Unterwegs auf der Route 66
Route 66 und der Grand Canyon
Ich habe herrlich in meiner erhöhten Alkove geschlafen, doch pünktlich um fünf Uhr bin ich hellwach. Auch Jürg ergeht es nicht besser und so geniessen wir das Erwachen des Morgens draussen vor unserem Camper. Gerade wirft die Sonne ihre ersten Strahlen über das Wüstengebirge und lässt das Wasser wie tausend Diamanten glitzern. Jürg kocht uns Kaffee und so sitzen wir gemütlich draussen und erfreuen uns an der herrlichen Stimmung.
Irgendwann werden wir hungrig und geniessen unser leckeres Frühstück an der frischen Luft. Als völliger Neuling im Campingleben muss ich zugeben, dass ein solches Frühstück in keinem Restaurant zu überbieten ist.
Irgendeinmal bekommen wir von Mäthu Besuch. Auch sie haben die erste Nacht gut überstanden. Eva ist am Meditieren und Mäthu berichtet schon von der nächsten Panne: seine Badeschlarpen sind beim ersten Gebrauch gleich kaputt gegangen und wir können auch noch was dazu beizusteuern: die Ladestation für die Walki Talkis funktioniert nicht... Wetten darüber wie manche Panne uns noch erwarten, werden entgegengenommen...
Gegen Neun Uhr geht's los. Beide Campers sind startbereit und wir checken an der Rezeption aus. Ein liebenswertes Grosi nimmt unsere Badehauskarte entgegen und meint "oh Ihr seid die Schori's?". Wir scheinen da schon eine lokale Berühmtheit zu sein, warum auch immer... lieber nicht darüber nachdenken!
Und dann geht sie los: unsere erste grosse Tour! Zwei stolze grosse Camper fahren hintereinander über die endlosen amerikanischen Freeways. Das hört sich toll an! Kaum angefahren schellt das Handy und Ueli ist am Apparat. Als alter Amerika-Freak will er natürlich genau wissen, wo wir sind, wie's uns geht und was wir grad so anstellen.
Die ersten Meilen bringen uns an den eindrucksvollen Hoover Dam und wir staunen nicht schlecht als wir sehen, dass ein riesiger Freeway über die imposante Schlucht gebaut wird.
Der Hoover Dam staut den berühmten Colorado und bildet hier an der Grenze von Nevada zu Arizona den Lake Mead. Gebaut wurde der Damm zwischen 1931 und 1935 und ist 221 Meter hoch. Auch die Dicke des Damms beeindruckt. Oben misst der Durchmesser 14 Meter, unten ganz 201 Meter. Bis zu 10 000 Liter Wasserdurchfluss pro Sekunde sorgen für die Produktion des Stroms für Las Vegas und Südkalifornien.
Der Hoover Dam ist natürlich eine grosse Touristenattraktion und so fahren endlos Autos, Campers und Motorfahrräder die kurvige Strecke zum Damm hinunter. Doch nicht genug: Bevor wir überhaupt zum Damm fahren dürfen, geraten wir in eine Kontrolle. Polizisten nehmen unsere Fahrzeuge ausgiebig in Augenschein und ich erkundige mich mal, was das soll. Nun, man schaut, ob wir keinen Sprengstoff oder sonstige gefährliche Materialien über den Damm transportieren. Terrorangst! Es ist wirklich kaum zu glauben...
Jedenfalls werden wir als unbedenklich eingestuft und dürfen über den Damm fahren. Auf der anderen Seite schalten wir einen Halt ein damit wir uns in Ruhe den stahlblauen See und den Bau des eindrücklichen Hoover Dam Bypass anschauen können.
Auf einem anderen Parkplatz weiter oben gibt es ein riesiges Treffen von Harley Freaks. Langsam fahren wir daran vorbei und staunen nicht schlecht über die ausgeflippten und exotischen Typen. Harley Freunde sind wahrlich ein Völklein für sich.
Die Fahrt geht weiter! Sie führt uns langsam aus den Wüstenberge hinaus in eine weitläufige Ebene hinein. Starker Seitenwind lässt unseren Camper ziemlich hin- und herschwanken und Jürg hat viel damit zu tun, das Fahrzeug in der Spur zu halten. Immer wieder pfeift das Walki Talki und wir geben die letzten News von Camper zu Camper weiter. Die Dinger sind wirklich toll (und mit Batterien funktionieren sie auch)!
Wir stellen fest, dass Camperfahren ganz schön ermüdet. Mit einem PW spürt man den Wind nicht so stark und zudem macht das Innenleben des Campers ganz schön Krach! Überall scheppert es, vorallem im Küchenbereich. Da werden wir dagegen noch etwas unternehmen müssen...
Nach 70 Meilen Fahrt erreichen wir östlich von der Mojave Wüste die historische Stadt Kingman, welche an der berühmten Route 66 liegt. Die Stadt entstand im 19. Jahrhundert durch den Fund von Gold und Silber in den umliegenden Bergen. Im zweiten Weltkrieg erlang Kingman zudem eine wichtige Bedeutung als wichtiger Stützpunkt der U.S. Air Force Base. 1960 entstanden die landesweiten Interstates, was den Untergang der alten Route 66 bedeutete. Der Verkehr rauschte nun auf dem neuen Freeway 40 an Kingman vorbei und die Stadt geriet immer mehr ins Abseits. In den letzten Jahren wurde aber die nostalgische Bedeutung der Route 66 und damit von Kingman wieder grösser und so lebt die Stadt heute ganz gut vom Tourismus.
Bei einem grossen Travelcenter schalten wir einen Halt ein. Dann geht's auf den Freeway 40 durch die Weiten Arizonas. Es ist eine höchst malerische Strecke. Immer wieder führt uns der Freeway in die Berge hinein und dann rasant wieder in eine weitläufige Ebene. Es ist unglaublich schön! In viele Richtungen ballen sich Gewitter zusammen und Blitze zucken über schwarze Wolken hinweg. Spannend!
Plötzlich funkt Mäthu! Der Motor mache irgend ein komisches Geräusch. So verlassen wir in Seligman den Freeway, fahren ins Städtchen hinein auf einen grossen Parkplatz. Die beiden Männer schauen sich den Motor näher an, doch sie finden nichts. So entscheiden wir uns zur Weiterfahrt.
115 Meilen fahren wir auf dem Freeway bis nach Williams. Ab und zu durchfahren wir eine Gewitterfront und geraten in Regen, doch schon bald ist die Strasse wieder trocken. In Williams verlassen wir den Freeway. Unsere Camper brauchen Benzin. Bei der ersten Shell Tankstelle halten wir an und erkundigen uns, ob wir für die Bezahlung Traveller Checks benützen können. Sehr unfreundlich werden wir abgewiesen. Wer nicht will hat gehabt... Also geht's weiter nach Williams hinein, einem höchst malerischen Wildwest Städtchen. Und bei einer anderen Tankstelle können wir endlich unsere Fahrzeuge tanken. Mann, die schlucken vielleicht was!
Die letzten 60 Meilen geht's auf den Highway 64 nordwärts. Wieder durchfahren wir eine Gewitterfront. Die Wetterstimmungen sind wirklich eindrücklich! Die weite Ebene wird durch einige wenige Berge am Horizont durchbrochen, sonst begleiten uns nur Büsche und niedrige Bäume.
Nach einer Stunde erreichen wir Tusayan, ein Städtchen, das in uns viele Erinnerungen weckt, waren wir doch vor 19 Jahren mit Märu und Beat hier. Unser erster Besuch des Grand Canyons. Seither hat sich vieles verändert und der Grand Canyon kämpft mit der Touristenflut, die kaum zu bändigen ist. Da wir noch ein verlängertes Feiertagswochenende haben, ist die Menschenansammlung besonders schlimm!
Gott sei Dank haben wir eine Reservation für das Trailer Village, das "no vacancy" Schild hängt an vielen Einrichtungen! Langsam durchqueren wir das Grand Canyon Village. Autos parken nicht nur auf den ausgeschilderten Parkplätzen sondern auch überall am Strassenrand. Das Durchkommen ist wirklich schwierig.
Endlich erreichen wir die Rezeption des Trailer Village und erhalten unsere beiden Plätze zugewiesen. Auch hier zeugt ein Schild davon, dass die Plätze restlos ausgebucht sind. Leider sind unsere beiden Standorte nicht nebeneinander wie wir es uns gewünscht haben. Doch immerhin haben wir Sichtkontakt. Das ist doch schon etwas!
Und wieder zelebrieren wir das "stellen" unseres Campers. Es klappt bereits hervorragend. Die Aufgaben sind klar verteilt und schon bald sind wir gemütlich eingerichtet!
Das Wetter eignet sich heute nicht zum Grillieren. Mit dem Grand Canyon Bus fahren wir zum Shoppingcenter, wo wir unser Abendessen einkaufen. Eva und Mäthu entscheiden sich für Rösti und Jürg und ich für Hörnli mit Spiegeleier. Es ist für mich schon ungewohnt jeden Tag selber zu kochen. Aber irgendwie macht es auch Spass! Mit gefülltem Rucksack verlassen wir das Einkaufszentrum und stellen fest, dass die Wolken aufreissen. Das schreit ja direkt nach einem der berühmten Sonnenuntergänge! Ich überzeuge meine Mitreisenden zu einem kleinen Abstecher zum Yavapai Point. Der Bus führt uns gratis dorthin.
Und plötzlich stehen wir davor: der grössten Schlucht der Welt. Der Anblick ist überwältigend. Zum vierten Mal stehen wir vor einem der schönsten Naturwunder der Welt, und es ist immer wieder ein herrliches Erlebnis.
Gemütlich spazieren wir dem schönen Rim Trail entlang zum Grand Canyon Village. Das Wetter wird immer schöner und die Sonne sinkt langsam dem Horizont zu. In meiner Euphorie für den Grand Canyon unterschätze ich die Wanderroute zum Grand Canyon Village und schon bald nörgeln drei hungrige Mitreisende herum. Ich hätte das wieder extra gemacht, weil ich unbedingt den Sonnenuntergang sehen wolle. Das kommt natürlich von meinem Göttergatten, der sich nach seinen Hörnli und Spiegeleier verzehrt. Männer...
Pünktlich zum Verschwinden der Sonne erreichen wir das Grand Canyon Village und die imposanten Felsen erstrahlen in den schönsten Farben in den untergehenden Sonnenstrahlen. Es ist ein traumhafter Anblick, was selbst die nörgelnde Truppe eingestehen muss... Doch sobald die Sonne verschwunden ist, werde ich unsanft Richtung Bus gestoßen, Genug ist genug! Hunger!!
So kommen wir in einbrechender Dunkelheit endlich wieder bei unseren Campers an und Jürg erhält seine ersehnten Hörnli, dazu ein feines Glas Wein. Das war ein langer Tag und müde fallen wir in die Federn. Wir befinden uns auf rund 2100 Meter über Meer und entsprechend wird es schnell kalt im Camper. Da hilft nur sich warm anlegen und ins Bett kuscheln. Gute Nacht!
Aufbruch: | 21.05.2009 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 16.06.2009 |
Route 66