Wild West im Motorhome und eine Woche NY
New York - zweiter Tag
Um acht Uhr klingelt der Wecker und um neun Uhr sitzen wir zusammen mit Eva und Mäthu im hoteleigenen Restaurant und geniessen das wirklich leckere Buffet. Mäthu und Eva sehen leicht übernächtigt aus. Anscheinend checkte nachts um zehn Uhr eine Gruppe von jungen Tänzerinnen aus Québec ein, welche gleich mehrere Stockwerke beanspruchte. Und das ging natürlich nicht ohne entsprechenden Lärmpegel vor sich. Man lachte, sprach laut und entdeckte, dass die Türen wunderbar laut zugeknallt werden können. Ermahnungen von Begleiterinnen brachte da wenig. Die Mädels genossen sichtlich den Ausflug nach New York und Mäthu und Eva lagen hellwach im Bett und ärgerten sich entsprechend, was wir mit Sicherheit auch getan hätten.
Heute steht das höchste Gebäude von New York auf unserem Ausflugsplan: das Empire State Building. Da sich der berühmte Wolkenkratzer nur ein paar Blocks entfernt von unserem Hotel befindet, machen wir uns per pedes auf. Immer wieder erblicken wir das imposante Gebäude durch die Strassenschluchten und plötzlich stehen wir vor dem Eingang.
Nun, das Empire State Building ist nicht nur für die atemberaubende Aussicht auf den Big Apple bekannt, sondern ebenso berüchtigt für die Wartezeit bis man auf dem Top of the World ankommt. Doch wir haben eine Geheimwaffe in der Handtasche: ein Express-Pass! Zuhause im Internet habe ich mich natürlich über viele Dinge schlau gemacht. Und dort habe ich entdeckt, dass man sich über Internet ein Express-Ticket kaufen und ausdrucken kann. Kostet zwar ein wenig mehr, aber wir gehen mal davon aus, dass sich dies lohnt.
Ein Ausflug aufs Empire State Building bedeutet, zuerst mal ein Ticket ordern, dann den Sicherheitscheck überstehen (der jedem Flughafen alle Ehre macht...), dann geht's zum Lift Nummer eins, weiter zum Lift Nummer zwei und irgendwann steht man dann auf 320 Meter über Meer im 86. Stockwerk auf der berühmten Plattform. Nur eben bis es so weit ist, steht man an jedem Punkt Schlange, mal länger und mal weniger lang. Winkt man aber mit dem Express-Ticket (das man notabene hier nicht kaufen sondern nur über Internet ordern kann...), gehört man zu den ausgewählten Leuten, die von den Angestellten sofort abgeholt und neben den ganzen Menschenkolonnen vorbeigeschleust werden. Man darf sich dann beim Sicherheitscheck sofort in die erste Reihe stellen und auch bei den Fahrstühlen wird man vor alle Wartenden platziert. Das weckt sehr unterschiedliche Gefühle: Einerseits unbändige Freude, dass man alle Leute überholen kann, andererseits ein schlechtes Gewissen, weil man eben alle armen Leute überholt hat und dann auch ein wenig Angstschweiss, weil man die bösen Blicke im Rücken spürt. Aber ganz ehrlich: die schadenfreudigen Gefühle überwiegen...
Tja, und so stehen wir bereits nach zehn Minuten auf der berühmten Plattform und geniessen die wirklich grandiose Aussicht. Das Wetter ist ein wenig gemischt. Bewölkung herrscht vor, aber auch Sonnenstrahlen finden ab und zu den Weg hinunter. Es hat wirklich unglaublich viele Menschen hier oben. Doch es ist auch immer Bewegung in der Menschenmasse, so dass man immer wieder eine Lücke findet, wo man dann direkt am Abgrund steht und einen tollen Blick in die Strassenschluchten hat.
Im Januar 1930 begannen die Bauarbeiten. In einem atemberaubenden Tempo von 4,5 Stockwerken pro Woche gewann das Gebäude an Höhe. Über 3000 Bauarbeiter waren daran beteiligt und nach 18 Monaten war der Bau beendet. Er ging als einer der grössten Ingenieurleistungen in die Geschichte ein. 1931 bis 1972 war das Empire State Building das höchste Gebäude der Welt. Es hat eine Gesamthöhe von 448,7 Meter, die Antenne von 68 Meter wurde jedoch erst 1950 draufgesetzt. 1972 löste das World Trade Center diesen Rekord auf. Mit 527 Meter übertrafen diese beiden Gebäude das Empire bei weitem. Mit dem tragischen Ereignis vom 11. September 2001 wurde das Empire immerhin wieder zum höchsten Gebäude von New York.
Doch das Empire State Building ist nicht nur ein Touristenmagnet sondern auch ein Filmstar. Wer erinnert sich nicht an King Kong, der locker an der Antenne hängt und Flugzeuge fangen spielt. Und wer weinte nicht Tränen als Tom Hanks Meg Ryan ein Liebesgeständnis in "Schlaflos in Seattle" dort machte. Und natürlich ist das Empire State Building immer ein dankbares Opfer, wenn es darum geht in irgendeinem Katastrophenfilm etwas in Luft zu jagen oder von Ausserirdischen sprengen zu lassen.
Und so stehen wir auf diesem weltberühmten Gebäude und geniessen den 360 Grad Blick über Manhatten, sehen über den Hudson River hinaus New Jersey, den Central Park mit Upper Manhattan, den East River mit Queens und Brooklyn oder Lower Manhattan mit der Freiheitsstatue und Ellis Island. Es ist traumhaft! Und die gelben Taxis tief unten in den Strassenschluchten sehen aus wie Spielzeugautos.
Gegen halb zwölf verlassen wir die Aussichtsplattform und kommen auch beim Verlassen wieder in den Genuss der Sonderbehandlung mit dem Express-Pass. Als wir wieder unten auf der Strasse stehen, sind wir uns einig: der Mehrpreis hat sich mehr als nur gelohnt!
Nun trennen sich unsere Wege wieder. Eva und Mäthu wollen ins Shopping, Jürg und ich an den Hafen um noch die Hafentour mitzumachen, die wir mit unserem Kombiticket, das wir gestern gekauft haben, zu gut haben. Locker machen wir uns zu Fuss auf. Auf der Karte sieht das jeweils gar nicht so weit aus. Doch die vielen Strassen haben es in sich! Zuerst geht's zum Times Square und auf der 42. Strasse dann westwärts zum Hudson River. Eine ganze Stunde sind wir unterwegs bis wir endlich den Hafen erreichen. Unterwegs decken wir uns noch mit Bananen ein um den aufkommenden Hunger zu stillen.
Wir sind nicht ein einzigen, die da mitwollen. Es hat eine lange Kolonne von Menschen, die auf das Schiff wollen und da uns hier kein VIP-Ticket mehr einen Sonderstatus bietet, stehen auch wir brav in der Kolonne. Plötzlich beginnt es zu regnen. Doch schon bald dürfen wir Boarden und suchen uns einen Platz am Trockenen. Dann geht die Fahrt den Hudson River hinauf los. Zu unserer Linken erblicken wir die Wolkenkratzer von Manhattan, zu unserer Rechten New Jersey. Trotz den grauen Wolken und dem leichten Regen wirkt die City faszinierend. Der Hudson River ist übrigens 493 km lang und wird auch als Rhein von Amerika bezeichnet. Er entspringt irgendwo im Norden in den Adirondack Mountains. In New York erreicht er den Atlantik. Wie schon erwähnt ist der Fluss bis Albany schiffbar und somit eine wichtige Wasserstrasse. Der Unterlauf des Hudson ist den Gezeiten ausgesetzt. Der Tidenhub macht sich noch 225 km flussaufwärts bemerkbar. Im 19. Jahrhundert wurde dann der Eriekanal erbaut, so dass der Hudson mit dem Eriesee verbunden war.
Unser Schiff führt uns an Ellis Island vorbei, der berühmten Insel, wo sich die Immigranten dem Schicksal stellen mussten. Die Insel war lange Zeit Sitz der Einwanderungsbehörde für den Staat und die Stadt New York. Über 30 Jahre war sie die Sammelstelle für Immigranten in die USA. Über sie kamen zwischen 1892 bis 1954 etwa 12 Millionen Menschen an, auf der Suche nach einem besseren Leben. Heute ist Ellis Island zusammen mit der Freiheitsstatue ein National Monument. 1990 wurde Ellis Island als Museum für die Geschichte der Einwanderung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Hinter Ellis Island erblicken wir das Wahrzeichen der Stadt: Lady Liberty. Majestätisch erhebt sie ihre goldene Fackel und hat Millionen von Menschen in den USA begrüsst, wenn sie auf Schiffen ins gelobte Land kamen. 1886 wurde die Statue eingeweiht. Die französische Nation schenkte die Statue Amerika anlässlich der 100 jährigen Feier der Unabhängigkeitserklärung. Leider wurde sie nicht pünktlich fertig und erst 10 Jahre nach der Feier eingeweiht.
Die Statue hat eine Höhe von etwas über 46 Metern und wiegt 204 Tonnen. Sie besteht aus einem Kupfermantel, der die grüne Farbe der Patina angenommen hat. Der Sockel ist sternförmig und aus Stein. Darin befindet sich ein Museum. Die Freiheitsgöttin selber steht mit einem Fuss auf zerbrochenen Ketten, die die Sklaverei symbolisieren und in der Hand hält sie eine Tafel mit dem Datum der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. In der andern Hand hält sie eine goldene Fackel. Ihr Kopf ist mit einer siebenstrahligen Krone geschmückt, die die sieben Meere und Kontinente symbolisieren. Und etwas hat die Dame geschafft: sie hat einen hohen Wiedererkennungswert und symbolisiert für viele Menschen die USA.
Gemächlich schwimmt unser Schiff vor der Lady vorbei. Irgendwann werden wir sicher wieder nach New York kommen, und dann wollen wir die Lady persönlich besuchen.
Leider geht unsere Fahrt nicht in den East River hinein. Auf der Höhe der Freiheitsstatue dreht es bei und wir fahren wieder zurück in den Hafen.
Wir möchten noch ein wenig in die City hinein. Doch laufen ist uns zu weit. Also stellen wir uns wie richtige New Yorker an den Strassenrand und winken vorbeifahrenden Taxis. Natürlich klappt das noch nicht so hervorragend, doch irgendwann hält eines und fährt uns an die 6th Avenue. Dort bummeln wir gemütlich südwärts die Avenue hinunter. Natürlich besuchen wir ab und zu noch einen Shop wie zum Beispiel denjenigen von HBO. Als wir vor einem Jahr in Boston waren, verfolgten wir im TV die neue Serie "True Blood", wo sich Vampire im Süden der USA von künstlichem Blut ernähren. Natürlich verbunden mit einer Liebesgeschichte zwischen einer Sterblichen und einem Vampir. Die Story war toll und wir konnten kaum aufhören zu schauen. Und hier finde ich die komplette erste Staffel auf DVD, welche ich natürlich kaufen muss. Überall in der Stadt hängen Plakate, die den Start der zweiten Staffel ankündigen. Super!
Wir laufen die ganze 6th Avenue hinunter bis zur Querstrasse unseres Hotels, das wir um halb fünf erreichen. Wir sind froh endlich wieder zuhause zu sein. Es regnet wieder ein wenig und unsere Beine können Erholung gebrauchen. Also legen wir uns ein wenig hin. New York entwickelt sich zu unserem persönlichen Fitnesscenter.
Heute Abend werden wir von Eva und Mäthu zum Essen eingeladen. Irgendwann auf unserer Reise haben uns die Beiden ihre Pläne offenbart. Sie wollen uns damit danken, dass sie mit uns die Reise gemeinsam planen und unternehmen durften. Wir finden dies unglaublich nett, denn es wäre genauso an uns ihnen für die schöne Reise danke zu sagen. Doch die Beiden bestehen auf ihrer Einladung, und so freuen wir uns auf den Abend.
Um sechs Uhr fahren wir gemeinsam mit der U-Bahn nach Lower Manhattan. Dort geht's zu einem geheimnisvollen dunklen Eingang, der wenig einladend aussieht. Unsere neugierigen Fragen, was uns da erwartet, werden nur schadenfreudig belächelt. Wir müssten uns überraschen lassen...
Hinter der dunklen Türe erwartet uns ein dunkler Raum mit einem hölzernen Podest, wo wir von einer Dame begrüsst werden. Eva meldet, dass wir eine Reservation hätten und so öffnet sich eine Lifttüre, wo wir in weiterer Dunkelheit in die Tiefe geführt werden. Es ist alles unglaublich unheimlich, und Evchen platzt fast vor Freude, dass ich da mal was nicht organisieren konnte und damit weiss, was uns erwartet. Die Lifttüre öffnet sich und gerade als wir den Fahrstuhl verlassen wollen, brüllt uns ein schwarz gekleideter Ninja entgegen und fuchtelt wild mit seinem Schwert vor unseren Gesichtern herum. Ich kriege fast einen Herzinfarkt. Danach werden wir durch fast höhlenartige Räume geführt, die durch schwaches Licht sehr rätselhaft wirken. Überall hört man aus versteckten Räumen Geplauder und Gelächter, und auch wir werden in einen für uns reservierten Raum geführt, der sehr asiatisch anmutet.
Endlich lüften Eva und Mäthu ihr Geheimnis. Dies ist ein japanisches Erlebnisrestaurant. Auf RTL oder Pro Sieben kam im letzten Jahr eine Sendung über die originellsten Restaurant und da wurde dieses Gaststätte vorgestellt. Die Beiden waren Feuer und Flamme und schmiedeten sofort Pläne uns dort dann einzuladen. Sie hofften bloss, dass wir die Sendung nicht auch gesehen haben, was auch tatsächlich so ist.
Wir geniessen zusammen einen unvergesslichen Abend! Es gibt ein Vier-Gang-Menü und Evchen lacht sich kaputt als ich stirnrunzelnd die Stäbchen angucke. Sie kennt mein Talent, mich mit solchen Dingern zu ernähren. Vermutlich wäre eine Stäbchen-Diät meine ideale Grundlage um Gewicht zu verlieren oder irgendwann zu verhungern! Um dem vorzubeugen, überwinde ich meinen Stolz und verlange eine Gabel. Es wird ein unglaublich heiterer Abend. Die Vorspeise besteht aus Krabben, die irgendwie in Röllchen serviert werden. Der zweite Gang besteht aus Sushi und der dritte aus Lachs. Alles schmeckt hervorragend und die Show, die uns geboten wird, ist fantastisch! So etwas bekommt man wahrlich nur in den USA geboten. Immer wieder gibt es Showeinlagen. Entweder springt ein Ninja wieder schreiend in unseren Raum und bedroht uns mit Messern oder es gibt irgend ein Essen, dass herrlich vor sich hinraucht.
Die Portionen sind USA-mässig gewaltig und so kämpfen wir schon nach dem dritten Gang mit dem Essen. Mäthus Steak hat die Grösse eines halben Rindes. Der vierte Gang ist eine riesige gekochte Zwiebel, gefüllt mit Siedfleisch. Wir kriegen es kaum mehr runter.
Eva hat wahrlich ihren Abend! Einerseits konnte sie uns wirklich überraschen und andererseits geniesst sie ihr Heimspiel bei asiatischem Essen, das sie sehr liebt. Ich hingegen blamiere mich nicht nur mit den Stäbchen, sondern verdrücke auch noch leichtgläubig etwas, das wir ein Stück Kartoffelstock aussieht und sich als reines Wasabi entpuppt. Meine Spuckorgie und mein Nach Luft schnappen haut sie definitiv vor Lachen aus den Schuhen. Tja, die asiatische Küche ist für mich ziemlich Neuland und japanischer Meerrettich unbekannt. Doch ich darf erfolgreich vermelden, dass ich heute in dieser Angelegenheit eine wichtige Lehrstunde hatte. Das Zeugs ist mordsscharf und sollte nur in ganz kleinen Portionen vorsichtig eingenommen werden. Ich bin der Meinung, dass das Zeugs nicht ohne Warnschild mit doppeltem Totenkopf aufgestellt werden sollte...
Unser Ninja-Kellner ist ein richtiger Witzbold. Nicht nur dass er uns immer wieder mit weiteren Showeinlagen überrascht, er erzählt uns auch, dass er eine finnische Freundin habe. Anscheinend hat die Dame hier auch mal gegessen und gemeint, es sei kein Wunder, dass die Amis Übergewicht hätten bei diesen Portionen, die hier serviert werden. Dem können wir nur zustimmen!
Wir schaffen es zum Dessert! Mäthu kommt in den Genuss einer weiteren Show: Ein Ninja serviert ihm ein leeres Eisenteller, wo er lautstark einen tödlichen Ninja-Stern hineinwirft. Dann deckt er den Teller mit einer Schüssel ab, kehrt irgendwas, und plötzlich erscheint ein leckeres Schokomousse in Form des Ninja-Sternes. Man gibt wirklich alles...
Doch auch der schönste Abend findet mal sein Ende. Vollgefressen verlassen wir das lustige Lokal und fahren mit der U-Bahn zurück zu unserem Hotel. Auf dem Zimmer von Mäthu und Eva gibt's noch einen leckeren Nespresso. Und so möchten wir uns hiermit auf schriftlichem Wege via Reisebericht noch einmal ganz herzlich für die tolle Einladung bedanken! Es war lecker, lustig und ... für gewisse Leute sehr lehrreich...
Um elf Uhr sinken wir müde ins Bett. Was für eine Stadt...
Aufbruch: | 21.05.2009 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 16.06.2009 |
Route 66