Waldkarpaten - wo ist das ?

Reisezeit: August / September 2020  |  von Manfred Sürig

Die Waldkarpaten entdecken

Schon auf den ersten Metern im Sattel merke ich, dass an meinem Hinterrad etwas schleift. Eine Mutter hat sich gelöst und ist weg. Links am Weg ist eine kleine Autowerkstatt, vielleicht kann man mir dort helfen. Der Meister dort lässt alle anderen Arbeiten für uns liegen und schraubt uns eine neue Mutter fachgerecht ans Rad und zieht alle anderen Muttern nach. Stani kann sich wieder auf Polnisch bestens mit dem Meister unterhalten und der freut sich, dass wir von so weit her kommen, um die Waldkarpaten zu entdecken. Wir bekommen noch ein paar Tipps, was wir auf keinen Fall versäumen sollten und ein kleines Trinkgeld für seine Hilfe müssen wir ihm fast aufdrängen.

Eingang zum Nationalpark Poloniny (Waldkarpaten)

Eingang zum Nationalpark Poloniny (Waldkarpaten)

Dann geht es bergan, wieder an die Staumauer eines Stausees

Oberhalb der Mauer haben wir einen Blick in unberührte Natur über den See hinweg. Er ist das Trinkwasserreservoir für die gesamte östliche Slowakei, deshalb kommt man an keiner Stelle zum Baden ans Wasser heran.

Oberhalb der Mauer haben wir einen Blick in unberührte Natur über den See hinweg. Er ist das Trinkwasserreservoir für die gesamte östliche Slowakei, deshalb kommt man an keiner Stelle zum Baden ans Wasser heran.

. Dann steigt es weiter an, aber Orte werden immer seltener.
Wir fahren in eine 40 Kilometer tiefe Sackgasse für Autos in den äußersten Nordosten der Slowakei. Wer hierher kommt, will nicht durchreisen, sondern die Sackgasse ist sein Ziel.
Per Auto kommt man hier weder nach Norden über die Grenze nach Polen noch nach Osten über die Grenze in die Ukraine. Kein Wunder, das das ein Revier für naturliebende Fußwanderer ist. Die müssen dafür aber auch auf touristischen Komfort verzichten, Unterkünfte gibt es nur ganz wenige, Voranmeldung ist zu empfehlen. Aber dafür kann man ein mitgebrachtes Zelt auch überall in der Natur aufschlagen und nachts einen Sternenhimmel betrachten, der hier von keinem künstlichen Licht getrübt wird.
Die finsterste Ecke Europas !
Die Straße von Snina-Stakcin nach Nova Sedlica ist der einzige Weg hinein in dieses einzigartige Revier.. Nur von dieser Straße gibt es noch zwei Abzweigungen nach Norden in einsame Walddörfer. Norwegen hat die Werbung für die Waldkarpaten gesponsort; so können wir an jedem Dorfeingang bunte Prospekte und Karten über das Land der Holzkirchen bekommen, leider selten auf Englisch, meist nur auf slowakisch.
Ich war vor 20 Jahren und vor 12 Jahren schon einmal hier, nun kann ich auch einige Änderungen sehen, die teils enttäuschend sind: Das Fahren auf der einst nagelneuen Straße erfordert höchste Aufmerksamkeit, weil immer wieder, ausgerechnet in den Kurven, das Asphaltpflaster schlecht geflickt ist. Früher war in Ulic ein Holzsägewerk, zu dem alles gefällte Holz der Umgebung gebracht wurde. Heute ist das Werk stillgelegt und alles Holz wird an einem zentralen Ort außerhalb der Waldkarpaten verarbeitet.. Kein Wunder, dass die Straße von den vielen Holztransporten mit immer schwereren Lastern viel zu sehr zerfahren wird.
Bauern, die - wie in einem Prospekt noch abgebildet - das gemähte Gras jede Nacht von Neuem zu Ständern aufhäufen gegen Feuchtigkeit und es morgens wieder in der Sonne ausbreiten, gibt es nicht mehr. Die schwere körperliche Arbeit will und kann niemand hier mehr leisten. Hinter der Grenze in der Ukraine prägen sie noch die Landschaft -deren Armut erfordert es weiter!

Leerstehende Häuser  neben sehr schön ausgebauten Wochenendhäusern - die Besiedlung ist dünner geworden.

Leerstehende Häuser neben sehr schön ausgebauten Wochenendhäusern - die Besiedlung ist dünner geworden.

In jedem Dorf hier gibt es eine Holzkirche, die vom Staat restauriert wurde und den Waldkarpaten den zusatz "Land der Holzkirchen" verschaffen

In jedem Dorf hier gibt es eine Holzkirche, die vom Staat restauriert wurde und den Waldkarpaten den zusatz "Land der Holzkirchen" verschaffen

Wir fahren durch bis zum Ende der Straße in Nova Sedlica und hoffen hier auf ein freies Zimmer in der einzigen Pension, doch angeblich ist alles besetzt. Auch das Haus, das uns empfohlen wird, vermietet nicht - aus Angst, die Touristen könnten CORONA einschleppen. Da sind wir heilfroh, das man wenigstens bereit ist, uns 24 km weiter südlich, in Ulic, in einer Pension anzumelden, wo noch ein Zimmer zu haben ist.

Der nordöstlichste Punkt unserer Reise. Ohne ein Quartier können wir hier nicht bleiben.

Der nordöstlichste Punkt unserer Reise. Ohne ein Quartier können wir hier nicht bleiben.

Stanis Absicht, von Nova Sedlica aus morgen den Dreiländerberg Kremenec zu Fuß zu erklimmen, wird dadurch zeitlich nicht zu schaffen sein außer, wenn er sein e-bike am Fuß des Berges unbewacht abstellt. Schade, und das bei einem Wetterbericht, der schönste Spätsommertage verspricht ! Bliebe für morgen aber entweder der Besuch anderer Walddörfer mit historischen Holzkirchen oder wir erkunden mal den Weg per Rad nach Süden entlang der ukrainischen Grenze, den ich von früher her noch als abenteuerlich und riskant in Erinnerung habe. Aber wenn man die Gegend hier touristisch erschließen will, dann könnte der Weg ja inzwischen komfortabel asphaltiert worden sein, Europa soll`s ja ermöglichen.

© Manfred Sürig, 2020
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Stanislaus, geboren 1951 in Wroclaw, kennt den äußersten Südosten Polens. Wie sieht es südlich davon aus, und kommt man auch in die Ukraine ? Diese Fragen werde ich ihm nicht nur beantworten, sondern das wollen wir gemeinsam erleben !
Details:
Aufbruch: 29.08.2020
Dauer: 8 Tage
Heimkehr: 05.09.2020
Reiseziele: Tschechische Republik
Slowakei
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.