Wild West im Motorhome und eine Woche NY
Nun können unsere Ferien beginnen...
Unsere erste Nacht im Camper! Feststellung Nummer eins: die Matratze ist ziemlich hart! Feststellung Nummer zwei: unmittelbar neben meiner Liege befindet sich ein Schrank mit Spiegel, und es ist wirklich schräg, wenn man sich im Bett dreht und dann plötzlich sich selber sieht! Aber ich habe tief und gut geschlafen, was bei meiner Müdigkeit nicht weiter erstaunlich ist.
Es ist fünf Uhr und wir sind wie gewohnt dank Jet Lag hellwach. Es sind aber genau diese Morgen, wo man erleben kann wie der Tag erwacht. Also raus aus den Federn und hinaus in die Natur! Die Stimmung ist herrlich! Eine dunkle Wolkendecke schwebt über dem Lake Mead und die Sonne sendet ihre ersten Strahlen über das Wüstengebirge. Wie ein goldener Teppich glitzert ein Teil des Sees zu uns hinauf. Wir setzen uns vor den Camper und geniessen diesen wunderbaren Tagesbeginn. Die aufgehende Sonne verwandelt den See und die Wolken mit jeder Minute in schönere Farben. Es ist eine dieser Momente, wo die Zeit einfach stehen bleiben sollte. Und mit einer heissen Tasse Kaffee ist die morgendliche Idylle definitiv komplett!
Mit jeder Minute wird es wärmer und wärmer. Gemütlich machen wir unser Frühstück parat: Toast, Butter, Confi, Schinken, Orangensaft und Kaffee. Es ist einfach nur herrlich vor dem Motorhome am Campingtisch zu sitzen und in der aufgehenden Sonne zu frühstücken. Alle schlechten Gedanken von gestern, wo ich das Campingleben verflucht habe, sind verflogen. Lange sitzen wir hier und beobachten die erwachende Natur. Plötzlich hoppeln unterhalb von uns im Gebüsch zwei süsse Hasen an uns vorbei. Sie sind ziemlich mager und haben riesig lange Ohren. Fasziniert beobachten wir die beiden Langohren bis sie plötzlich wieder verschwunden sind.
Die Hitze nimmt schnell zu. Als die Sonne hinter einer Wolkendecke verschwindet, entscheiden wir uns zu einem morgendlichen Spaziergang. Unser Motorhome steht in der "Luxusabteilung" des Campingplatzes mit allen Anschlüssen. Unser Spaziergang führt uns zu den wirklichen "Naturfreunden", die in Zelten oder kleineren Motorhomes hausen ohne den Komfort von Wasser- und Stromanschluss zu haben. Es ist ziemlich was los. Überall schälen sich die Leute aus ihren Behausungen und machen ihr Frühstück parat.
Unser Weg führt uns hinunter an die Gestade des Sees. Hatte es auf dem Campingplatz noch Bäume und Sträucher gibt es hier nur noch die öde Wüste. Der Strand ist öffentlich. Schon viele Leute sind mit Sack und Pack am Wasser eingerichtet und immer wieder fahren Autos mit Booten oder Jetskis heran um den Tag zu geniessen. Es ist Memorial Day Weekend und da fahren die Menschen hunderte von Kilometern um an ihrem bevorzugten Platz ein paar nette Tage zu verbringen.
Wir spazieren dem See entlang und beobachten die vielen Familien, die ihre ganze Habe auspacken um den Tag anzugehen. Es ist zu lustig. Dann steht uns der Aufstieg zum Campingplatz wieder bevor. In der Zwischenzeit brennt die Sonne richtig heiss hinunter und wir sind froh als wir wieder den Schatten der Bäume erreichen. Puh!
Unterwegs rufe ich Vreneli an. Sie hat unsere SMS nicht erhalten und so erfährt sie erst jetzt, dass Mäthu nicht mit uns fliegen konnte. Auch unser Kater Roli hat gleich mal bewiesen, dass Katzenhaltung anspruchsvoll ist. Gestern brachte er einen lebenden Vogel nach Hause und es entwickelte sich ein zermürbender Kampf um den Vogel zu retten. Aber anscheinend haben sie es geschafft. Die Vorstellung Mama und Papa durch die Wohnung düsen zu sehen um Kater und Vogel in Schach zu halten ist zu lustig!
Zurück beim Camper brennt die Sonne weltmeisterlich herunter. So mache ich es mir im Camper im kühlen Lüftchen der Klimaanlage bequem. Ich probiere mal die Alkove oberhalb des Fahrersitzes aus. Die Matratze scheint hier weicher zu sein. Ich schnappe mir mein Buch und ein Kissen und mache es mir dort oben bequem. Ich lese "Biss zum Morgengrauen", der erste Teil der Twilight Sage, und es ist so was von spannend! Aber lesen macht auch müde und so nicke ich immer wieder dazwischen ein. Auch Jürg ist es draussen zu heiss, so dass er sich auf unser Sofa legt und ebenfalls ein wenig schläft.
Doch um halb zwölf machen wir uns für die Fahrt nach Las Vegas parat. Und da wir nicht einfach ein Auto haben, müssen viele Dinge vorher erledigt werden: Strom und Wasser abhängen, Slide Outs einziehen, alle Dinge, die herumliegen, versorgen, überprüfen, ob alle Schränke geschlossen sind, Vorhang hinter dem Führersitz entfernen und alle Dachluken schliessen. Dieses Prozedere wird uns durch die ganzen Ferien begleiten und schnell wird klar, wer was erledigt.
Um nach Las Vegas zurückzukehren entscheiden wir uns für einen anderen Highway als gestern. Dem Lakeshore Drive entlang umfahren wir ein Wüstengebirge und gelangen über den Highway 564 nach Henderson in den South Boulder Highway. Die Gegend ist wirklich knochentrocken und gerade deswegen höchst reizvoll. Doch es erstaunt uns immer wieder wie Geld eine Wüste erblühen lassen kann. Ein künstlicher See namens Lake Las Vegas wurde extra für einen exklusiven Golfplatz erschaffen und drum herum befinden sich teure Hotels und Appartements. Palmen, herrliche Rasenflächen und viele Blumen verschönern die Gegend. Und übergangslos befindet man sich plötzlich wieder im trockenen Wüstenstaub. Woher die wohl immer das Wasser nehmen für solchen Luxus?
Schon bald erblicken wir das grosse Schild von Wall Mart und auf dem Parkplatz steht auch schon ein gleicher Road Bear Camper wie unser. Doch niemand ist dort. Also rufen wir mal Eva an um festzustellen, dass sie noch bei Road Bear sind und ca. in einer Viertelstunde bei uns eintreffen werden. In der Zwischenzeit kommen vier Leute daher, denen der Camper offensichtlich gehört und wir staunen nicht schlecht als wir Berndeutsch hören. Die Leute sind schon länger unterwegs und haben den Wagen in San Francisco gemietet. Nach einem freundlichen Gespräch geht's weiter.
Wir haben noch einiges einzukaufen unter anderem eine Decke. Wenn wir nämlich getrennt schlafen wollen, fehlt uns eine, da man generell bei der Vermietung nur eine erhält. Und dann sind da auch noch ein paar Kleinigkeiten, die wir gestern vergessen haben. Als wir grade den Laden betreten wollen, klingelt unser Handy und Eva meldet, dass sie da seien.
Ist das ein Anblick! Zwei schöne Road Bear Camper stehen auf dem grossen Parkplatz nebeneinander und aus dem einen steigen strahlend Eva und Mäthu. Es gibt es riesiges Hallo! Endlich können wir unsere Ferien zusammen angehen. Mäthu sieht erstaunlich munter aus für den Marathon, der er hinter sich hat und auch Evchen strahlt wie ein Marienkäfer. Wenn Leute unsere Begrüssung beobachten, denken die sich sicher, wir hätten uns Jahre nicht gesehen. Und irgendwie fühlen wir uns auch so!
Zusammen geht's nun an die Einkäufe. Auch Eva und Mäthu benötigen viel Zeit um an alles zu denken. Uns ging's gestern nicht anders. Und auch sie wollen noch eine zweite Decke kaufen um getrennt schlafen zu können. Nach einer Stunde wird es mir plötzlich komisch im Magen. Oi oi ... mein bekannter Blutzuckerspiegelsturz! Ich verabschiede mich kurz von den drei andern und düse zu dem kleinen McDonald, wo ich einen Cheeseburger und etwas Wasser geniesse. Und siehe... sofort fühle ich mich wieder wohler.
Irgendeinmal haben wir es geschafft. Da die andern in der Zwischenzeit auch hungrig sind, geht es noch einmal zu McDonald.
Dann geht unsere gemeinsame Fahrt los! Mäthu ist froh, dass er Jürg hinterher fahren kann. Er ist über 50 Stunden auf den Beinen mit ab und zu ein wenig Schlaf. Das sind keine guten Voraussetzungen für längere Fahrten. Eigentlich wollte ja Eva das Fahren übernehmen. Doch bei Road Bear musste sie feststellen, dass sie den Führerausweis zuhause vergessen hat. Tja, unsere Pannen scheinen sich fröhlich weiterzupflanzen. Damit wir ja nichts vergessen, beginne ich alles aufzuschreiben. Ein paar Sachen haben wir nun schon zusammen und wir ahnen, dass noch ein paar weitere dazu kommen werden... wie zum Beispiel dass Eva und Mäthu schon gegenseitig Travellerchecks falsch unterschrieben haben, was uns in weitere Lachkrämpfe ausbrechen lässt.
So übernimmt Mäthu das Fahren und wir führen die Beiden über den Wüstenhighway an den Lake Mead. Um halb vier treffen wir ein. Die beiden erhalten ihren Platz zugewiesen, der sich ein wenig oberhalb unseres Standortes befindet, und auch wir kehren zu unserem schönen Platz zurück, wo wir uns wieder einrichten: Slide Outs raus, Wasser, Strom und Toilette anhängen, Klimaanlage in Gang setzen und die restlichen Einkäufe wieder versorgen. Schon bald haben wir alles erledigt und machen es uns im Schatten des Campers auf unseren Campingstühlen bequem.
Evi und ich nutzen unser neues Kommunikationsinstrument rege aus. Jürg kaufte zuhause zwei Walki Talkis, damit wir nicht teure Handykosten haben, wenn wir miteinander unterwegs reden wollen. Ein wirklich genialer Gedanke! Immer wieder piepst es und Eva teilt uns mit, was sie gerade anstellen, suchen oder nicht verstehen. Es gibt viel zu lachen! Die Müdigkeit tut das seine dazu.
Der Abend ist wunderschön! Gestern war der See sehr hell. Heute ist das Wasser tiefblau und die umliegenden Wüstenberge erstrahlen in einer unglaublichen Klarheit. Es windet sehr stark. Unten am Strand werden immer wieder Sandwolken herumgeweht. Doch das hält die Leute nicht von ihrem Weekend ab. Der Strand ist in der Zwischenzeit bumsvoll. Auf dem Wasser wird geschwommen, gesurft oder mit einem der Spielzeuge herumgedüst. Überall wird grilliert. Doch wir haben keinen Lärm, denn das Ufers des Sees ist ziemlich weit weg. Gut so!
Irgendwann gesellen sich Mäthu und Evi zu uns. Die Männer feuern den Grill an und wir Frauen decken den Tisch. Unser erstes gemeinsames Abendessen und dann noch an einem so schönen Ort bei so schönem Wetter. Wir sind privilegierte Leute! Schon bald sitzen wir gemütlich am grossen Picknicktisch und geniessen das erste Essen: Mäthu ein T-Bone-Steak, Eva Shrimps, Jürg und ich Hühnchen. Dazu gibt es Salat, Chips und eine von Eva und Mäthu gespendete Flasche Wein. Es ist ein wunderbarer Abend. Jedenfalls solange bis die nächste Panne ihren Weg zu uns findet:
Eva und ich decken ja den Tisch. Dafür müssen wir immer wieder in den Camper und wieder hinaus. Und plötzlich ist die Tür zu und ... verschlossen! Oi oi... Jürg kann es kaum fassen! Camper verschlossen und Schlüssel drin. Es wird so was von hässig und ich kriege zuerst mal eine gehörige verbale Abreibung, dabei habe ich keine Ahnung wie so was überhaupt passieren konnte! Richtig wütend rüttelt er an jedem der Fenster bis sich an einem plötzlich der Schliessmechanismus löst und man das Fenster öffnen kann. Soviel zu Einbruchsicherheit... Nun muss Eva ran! Jürg hebt sich hoch und schiebt sie in das Wageninnere, wo sie die Türe wieder entriegeln kann. Jürg stapft sofort in den Camper, schnappt sich den Schlüssel und hängt ihn um den Hals "wo er ihn die ganzen Ferien nicht mehr ablegen werde...".
Nachdem ich mir noch einmal eine Standpredigt anhören durfte (und ich immer noch nicht weiss wie ich das getan haben sollte...), können wir endlich mit unserem gemütlichen Abend weiterfahren. Ein erfolgreicher Eintrag mehr im Büchlein...
Wir haben ja noch eine Besonderheit bei uns: Wir alle lieben guten Kaffee und so schön das Reisen in den USA sein mag, von Kaffee haben sie mehr oder minder keine Ahnung! Also haben Eva und Mäthu eine kleine Nespresso Maschine im Gepäck und Jürg und ich die Kapseln, damit wir immer leckeren Kaffee geniessen können. Ich weiss, das hört sich nun so richtig schön dekadent an. Aber über diese Idee freuten wir uns schon lange wie kleine Kinder. Jedenfalls freuen wir uns so lange bis wir die erste Tasse geniessen wollen und feststellen, dass wir keinen dreipoligen Stecker Europa/USA haben. Ich spurte sofort ins Auto um mein Büchlein zu holen: NOCH EINE PANNE! Wir sind wirklich Asse!!
Kennen Sie werter Leser "Murphys Law"?
Murphys Gesetz heißt in der bekannten Form:
"Alles, was schief gehen kann, wird auch schief gehen." ("Whatever can go wrong, will go wrong." )
Herr Murphy erhielt dafür den Ig-Nobelpreis, eine satirische Auszeichnung der Harvard University in Cambridge, den so genannten Anti-Nobelpreis. Ich finde zu unrecht! Wir sind der beste Beweis dafür, das sein Gesetz absolut den wissenschaftlichen Tatsachen entspricht...
Um acht Uhr sind wir alle auf den Felgen. Was für ein ereignisreicher Ferienanfang und was für ein ereignisreicher Tag. Dies alles zollt seinen Tribut. Müde verabschieden wir uns voneinander. Morgen haben wir 250 Meilen vor uns und da wollen wir fit sein. Abfahrtszeit entscheiden wir um neun Uhr.
Der restliche Abend wird in unserem Camper ein wenig kühl, und dies nicht wegen der Klimaanlage. Irgendwie bin ich immer noch sauer wie Jürg sich mir gegenüber benommen hat wegen der verdammten Tür. Und obwohl er sich dafür entschuldigt hat, schmolle ich vor mich her. Da ist ja gut haben wir uns für getrennte Betten entschieden. Ich murkse mich auf die Alkove und wickle mich in meine neue Decke um zu schlafen. Guet Nacht!
Aufbruch: | 21.05.2009 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 16.06.2009 |
Route 66