Waldkarpaten - wo ist das ?
Slowakische Pußta oder: Am Rand der EU
Bis zur Grenze sind es nur etwa 15 km. Im Dorf Slemence soll die Grenze mitten durch den Ort gehen und es soll einen Fußgängerübergang geben, der sogar noch offen sein soll. Ob man den mit Rädern passieren darf ?
Wir wundern uns, wie dicht besiedelt hier die Gegend ist, die Dörfer unterwegs, Kapusianske Kl'acany und Ruska sind endlos lang und an jedem Dorfrand kommen wir an verfallenden Hütten vorbei, vor denen Wäsche hängt und massenweise Kinder spielen und uns bissige Hunde an die Räder hetzen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als mit den Füßen von der Pedale aus den Kötern in die Schnauze zu treten, worauf sie noch wütender aufschreien und weitere Köter heranlocken. Mehrfach müssen wir solche Spießrutenläufe absolvieren. Die Kinder jubeln und im Hintergrund hört man die Eltern schreien. halten Sie die Kinder nun auf oder feuern sie sie noch an ?
Wovon mögen die Menschen hier leben ? Landwirtschaft allein kann es nicht sein. In Velke Kapusany kommt eine breitspurige Eisenbahnschiene von Osten über die Grenze. Hier soll das Eisenerz aus der Ukraine zur großen Eisenhütte bei Kosice zur kommunistischen Zeit transportiert worden sein., die breite Spur soll extra bis zur Hütte verlängert worden sein und heute noch in Betrieb sein. Und die Gasleitung aus Russland und der Ukraine mündet bei Velke Kapusani in die Europäische Union. Das Verteilungszentrum ist überall ausgeschildert, aber hermetisch abgesperrt. Sind das die vielen möglichen Arbeitsplätze hier ? Oder haben nur hier Randgruppen wie die Sinti und Roma, die wir hier sehen, eine dürftige Existenzgrundlage ?
Diese Gedanken gehen uns durch den Kopf, als wir nach Velke Slemence einbiegen. ein Straßendorf, das genau nach Osten direkt auf die Grenze zuführt.
Mitten im Dorf plötzlich rechts ein riesiger, zugesperrter Parkplatz mit nur wenigen Autos drauf, geradeaus mitten auf der Dorfstaße eine Containerburg mit Grenzkontrollbüros.
Als Fußgänger käme man durch die engen Treppenaufgänge, für Radfahrer unmöglich. Ein paar Tafeln am Wegesrand informieren über die Entstehungsgeschichte dieses Übergangs mitten in der Ortschaft.
An Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der östliche Teil der noch jungen Tschechoslowakei mit einem Federstrich auf der Landkarte von Nord nach Süd abgetrennt und der Sowjetunion zugeschlagen. Da der Strich zufällig mitten durch das Dorf Slemence ging, wurde das Dorf in der Mitte getrennt und die beiden Teile hatten bis 1991 keinerlei Kontakte mehr miteinander. Auch die "Bruderstaaten" der Sowjetunion hatten Stacheldraht an ihren Grenzen genau wie mitten in Deutschland
Nach der Wende 1991 gelang es nach schwierigen Verhandlungen den Dorfbewohnern, wieder miteinander Kontakt zu halten. Es wurde eine Fußgängerüberwegung geschaffen mit Grenzkontrollen. In den Jahren danach zählte die Statistik bis zu 700 000 Grenzpassagen pro Jahr
Grenzübergang slowakische Seite mkit halbem Holztor..
.Verstohlener Blick nach "drüben":Ukraine. Halbe Holztore auf jeder Seite der Grenze sollten die ungewollte Teilung demonstrieren und wurden zum Anziehungspunkt fotografierender Touristen.
Doch die Statistik der letzten Jahre ist stark rückläufig: Die älteren Dorfbewohner, die noch Verwandte und Bekannte auf der "andern Seite" haben, sind gestorben, der Bedarf für regelmäßige Besuche besteht nicht mehr. Hinzu kommt: Die Älteren in der Ukraine sprachen noch ihre Muttersprache Slowakisch oder ungarisch, seit 1945 bis 1991 waren beide Sprachen dort verboten, die jüngere Generation kann sich allenfalls auf Russisch, Ukrainisch oder Englisch verständlich machen.
Wir sehen nur wenige Fußgänger aus der Ukraine kommen, mit leeren Einkaufstaschen, sie steigen in Autos mit slowakischen Kennzeichen und brausen davon, später sehen wir ein anderes Auto, aus dem Leute mit vollen Einkaufstaschen aussteigen und zielgerecht auf den Grenzübergang zusteuern.
Vielleicht heute nur noch ein Schlupfloch für etwas mitnehmbaren Wohlstand aus dem Westen -aber wohl nur für Leute mit den richtigen Kontakten......
Wegen der CORONAsperre riskieren wir keinen Spaziergang auf die Ostseite nach Mali Selmenci, denn wir wissen nicht, ob man uns auf dem Rückweg dann in eine Quarantäne verbannen würde.
So radeln wir zurück zu unserem Quartier, treten erneut nach Hundeverfolgern unterwegs und gönnen uns noch zwei besonders preiswerte Biete 0,5 Liter für 1,00 €, aber ab 21 Uhr ist Schanksperre und alle Lichter gehen aus.
Frühstück gibt es nicht in unserem Hotel.
Wir kaufen gegenüber in Tante-Emma-Läden ein und werden irgendwo in der Natur picknicken.
Und die Natur finden wir wieder !
Kaum haben wir den abgesperrten Komplex der Gasverteilungsanlage passiert, führt die Straße durch einen nicht enden wollenden Sumpfwald, an dessen Ende wir über die Latorica kommen, ein träges Flüsschen, das hier parallel zur Theis fließt, die wie die Theis aus den Karpaten kommt.. Hohe Deiche, die aber weit vom Ufer des Flusses entlang führen, säumen Sumpfwald und stille Gewässer.
Es gibt wenige ausgeschilderte Wege durch diesen Nationalpark und ausgerechnet der Weg, den wir nach unserer Karte fahren möchten, ist nicht ausgeschildert. Er müßte auf dem Deich erneut zur ukrainischen Grenze führen und vorher sollte es eine Möglichkeit der Abkürzung nach Süden nach Cierna an der Theis geben.
Trotz schönsten Spätsommerwetters sind wir weit und breit die einzigen Radler. In den nächsten Stunden sehen wir nur einen jungen Mann, der Holz gesammelt hat und es mühsam nach Hause bringt, wo immer dieses Zuhause auch sein mag
Der Weg auf dem Deich dient wohl nur der Landwirtschaft zu Heuabholen, er wird immer stärker zugewachsen, bis wir an ein Schild stoßen: Hranica !
.Und 100 Meter weiter stößt der Weg in Wildnis mit zwei bunten Grenzpfählen.
Unsere Abkürzung nach Cierna nad Tisou kann nur über grüne Wiesen führen, mit Gepäck etwas mühsam, aber die Batterie kann es leisten Ein Fußgänger mit Fernglas begegnet uns, wir fragen ihn nach einem Weg und erhalten eine detaillierte Auskunft, wie wir sie so gar nicht erwartet hätten. Es gibt also Ortskundige hier !
Wir stoßen wieder auf die Hauptstraße, die an einem riesigen Güterverschiebebahnhof entlangführt, dem Grenzbahnhof zur Ukraine, wo alle Güterwagen auf eine andere Gleisbreite eingestellt oder umgeladen werden müssen. Nun fahren wir wieder nach Westen, haben wieder eine leere breite Straße für uns allein. Einen kleinen Umweg in die ungarische Pußta können wir leider auch nicht machen, denn wir hören, dass wegen CORONA kürzlich die Grenze geschlossen wurde. Also sind wir wieder in einer Sackgasse, geniessen aber ansonsten alle Freiheiten.
Nur wie lange noch ? Dass wir uns hier irgendwo selbst anstecken könnten, kommt uns nicht in den Sinn, aber ein Lock down auf der Rückfahrt könnte uns zum Verhängnis werden, was dann ?
So beschließen wir, die Rückreise so bald wie möglich zu planen und zu versuchen, noch heute Kosice zu erreichen, dort werden wir weitersehen.
Immer entlang dem Naturpark Latorica besichtigen wir noch, was es hier zu sehen gibt Dörfer mit Häusern auf Warften, die bei früheren Hochwassern wochenlang wie Inseln in der Landschaft standen.
: Eine Brücke aus dem Mittelalter, die heute über einen toten Arm der Latorica führt,
und immer neue Naturschutzgebiete mit seltenen Sumpfpflanzen
....... bis wir in Slovenske Nove Mesto auf einen Grenzübergang nach Ungarn nach Satoraljaulheli stoßen. Dort müssen wir haarscharf entlang, um den letzten slowakischen Bahnhof zu erreichen, von dem aus in wenigen Minuten ein Zug nach Kosice fahren wird.
Dazwischen darf das gute slowakische Bier nicht fehlen
In Kosice gelingt es uns sofort, noch für heute Abend einen Nachtzug nach Prag zu buchen, obwohl es Samstag meistens ausgebucht sein soll.. Dank unserer Alters-Bahncard können wir bis Cadca sogar gratis fahren, für die Reststrecke zahlen wir zusammen gerade einmal 28 Euro incl. Fahrrädern.
Im Bahhofsrestaurant genießen wir in herrlicher Abendsonne einen Abschied mit Blick auf Stadt und Land, mit dem wir unsere Reise trotz einger Schwierigkeiten fast schon euphorisch abschließen. Dabei merken wir gar nicht, dass wir hier coronabedingt fast die einzigen Gäste sind, die aber hervorragend bedient und bewirtet werden
Auf dem Bahnsteig können wir in aller Ruhe einsteigen und haben reichlich Platz. Gegenüber startet etwas früher ein weiterer Zug der Konkurrenz von Regio Jet mit 18 Wagen, in dem ganze 6 Passagiere mitfahren. Die Furcht vor CORONA hat alle Reisenden vertrieben.
Da wurde es wohl auch für uns Zeit, aufzuhören, auf dem Höhepunkt unserer Radtour. Die Tatra, weder die Hohe noch die Niedere, die sonst das touristische Ziel in der Slowakei bildet, haben wir nun weder auf der Hinreise noch auf der Rückreise gesehen -schade, aber ein Grund mehr, später mal wieder dorthin zu fahren !
Aufbruch: | 29.08.2020 |
Dauer: | 8 Tage |
Heimkehr: | 05.09.2020 |
Slowakei