3 Tage goldener Oktober im Mährischen Karst
Kulturtrip nach Boscovice
Das Wetter bleibt bestens, allenfalls könnte der Ostwind leicht zunehmen. Heute fährt Milos selbst mit und mit auf seinem Mountainbike ohne Elektroantrieb. Wir wählen einen gegenüber gestern etwas westlicher gelegenen Weg mit längeren Waldabschnitten, Radwanderweg Nummer 5117.
Wieder locken bunte Wälder zum Verweilen und Fotografieren, zumal der Weg heute deutlich fahrradfreundlicher ist, oder sind wir gestern abgehärtet ?
Rastplatz an einer kleinen Staustufe eines Baches. Der Sommer war so trocken, dass von Sumpf nicht viel zu sehen ist und es gibt auch keine Mücken.
Der Weg hinab erfüllt die kühnsten Radfahrerwartungen. In wenigen Minuten sind wir mitten in Boskovice, dort können wir im Stadtmuseum unsere Räder abstellen, um zu Fuß das ehemals jüdische Ghetto und die übrige Stadt zu besichtigen.
Zweieinhalb Stunden zeigt sie uns die Stadt, ohne dass es uns langweilt, dabei bekommen wir viele Einblicke in das jüdische Leben in der Vergangenheit hier, keine Frage, die wir stellen, bleibt unbeantwortet, eine vorbildliche Leistung !
Wir betreten das Viertel durch einen engen Straßeneingang, dem man heute nicht ansieht, dass es einst der einzige war.
Denn sonntags, wenn die Christen der Stadt ihren Festtag feierten, durften Juden ihren Stadtteil nicht verlassen.
Dereinst hatte zwar der Herrscher hier den Juden die Ansiedlung gestattet, aber nur in dem zugewiesenen Areal, das sich bald als viel zu klein herausstellte. Von der ansässigen Bevölkerung wurden die "Fremden" von Anfang an ausgegrenzt, aber dank ihrer kaufmännischen Begabung brachten Sie Wohlstand auf, auch dank des Kredits, den mancher örtlliche Unternehmer bei den Juden bekam.
Doch im 19.Jahrhundert wurde die Bahnlinie von Prag nach Brünn an Boskovice vorbei geleitet, damit gingen künftige Entwicklungschancen an der Stadt vorbei. Viele Unternehmer erkannten das und gründeten Schuh- und Textilfabriken in Brünn, doch die jüdischen Famiien blieben noch hier wohnen. So blieb eine jüdische Kultur sehr viel länger hier erhalten als anderswo, aber ziemlich unberührt von anderen äußeren Einflüssen..
Eigentum an Grund und Boden konnten Juden nicht erwerben, dennoch bauten sie Häuser und Wohnungen. An einer Kennzeichnung ähnlich einer Klingel an der Hauswand zeigt uns die Führerin: hier war der Rabbi zur Einweihung des Hauses gewesen und hatte - wohl auch als Zeichen der bezahlten Abgaben an die Gemeinde- sein kleines Emblem hinterlassen. Und so ein Emblem wurde bei jedem erneuten Besuch des Rabbis erneuert. Das ersetzte ein Grundbuch und stellte sicher, dass Abgaben pünktlich bezahlt wurden!
Wir besuchen die restaurierte Synagoge und das jüdische Bad.
Die Führerin händigt uns ein Bild aus gleicher Perspektive aus dem Jahr 1946 aus. Kaum zu glauben, das so ein schmucker Bau wiedererstehen konnte.
Polnische Restauratoren haben in den letzten Jahren die Wände in der verfallenen Syngoge wiederhergestellt.
In der Zeit von 1943 bis 2011 hatte das Dach der Synagoge dicht halten können, so dass fast keine Wasserschäden entstanden. Das Ergebnis ist bewundernswert.
Originell ist es allemal und das Essen preiswert und schmackhaft. Bier vom Faß gibt es über 8 Sorten zur Auswahl ! Preis pro 0,5 l: umgerechnet 1,35 €
Unsere Zeit reicht noch für einen kurzen Blick in die Stadtmitte, dann steht der Rückweg an, und der führt erst einmal wieder in den Karst hinauf. 12 % Steigung, satte mindestens 200 Höhenmeter. Erichs und meine Batterien schaffen es locker, auch wenn wir etwas aus der Puste kommen, Milos hält ohne Stromunterstützung unser Tempo mit. Harald geht den Berg mit Geduld und Ausdauer an, wir warten oben auf ihn. Auch er schafft es am Ende, ohne einmal abzusteigen.
Dieses Mal wählen wir keine Waldwege, sondern bleiben auf der Straße, etwas gewöhnungsbedürftig, wenn man wieder von Bussen und Autos teilweise hautnah überholt wird. Noch bei Sonnenchein sind wir zurück in unserem Hotel. Heute abend werden wir im Vergnügungsteil des Hotels essen und den Gästen beim Kegeln, Kartenspiel oder beim Billiard zusehen. Erstaunlich, was der Wirt aus der alten Klosterschule mit 2 Meter dicken Aussenwänden gemacht hat !
Aufbruch: | 09.10.2018 |
Dauer: | 5 Tage |
Heimkehr: | 13.10.2018 |