Südböhmen - rund um den Lipno-See
Weltkulturerbe: Český Krumlov
Am nächsten Morgen haben sich die Nebelschwaden über dem See verzogen, die Sonne bricht durch die Wolken und die Sicht auf die umliegenden Berge ist wieder klar. So entschließen wir uns nach dem Terrassenfrühstück zu einem Ausflug in das etwa dreißig Kilometer entfernte Český Krumlov (Krumau), ein mittelalterliches Städtchen, das zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde.
Nach dem wir auf einem der gut ausgeschilderten Parkplätze unseren Wagen abgestellt haben, spazieren wir über eine Moldaubrücke in den alten Stadtbezirk, der eigentlich aus drei Teilen besteht: dem Schloss, der Altstadt und dem Latrán-Viertel. Ein historisches Denkmal in Form eines Gesamtkunstwerks, von einer Moldauschleife umschlossen. Pro Jahr kommen weit über eine Million Besucher in die Stadt, die nicht nur Kulturinteressierten vieles bietet, sondern auch für sportlich mehr oder weniger Ambitionierte Kanufahrten zwischen 5 und 35 Kilometer Länge oder Floßfahrten im Angebot hat.
Von der Unterburg Latrán aus passieren wir das Rote Tor, um zuerst die zweitgrößte Schlossanlage Böhmens zu besichtigen. Latrán war ehemals der Wohnort der Schlossbediensteten. Und so erklärt sich die Aufschrift des Tores: „Höre zu, beobachte und schweige, wenn du in Frieden leben willst“. Wenn das keine Drohung war.
1253 wurde die Burg als Sitz der sagenumwobenen Witigonen zum ersten Mal erwähnt, ging dann an das Geschlecht der Rosenberger. Im 16. Jh. erfolgte der Umbau der gotischen Burg in ein Renaissanceschloss, das mehrmals den Besitzer wechselte.
Die Schlossanlage umfasst fünf Höfe, umgeben von Gebäuden mit ihren Zimmerfluchten. Vom zweiten Schlosshof mit der kleinen Burg kann man den 55 Meter hohen, mit alchimistischen und astrologischen Zeichen bunt bemalten Turm besteigen und die herrliche Aussicht auf die umliegende Landschaft genießen.
Über den dritten und vierten Schlosshof gelangt man in die obere Burg. Diese Höfe sind im Renaissancestil gestaltet und weisen eine reiche Bemalung auf. Die Zimmerfluchten der Oberen Burg mit ihren möblierten Salons, Speise- und Schlafzimmern sowie den beiden Schlosskapellen können besichtigt werden. Sehr eindrucksvoll ist der Maskensaal, der seinen Namen seiner Wandbemalung verdankt. Es ist ein Maskenball mit 135 Figuren dargestellt, deren vorherrschende Motive der italienischen commedià dell’arte entnommen sind.
Über die sogenannte Mantelbrücke, die eine Felskluft überspannt, erreicht man einen weiteren Schlosshof. Von hier aus sind der Schlossgarten und das entzückende Barocktheater aus dem 18. Jahrhundert erreichbar, das zu den ältesten erhaltenen Barocktheatern der Welt zählt. Einen Besuch dieses Theaterjuwels mit seinen dreizehn szenischen Bühnenbildern, Kostümen, Requisiten und Effektmaschinen sollte man sich keinesfalls entgehen lassen.
Beim Besuch des elf Hektar großen Schlossgartens entdeckt man nicht nur eine Reithalle, einen Kaskaden-Neptun-Brunnen und das Lustschloss Bellarie, sondern im hinteren Teil auch einen im englischen Stil angelegten Garten mit Teich. Und zu guter Letzt staunt man über die riesige drehbare Zuschauertribüne, auf der im Sommer Besucher Theateraufführungen genießen können.
Zurück geht’s in den Stadtteil Latrán mit seinen engen Gässchen. In den alten Bürgerhäusern, bemalt mit Symbolen aus der Kabbalistik und Alchemie, haben Hotels, Restaurants, Cafés und Souvenirläden Einzug gehalten haben.
Es sind viele Touristen, vor allem aus asiatischen Ländern, unterwegs, doch so überfüllt wie im Sommer ist es nicht. In den Schmuckläden werden vor allem Kleinodien aus Bernstein angeboten. So ein Bernsteinschmuck in diesen warmen Honigfarben – wie schön!
In einem kleinen Laden fällt mein Blick auf kleine, quadratische Ohrstecker. Der Preis: 18 Euro. Wir fühlen uns von der Verkäuferin gut beraten, die uns erklärt, der Bernstein käme aus Polen. Da muss ich noch nachlegen und nehme einen Armreif dazu. Dieser Schmuck wird mich auf den kommenden Reisen als Glücksbringer begleiten.
Über die hölzerne Bader-Brücke machen wir uns auf den Weg zum Náměsti-Svornosti-Platz (Platz der Eintracht) im Herzen der Altstadt. Wir passieren wunderschöne Bürgerhäuser mit Bemalungen aus der Renaissance oder sogar noch aus der Zeit der Gotik. Der Náměsti-Svornosti-Platz stellt ein wunderschönes Ensemble mit Renaissance-, Barock- und klassizistischen Fassaden dar. Heute beherbergen die Gebäude das Rathaus mit einem Folterkellermuseum, Restaurants und Hotels. In der Mitte des Platzes prangt eine der Jungfrau Maria geweihte Pestsäule aus dem Jahre 1715, an die sich ein Brunnen aus dem 19. Jahrhundert anschließt.
In der – vermutlich im 13. Jahrhundert – im gotischen Stil erbauten St.-Veitskirche mit wunderbarem Netzgewölbe findet sich die Nepomuk-Kapelle, die letzte Ruhestätte einiger der von Schwarzenberg.
Nun folgen wir der Straße Horní mit der Propsteikirche aus dem Jahre 1439 mit ihrer barocken Innenausstattung, nicht weit davon entfernt das Renaissance-Jesuitenkolleg, heute Nobelhotel.
Weiter geht’s durch die Altstadtgässchen mit ihren vielen Erkern und Giebeln zum Marionettenmuseum mit 200 historischen Exponaten aus aller Welt.
Das Highlight bildet jedoch ein Besuch im Egon-Schiele-Kunst-Zentrum. Etliche Arbeiten des Expressionisten werden hier gezeigt sowie von ihm entworfene Möbelstücke. Im Mai 1911 zog Schiele für kurze Zeit von Wien die Heimatstadt seiner Mutter Krumau, angezogen von romantischen Vorstellungen über „dunkle Wasser, krachende Bäume, wilde Lüfte, modrige Gartenzäune und zitternde Blätter“, wie er sich in einem Brief ausdrückte. Mit seiner Muse Wally, die auch für ihn Modell stand, mietete er sich ein Häuschen, in dessen Garten er sehr zur Empörung seiner Nachbarn die nackte Wally malte. Die Mädels der Stadt drängten sich danach, ihm in gewagten Posen Modell zu sitzen – die Mitbürger waren empört und ekelten Schiele nach nur drei Monaten aus dem Städtchen. Er zog zurück nach Wien, wurde weltberühmt und starb jung mit nur 28 Jahren an der Spanischen Grippe. Heute ist Český Krumlov stolz auf den Aufenthalt des verruchten Künstlers und weidet ihn hemmungslos touristisch aus.
Wer immer noch nicht genug von Besichtigungen hat, kann über die Ed.-Beneš-Brücke in den Stadtteil Plešivec gelangen und dort das Fotomuseum der Familie Seidel besuchen: Das Atelier zeigt Arbeiten der Familie Seidel, die als Chronisten des Böhmerwalds gelten.
Nach so viel Sightseeing haben wir uns eine Pause verdient. Wir kehren in einem der Altstadt-Restaurants ein, deren Terrassen direkt an der Moldau liegen. Während wir den Kanuten beim Paddeln zusehen, lassen wir uns ein Gulasch mit den von mir so geliebten böhmischen Knödeln, auch Serviettenknödeln genannt, schmecken. Dazu ein Budweiser Bierchen. So schön kann Urlaub sein!
Aufbruch: | 22.05.2018 |
Dauer: | 8 Tage |
Heimkehr: | 29.05.2018 |