Wild West im Motorhome und eine Woche NY
Antelope Canyon - ein verborgenes Juwel
Es ist wirklich ein Erlebnis das hintere "Störeli" vom Bett aus zu öffnen und einen herrlichen Ausblick zu haben! Zwischen roten Bergen hindurch blicken wir hinunter in die Wüstenebene mit den markanten Monolithen. Und die Morgensonne scheint uns mitten ins Gesicht. Wir könnten uns wahrlich daran gewöhnen!
Das Frühstück geniessen wir zusammen mit Mäthu und Eva. Es ist bereits angenehm warm. Mäthu hat in der Zwischenzeit gewaltige Fortschritte in Sachen Nespresso gemacht und zaubert wiederum leckeren Frühstückskaffe hervor. Das Sahnehäubchen des Tages...
Um neun Uhr verlassen wir unser paradiesisches Tal der roten Felsen und holpern zurück auf den Highway 163. Es bricht mir immer wieder das Herz den Garten Eden der Navajos zu verlassen. Und auch hier werden wir bestimmt wieder zurückkehren...
Nach ein paar Kilometern durch die rote Wüste, eingesäumt von den farbigen Tafelbergen, erreichen wir Kayenta und ein erster Kreis unserer Ferien schliesst sich. Wir wechseln auf den Highway 160 und fahren auf bekannten Wegen westwärts. Immer wieder erblicken wir höchst spannende Felsformationen. Eine kilometerlange Bergkette sieht aus wie sturmgepeitschte Wellen, andere Hügel erinnern an ledergegerbte Haut tausend Jahre alter Dinosaurier und dann stehen auf lang gezogenen Mesas einsame Gebirge, die an verzauberte Schlösser erinnern. Mit ein bisschen Fantasie kann man hunderte von Skulpturen in der grandiosen Berglandschaft erkennen.
Irgendwann biegen wir auf den Highway 98 nordwestwärts ab. Hier gelangen wir in unglaublich weitläufige Ebenen, die von trockenen grünen Büschen überzogen sind. Auch hier dominieren ab und zu weisse und rote Monolithen, die wie verwunschene Burgen einsam in der Landschaft trotzen. Plötzlich gewinnt die Zivilisation wieder überhand und überall erblicken wir riesige Strommasten, die durch kilometerlange Elektrokabel miteinander verbunden sind. Wir nähern uns definitiv einem der grössten Stromproduzenten dem Glen Canyon Dam. Am Ende einer riesigen Ebene gelangen wir auf eine Anhöhe und unter uns erstrahlt der tiefblaue Lake Powell. Was für eine Auflockerung fürs Auge nach der dominierenden Wüstenlandschaft.
Doch bevor wir ans Wasser gelangen, wollen wir noch eine berühmte Laune der Natur besuchen: den Antelope Canyon. Dieser Canyon ist ein so genannter Slot Canyon. Dies ist die amerikanische Bezeichnung für eine enge, durch fliessendes Wasser geschaffene Schlucht. Es gibt den Lower und den Upper Antelope Canyon. Den einen Teil kann man nur mit einer geführten Tour besichtigen. Das Gebiet gehört den Diné, einem Navajo Stamm. Diese führen einem dann mit einem geländegängigen Wagen zum Einstieg des Upper Canyon und Führer schleusen die Leute durch die Schlucht. Die Besichtigungszeit ist begrenzt.
Der Lower Antelope Canyon hat gemäss Reiseführer einen unbequemen Einstieg. Dadurch hat es aber viel weniger Touristen und man kann sich unbegrenzt lange in der Schlucht aufhalten. Schon zuhause haben wir uns für diesen Teil entschieden und so fahren wir mit unseren Campern auf unbefestigter Strasse zum Besucherzentrum. Es ist tierisch heiss und Evchen entscheidet sich dafür im Camper zu bleiben. Wir andern packen uns Wasser ein und spazieren hinunter zum Kassenhäuschen. Dort erfahren wir, dass auch hier ein Führer mit uns kommt. Die nächste Tour startet um elf Uhr. Ist uns auch recht! Der Einstieg in die Schlucht ist zu Fuss erreichbar, so dass wir nicht noch ein längere Jeeptour unternehmen müssen.
Die Sonne brennt erbarmungslos hinunter und wir sind froh, dass der Warteraum gedeckt ist. Um elf Uhr kommt ein junger Indianer mit Gitarre daher und führt uns zu einem schmalen Spalt in den roten Felsen. Die umliegenden Felsen sehen wunderschön aus: Tiefrot und wie Wellen eines Seeufers. Der Eingang des Antelope Canyons würde man ohne die Hilfe eines Kenners kaum finden. Wer käme schon auf die Idee in einen schmalen Spalt zwischen den roten Felsen zu klettern ohne zu wissen, was einem da unten erwartet. Jetzt verstehe ich auch, warum der Reiseführer von einem unbequemen Einstieg spricht. Ich muss mich wahrlich hindurchzwängen (gebe ja zu, dass schlankere, sportlichere Typen da sicher weniger Probleme hätten...). Meine Eleganz in dieser Hinsicht ist überwältigend und schon kämpfe ich mit den ersten Zweifeln, ob diese Tour wirklich eine gute Idee war! Doch die Klettertour wird einfacher als ich sehe, dass eine kleine Stahltreppe Hilfestellung bietet. So schafft es auch das unsportliche Fränzchen in die farbenfrohen Tiefen des Erdreichs. Und was uns da erwartet, verschlägt uns schlicht die Sprache:
Wir befinden uns mitten im roten Sandstein, welcher durch so genannte "flash floods" oder auf gut Deutsch "Sturzfluten" gebildet wurde. Die jahrtausend alte Erosionen haben hier unten unglaubliche Formen gebildet. So ungefähr müsste sich Moses gefühlt haben als er durch das Meer schritt, nur dass wir durch ein Meer von Felsen schreiten. Mal scheinen uns die Wände zu erdrücken, dann wiederum erblicken wir einen kleinen Streifen Himmel, wenn wir hochschauen. Manchmal ist der Weg so schmal, dass man nicht einmal zwei Füsse nebeneinander stellen kann.
Das Wasser hat in die Felsen eine fliessende Struktur gemeißelt, Unglaubliche Formen sind dadurch entstanden, Höhlen, Figuren, Brücken und Bögen. Es ist kaum zu glauben. Doch der Höhepunkt des Ganzen sind die Farben! Je nach Tageszeit und damit Sonnenstand entstehen die unglaublichsten Farborgien. Braun, rot, gelb, orange, purpur, violett, grau und dies alles im selben Moment je nach dem, wo der Sonnenschein eindringen kann und wo nicht. Je nachdem wo der Schatten tiefer ist und wo nicht. Wir haben schon viel gesehen, aber dieser Anblick übertrifft alles bisherige! Wie Alice im Wunderland mit offenem Mund durchwandern wir die Wunderwelt und versuchen alles zu begreifen. Der junge Indianer setzt sich immer wieder hin und spielt auf seiner Gitarre schöne Lieder, wozu er auch singt. Die Akustik ist hinreissend! Wir dürfen uns alle Zeit der Welt nehmen um dieses Wunderwerk der Natur zu geniessen. Und das tun wir auch!
Die 400 Meter Länge und 30 - 40 Meter Höhe des Canyons sind wirklich abenteuerlich. Jedenfalls werde ich altgedienter Kletterhase aufs Höchste gefordert und bin über jede Stahltreppe froh, wo ich mich daran halten kann um wieder in eine tiefere Ebene zu gelangen. Jürg lacht sich entsprechend ins Fäustchen und auch Mäthu kann sich ein Grinsen nicht verkneifen, wenn ich mich mal wieder durch eine felsige Lücke kämpfe. Aber es macht riesigen Spass und ich geniesse jede Minute hier unten.
Dieser Spass verging jedoch 12 Besuchern 1997. Am 12. August entstand aus einem Wolkenbruch eine 3 Meter hohe Flutwelle, die binnen Minuten auf 25 anstieg und die Gruppe von Wanderer mitriss. Sie hatten keine Chance! Von den 12 Toten wurde einer immer noch nicht gefunden. Das Unglück ist insofern tragisch als dass sie vor dem drohenden Gewitter gewarnt wurden und trotzdem in den Canyon stiegen.
Nach einer Stunde des Träumens erreichen wir das Ende des Canyons, wo uns eine steile Leiter wieder 30 Meter hinauf ans Tageslicht bringt. Und wieder stehen wir auf den roten Felsen an der heissen Wüstensonne und nur ein kleiner Spalt in der Erde zeugt von dem Naturwunder. Es ist kaum zu glauben.
Und so wandern wir über die felsigen Dünen zurück zum Besucherzentrum. Ich bin froh über mein Wasser, es sind durstige Zeiten! Zurück bei den Campers schwärmen wir Eva in den höchsten Tönen von unserem Abenteuer im Canyon und Mäthu überlegt sich, morgen mit Eva nochmals zurückzukehren, damit sie das Naturwunder auch noch sieht.
Wir fahren nach Page hinein und entdecken ein grosses Einkaufszentrum. Dort decken wir uns mit Lebensmitteln für die nächsten zwei Tage ein. Eine hohe Brücke führt uns über den Colorado River. Zu unserer Rechten erblicken wir den 216 Meter hohen Glen Canyon Dam, die sechsthöchste Talsperre der USA. Am 15. Oktober 1956 begannen hier die offiziellen Arbeiten zum Bau des Damms. Während des Baus entstand ein Camp für die Arbeiter, das heutige Page. 1966 eröffnete die Gattin des damaligen Präsidenten Lyndon B. Johnson die Talsperre, es dauerte 17 Jahre bis der Stausee komplett aufgefüllt war. Dadurch entstand der Lake Powell. Zusammen mit dem Lake Mead sind sie die grössten Stauseen der USA. Der Lake Powell umfasst ein Volumen von eindrücklichen 33,3 Milliarden m3.
Natürlich hat ein solcher Eingriff in die Natur grosse Auswirkungen. Durch die Regulierung des Flusses änderte sich die Menge des transportierten Sediments und die jahreszeitlichen Schwankungen der Wassertemperatur. Dadurch verbesserte sich die Wasserqualität markant. Das rot-braune Wasser erhielt dadurch ihre blau-grüne Farbe. Und man konnte verschiedene Fischarten aussetzen, es gibt sogar Regenbogenforellen.
Doch gibt es auch viele Nachteile, besonders im Bereich des Grand Canyon. Die natürlichen Lebensräume für Pflanzen und Tiere änderten sich oder verschwanden ganz, da sich die grossen Fluten des Flusses radikal verringert haben. Man überlegte sich, ob man kontrollierte Flutwellen durch den Canyon zulassen will, um natürliche Lebensräume wieder herzustellen. Am 5. März 2008 liess man über 60 Stunden eine solch kontrollierte Flutwelle zu. Die Wissenschaft ist nun am Auswerten, was für Auswirkungen dies hat. Es ist immer dasselbe, wenn Menschen in die Natur eingreifen! Nichts ist mehr so wie es mal war...
Wir erreichen unser heutiges Tagesziel, die Wahweap Marina, ein riesiges Resort mit Lodge, Bootsplätzen und einem schönen RV Park. Mit dem Lake Powell entstand auch ein einmaliges Freizeitgebiet, das aber auch geschützt wird. Im Jahre 1972 beschloss der amerikanische Kongress die Einrichtung des Glen Canyon National Recreation Area, das 5058 km2 umfasst. Viele Gebiete um den Lake Powell sind geschütztes Indianerland, da sich hier ihre heiligen Orte befinden. Einen davon wollen wir morgen besuchen.
Doch zuerst checken wir mal im RV Resort ein und erhalten zwei tolle Standplätze mit Blick auf den See. An der Rezeption erkundigen wir uns nach dem Shuttle Bus Service. Morgen unternehmen Jürg und ich eine halbtätige Schiffsfahrt zur Rainbow Bridge. Der Bootshafen liegt ziemlich entfernt vom RV Park und wir möchten eigentlich nicht unseren Camper "abprotze" nur für diesen Ausflug. Die Dame meint, dies sei kein Problem. Der Shuttle Service starte um 8 Uhr. Finden wir toll ... vorallem weil unsere Tour um 7.30 h los geht! Und so entnerve ich mich mal kurz über diese Tatsache. Denn die Schiffstour startet ja jeden Tag und wir sind sicher nicht die einzigen Touristen im Jahr, die dort daran teilnehmen. Was für ein doofer Service! Die Dame telefoniert darauf mal kurz mit der Lodge und die meinen grosszügig, man könne uns ausnahmsweise um 7 Uhr abholen. Dankeschön...
Wieder einmal stellen wir unsere Campers. Die Plätze liegen wunderschön erhöht über dem See und wir haben einen prächtigen Blick in die umliegenden Berge. Die wüstenhafte Vegetation auf dem RV Park ist herrlich trocken, wird aber durch viele grüne Büschen und Bäumen optisch aufgelockert. Die Berge, die den Lake Powell einrahmen, sind höchst farbenfroh. Doch beim genauen Hinsehen erkennt man, dass der See tief unter seinem Höchststand ist, was uns ja schon beim Lake Mead aufgefallen ist.
Jürg und ich wollen die Tickets für unsere Schifffahrt morgen abholen. Also beehren wir diesen Shuttle Bus Service und werden nach einer ausgiebigen Tour zur Lodge geführt. Ein freundlicher älterer Herr ist unser Chauffeur und wie halt so üblich, kommt man schnell mal ins Gespräch. Er wohnt eigentlich in South Carolina, arbeitet aber nun für ein halbes Jahr hier am Lake Powell. Er reise sehr gerne, erzählt er uns. Sobald er hier genügend Geld verdient habe, werde er wieder unterwegs sein. Das letzte Mal war er ein halbes Jahr in Südafrika, das nächste Mal wolle er nach Südamerika. Wir staunen nicht schlecht!
Er erzählt uns aber auch, dass dieses Wetter für den Frühling sehr ungewöhnlich sei. Die Temperaturen und die täglichen Gewitter seien für den August üblich, aber nicht für den Juni. Auch hier scheint die Klimaerwärmung ihre Spuren zu zeigen.
Endlich kommen wir in der Lodge an. Dort erhalten wir am Ticketschalter unsere Fahrkarten. Natürlich besuchen wir noch den dazugehörigen Souvenirshop und ich finde für meine Nichte Thea ein entzückendes indianisches Wildleder-Täschchen, natürlich in ihrem geliebten Pink.
Wieder geht's im Shuttlebus zurück. Ich bin ziemlich auf den Felgen. Für die luftige Tour von gestern ins Monument Valley war ich definitiv zuwenig warm angezogen und das büsse ich nun: Halsweh und laufende Nase. Also ziehe ich mich in den Camper zurück zu einem kleinen Nachmittagsschläfchen. Es ist unglaublich heiss im Wagen, so dass nur die Klimaanlage Abhilfe schaffen kann.
Auch Petrus findet, dass eine Abkühlung nicht schlecht wäre. Schwarze Wolkenwände bewegen sich in unsere Richtung und als ich wieder aufstehe, fegen starke Windböen über unseren Campingplatz. Doch unverdrossen machen wir uns hinter das Abendessen. Die paar Regentropfen halten uns nicht vom abendlichen Grillieren ab. Und Petrus scheint ein Einsehen zu haben. Die Gewitterwolken ziehen an uns vorbei und lassen uns die leckeren Filet Mignons in Ruhe geniessen.
Es wird ein unglaublich schöner Abend. Die schwarzen Wolkenbände hinterlassen nur einzelne Kumuluswolken und die bilden zusammen mit den goldenen Sonnenstrahlen einen faszinierenden Anblick. Mein romantisches Sunsetherz schlägt da natürlich höher und der Fotoapparat findet kaum seine Ruhe.
Gemütlich sitzen wir noch lange zusammen, trinken leckeren Nespresso, plaudern, lesen oder freuen uns über die schüchternen Hasen, die ab und zu vorbeihoppeln. Was für ein schöner Ort! Und die ausklingende Tageshitze mit dem warmen Wind umschmeichelt uns wie samtene Stoffe. Es ist paradiesisch!
Aufbruch: | 21.05.2009 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 16.06.2009 |
Route 66