Finnisch-Lappland im Winter
Schneeschuhe, Sauna und Seele baumeln lassen: Lemmenjoki Nationalpark
Tag 9, 25.02.2018
Damit waren die drei Tage in Utsjoki bereits vorbei und wieder stellte sich uns die Frage, wohin es für die letzten Tage gehen sollte. Wir entschieden uns für den Lemmenjoki-Nationalpark und fanden dort auch gleich eine günstige Hütte im Internet. Den Lemmenjoki hatten mein Freund und ich bereits im Jahr zuvor kurz kennengelernt. Hier gefiel es uns sehr gut und deshalb fiel die Enscheidung einen erneuten Abstecher hierhin zu unternehmen nicht schwer.
Statt die direkte Route von Utsjoki in Richtung Süden entlang der E75 zu nehmen, entschlossen wir uns einen Bogen über den Ort Karigasniemi zu nehmen. Die Landstraße 970 führt hier immer entlang dem Fluss Tenojoki und der Grenze zu Norwegen zu unserer rechten und dem Kevo luonnonpuisto (Naturpark) zu unserer linken. Die Landschaft hier ist von seichten Hügeln geprägt, was unsere Fahrt sehr abwechslungsreich und kurzweilig machte. Nach gut 100km erreichten wir den Hauptort der Region Karigasniemi mit seinen 500 Einwohnern und bogen hier nach links in Richtung Inari ab. Nach weiteren knapp 150km und einem letzten Einkauf für die letzten Tage erreichten wir schließlich den Ort Njurkulahti.
Der Lemmenjoki ist mit 2.850 km² der größte und ursprünglichste Nationalpark Finnlands. Hier lebten bis ins 19. Jahrhundert Waldsamen, welche als Jäger und Sammler in enger Verbundenheit mit der Natur lebten. Sie jagten das heute hier ausgerottete Waldren, wurden jedoch im Zuge des hier eintretenden Goldrausches vertrieben oder assimiliert. Der Nationalpark ist heute eines der größten Wildnisgebiete Europas und Heimat für die größte Bärenpopulation Finnlands. Um diesen Status aufrecht zu erhalten, unterteilt sich der Park in einen Wildnisbereich und einen "Besucherbereich" - ähnlich wie beim Urho-Kekkonen-Nationalpark. Allerdings ist die touristische Infrastuktur hier derart kleinmaßstäbig, dass es müßig ist, sie mit jener in Saariselkä zu vergleichen.
In Njurkulahti, dem einzigen echten Ort im Nationalpark, leben schätzungsweise 10 bis 20 Personen. Hier gibt es einen kleinen Zeltplatz und diverse Hütten für Touristen, von denen wir eine gebucht hatten. Der Ort liegt keine 50km von Inari entfernt, weshalb sich hierin gelegendlich Tagestouristen verirren, die dann ein Rentier-Gulasch zu sich nehmen, ein paar Fotos machen und eventuell noch eine Schneemobil- oder Schlittentour machen. In aller Regel verschwinden diese Touristen jedoch bereits nach wenigen Stunden und lassen eine unvergleichliche Stille zurück.
Unsere Hütte war dieses Mal um einiges kleiner als an unseren letzten beiden Stationen. Das wichtigste war natürlich, dass wir auch hier eine Sauna zur Verfügung hatten!
Unsere Gastgeber schlachten ihre halbwilden Rentiere selber und verwerten alle seine Teile - nur der Kopf scheint keine Verwendung zu finden.
Die Rentiere sind nicht eingezäunt (die rechte Seite ist offen). Sie bekommen hier nur zusätzliches Futter, um gut durch den kalten Winter zu kommen.
Tag 10, 26.02.2018
An diesem Tag unternahmen wir eine Schneeschuhwanderung, welche wir am darauffolgenden Tag in erweiterter Form wiederholten, weshalb darauf verzichtet wird, diese Tour genauer zu beschreiben.
Tag 11, 27.02.2018
Der letzte volle Tag unserer Reise war also gekommen und wir wollten einen würdigen Schlusspunkt setzen. Daher wählten wir eine anspruchsvolle Tour auf den Gipfel des höchsten Berges der Umgebung, den Joenkielinen. Bei etwa -5°C war die Außentemperatur hierfür geradezu ideal.
Wir folgten zuerst ca. fünf Kilometer dem Fluss Lemmenjoki auf dem dicken Eis. Da die Oberfläche des zugefrorenen Flusses eine perfekte Ebene bildete, konnte der Wind den Schnee leicht wegtragen, weshalb sich nur eine leichte, wenige Zentimeter dicke Schneeschicht auf dem Eis hielt. Hier konnten wir ohne Probleme die Schneeschuhe im Rucksack lassen. Was für eine Wohltat! Nicht nur kommt man auf diese Weise um ein Vielfaches schneller voran, auch fällt einem das Gehen mit einem Mal so leicht, dass man das Gefühl hat, auf diese Weise locker 30-40 Kilometer an einem Tag abreißen zu können (ob das letztlich tatsächlich so ist, steht auf einem anderen Blatt). Um auf den Berg zu kommen, mussten wir jedoch nach einiger Zeit nach links abbiegen. Kaum am Ufer angekommen zeigten sich die Schneeverhältnisse jedoch von einer ganz anderen Seite. Denn zwischen den dicht stehenden Kiefern sammelten sich Schneewehen, die teilweise bis weit über Beckenhöhe reichten. Ohne Schneeschuhe wäre man hier hoffnungslos verloren. Wir wandten also erneut die Gänsemarschtaktik, wobei der vorderste Läufer bei Weitem den größten Kraftaufwand leisten musste. Die Mischung aus dem extremen Tiefschnee und dem stetig ansteigenden Geländer sorgte dafür, dass wir alle an unsere körperlichen Belastungsgrenzen stießen. Gut, dass es an diesem Tag nicht so kalt war, wie in den Tagen zuvor. Bei -25°C wäre die Tour zu einer wahren Qual geworden.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der wir maximal einen Kilometer Wegstrecke hinter uns gebracht hatten, lichtete sich allmählich aufgrund der zunehmenden Höhe der Wald. Jetzt hatte der Wind auch wieder mehr Angriffsfläche, verblies die Schneedecke und wir hatten wieder leichteres Spiel. Die letzten paar Hundert Meter auf den Gipfel brachten wir schnell hinter uns. Oben angekommen genossen wir den Blick über die beeindruckende Landschaft. Leider war der Wald aufgrund der milderen Temperaturen nun nicht mehr so vereist. Das nahm der Szenerie doch einiges von ihrem Zauber, den wir in den vergangenen Tagen so genossen hatten. Vom Gipfel des Joenkielinen konnten wir über weite Teile des Lemmenjoki-Nationalparks und in der Ferne sogar bis nach Norwegen blicken. Eine mehrtägige Tour quer durch den Nationalpark im Sommer wäre sicherlich auch eine tolle Erfahrung.
Nach einiger Zeit begann der Wind uns trotz der milderen Temperaturen etwas zuzusetzen, sodass wir den Abstieg begannen. Am Fuß des Berges machten wir noch einmal an einem laavu Rast, um über dem offenen Feuernoch gegrillte Würstchen und juustoleipä ("Käsebrot", der etwa wie Grillkäse schmeckt) zu uns zu nehmen. Diese Art der Rast ist typisch Finnisch und für mich persönlich ist sie einer der vielen Aspekte, die ich am finnischen Lebensstil so schätze. Eine Auszeit in der Natur zu nehmen, still schweigend vor einem Feuer zu sitzen und die Gedanken fliegen zu lassen. Die innere Ruhe, die ich in einem solchen Moment empfinde, ist mit nichts zu vergleichen.
Allerdings hat ein jeder Trip sein Ende und so brachen wir ein letztes Mal auf, um die letzten Kilometer zurück über den gefrorenen Lemmenjoki zu unserer Hütte in Angriff zu nehmen.
Blick auf den Lemmenjoki-Fluss (Bildmitte) und den Norden des Nationalparks. In weiter Ferne ist bereits die norwegische Seite zu erahnen.
Tag 12, 28.02.2018
Der Tag der Abreise war gekommen. Auf dem Weg zum Flughafen in Ivalo machten wir noch in Inari halt, um im Samimuseum Siida und in einer kleinen Silberschmiede noch ein paar Andenken zu kaufen. Hätten wir mehr Zeit gehabt, wäre ein ausführlicherer Besuch im Museum sicherlich lohnenswert gewesen.
Gegen Mittag erreichten wir dann den Flughafen. Am Gate warteten wir zusammen mit hunderten Touristen darauf zurück in die Heimat zu fliegen. Als wir die Blicke über die Menschen gleiten ließen, kamen wir nicht umhin festzustellen, dass nur ein kleiner Teil nach aktiven Naturtouristen aussah. Der überwiegende Teil jedoch entsprach eher der Fraktion Selfiestick. Wie schade für sie, dachten wir uns. Sie haben nicht erlebt, was wir erlebt haben. Doch am Ende ist das wahrscheinlich auch das beste für alle. So haben wir wenigstens den Wald für uns allein.
Aufbruch: | 17.02.2018 |
Dauer: | 12 Tage |
Heimkehr: | 28.02.2018 |
Norwegen