Dieser Tag stand ganz im Zeichen der Entspannung, spätes Frühstück, viel Schnapps (den wir uns aus Deutschland mitgebracht hatten), und ganz viel Sauna!!
Tag 4, 21.02.2018
Heute entschlossen sich meine Freundin und ich für eine spontane Schneemobiltour. Unser Gastgeber Henry, der offenbar von den Einnahmen aus gleich einem halben Dutzend Jobs lebt, hatte uns angeboten eine Schneemobiltour mit uns zu machen. Da ich während meiner bisherigen Reisen in den Norden als Student nie das nötige Kleingeld in der Tasche hatte, konnte ich mir diesen Spaß bisher nie leisten. Eine drei Stunden Tour kostete bei Henry und seinem Partner 120€ pro Person, bei größeren Veranstaltern etwa in Rovaniemi aber auch hier in Saariselkä ist man locker bei 150€ bis 200€ und fährt in 30-Mann-Kolonnen über langweilige zugefroren Flüsse. Hier hatten wir glücklicherweise nur ein weiteres französisches Paar dabei.
Wir fuhren gleich vor unserer Hütte los, immer zu zweit auf einem Schneemobil. Anfangs hatte mich das noch etwas geärgert, doch schnell wurde mir klar, dass das für Anfänger wir uns eine gute Entscheidung war: Es war noch einmal kälter geworden und das Thermometer stand mittlerweile bei -20°C, sodass einem trotz Lenkerheizung schnell die Finger wegfroren. Ansonsten war es sehr angenehm, denn der Fahrer konnte stets seine Beine in Aussparungen stecken, aus denen einen die Moterwärme auf Temperatur hielt. Insofern war es zumeist eher der hinten sitzende, der sich über die Kälte beklagte.
Wir fuhren also quer durch den Wald in Richtung Norden, an Saariselkä vorbei über den Kaunispää ("Schönkopf") und durch dicht bewaldete Täler und karge Hügel. Etwa alle 20 Minuten hielten wir an, um den Fahrer zu wechseln oder einen Schluck zu trinken oder zu essen. Unterwegs sahen wir eine der Großgruppen, die im Gänsemarsch hintereinander herfuhren und ich bekam das Gefühl, dass es eine gute Entscheidung gewesen war, die Tour mit Henrys Partner zu machen.
Zwar outet man sich in diesen Overalls schon von Weitem als Tourist, doch bei Temperaturen um die -20°C und dem entsprechenden Fahrtwind ist einem das ziemlich egal. Haupsache warm!!
Tag 5, 22.02.2018
Nach weiteren Saunaexzessen konnte uns nur noch das Kissen ein paar Neuigkeiten erzählen, weshalb es recht früh in die Kojen ging...
... denn am nächsten Morgen hatten wir etwas geplant, das ein weiteres Novum für uns alle darstellte: Langlaufen. Zwar bevorzuge ich das freie Laufen (ob im Winter mit Schneeschuhen oder im Sommer ohne), da so einfach mehr das Gefühl von Freiheit aufkommen - gerade hier in den großen Weiten des nördlichen Lapplands - allerdings konnten wir nicht anders, als zumindest ein Mal jenen Sport auszuprobieren, wegen dem die meisten Finnen zu dieser Jahreszeit in den Norden reisen. Hier war die demographische Aufteilung unter den Touristen besonders stark zu sehen, denn außer uns waren kaum Ausländer zu sehen. Die langlaufenden Finnen jedoch waren stark durchmischt: vom 50-Kilo-Marathon-Asketen bis zur beleibten isoäiti (Großmutter) war alles zu finden. Wir befanden uns wie immer irgendwo dazwischen, körperlich nicht ganz ungeschickt, doch reichlich unerfahren auf den langen Latten.
Für unser Langlaufunterfangen fuhren wir wieder nur ca. zwei Kilometer zum Wintersportzentrum Kiilopää, wo wir uns auf der Karte eine der unzähligen Loipen heraussuchten, die von hier ausgingen. 5,5km, nicht allzu anstrengend, gut für den Anfang!
Das Fortbewegen auf Langlaufskiern ist für den Ungeübten eine gänzlich ungewohnte Bewegung. In der 1-1er-Technik (also ein Stockstoß pro Schritt) versucht man möglichst kräftesparend voranzukommen. Dass das besonders zu Anfang nicht besonders ästhetisch ist, kann man sich gut vorstellen, zumal gleich auf dem ersten Kilometer ein zäher Anstieg auf uns wartete. Hin und wieder glitten erfahrenere Langläufer teilweise in Skatetechnik an uns vorbei, als sei es die leichteste Übung der Welt. Aber wer einen Berg herauffährt, der muss auch irgendwann wieder herunter: Und das passierte gleich darauf. Ich, der normalerweise den komfortablen von Alpinskiern samt Skischuhen gewohnt ist, kam mit der wackeligen Einheit aus extrem weichen Schuhen und Skiern ohne Kanten gar nicht zurecht und würfelte mich derart heftig, dass für einige Minuten heftige Kopfschmerzen zurückblieben. Über die Länge der Tour sollte die uns allen jedoch das ein oder andere Mal passieren.
Nunja, das Gröbste müsste ja jetzt geschafft sein, jetzt kurz noch hier um die Ecke und dann sind wir schon wieder da... Pustekuchen! Wir mussten irgendwo falsch abgebogen sein, sodass wir uns nun statt auf der geplanten 5,5km auf einer 14,5km-Schleife befanden. Jetzt gab es also zwei Optionen: umkehren und den gleichen steilen Weg zurück, was keiner von uns als besonder verlockend empfand oder weiter in den Wald und die große Schleife nehmen. Wir entschieden uns für letzteres und das war eine gute Wahl!
Denn so langsam kamen wir in den Tritt. Die Schritte wurden leichter, die Gleitphasen länger und auch das Terrain wurde weniger ermüdend.
Rast an einem typisch finnischen lavu, einer Rundhütte mit zentrierter Feuerstelle, nach gut der Hälfte
Endlich am Wintersportzentrum angekommen waren wir allesamt ausgelaugt, aber sehr glücklich und auch ein wenig Stolz darauf, gleich beim ersten Versuch eine solche Strecke hinter uns gebracht zu haben.
Leider mussten wir an diesem letzten Tag in Saariselkä noch einmal umziehen und zwar in die benachbarte Hütte, welche sich gleich neben unserer bisherigen Unterkunft befand. Grund dafür war, dass unser Gastgeber die große Hütte fälschlicher Weise doppelt belegt hatte uns aber zu versichern versuchte, wir hätten ohnehin nur die kleiner Hütte gebucht und es sei eigentlich ja nur ein Entgegenkommen gewesen, dass wir in der ansonsten leeren großen Hütte schlafen durften. Die Buchungsunterlagen sagten etwas anderes, aber was soll's. So schliefen wir eben den letzten Abend etwas gedrängt, denn gleich am nächsten Tag ging es weiter Richtung Norden.
Aufbruch: | 17.02.2018 |
Dauer: | 12 Tage |
Heimkehr: | 28.02.2018 |
Norwegen