Wild West im Motorhome und eine Woche NY
Mit dem historischen Zug nach Silverton
Um viertel vor sechs bin ich hellwach. Der Wecker ist auf sechs Uhr eingestellt. Vermutlich weil ich es hasse, das Geräusch in meinen Ferien zu hören, hat sich mein Unterbewusstsein früh eingeschaltet.
Wir haben herrlich geschlafen und ... hatten höchst angenehm warme Temperaturen im Bett dank unserer neuen Unterwäsche! Schon unglaublich, was so ein bisschen Stoff ausmachen kann!
Ein Blick zum Fenster hinaus zeigt uns wiederum einen strahlend schönen Morgen. Die Sonne geht grad über den Bergen hinter dem Fluss auf und glitzert im Wasser wie tausend Diamanten. Es ist wunderschön!
Doch wir sind in den Bergen und die Temperaturen sind tief. So geniessen wir unser Frühstück im gemütlichen Innern. Heute sind Mäthu und Evi mit Fahren dran. Schon bald schraubt Mäthu alle Anschlüsse ab und macht den Camper parat, so dass wir um Punkt sieben abfahrtsbereit sind.
Durchs schöne Tal fahren wir zurück nach Durango. Dieses Mal entdecken wir Eingangs von Durango gleich hinter dem McDonalds den grossen Parkplatz. Da hätten wir auch früher drauf kommen können... Für ein paar Dollar können wir unser Gefährt den ganzen Tag stehen lassen.
Schon bald stehen wir am Bahnhof und erblicken den langen historischen Zug. Wir haben uns den Luxus geleistet mit dem eleganten Cinco Animas Wagen zu fahren, einem eleganten Erstklasswagen aus dem Jahre 1883. Zudem ist es der hinterste Wagen, so dass uns zusätzlich eine grosse Plattform draussen zur Verfügung steht. Die Innenausstattung ist höchst komfortabel mit Seidenbezügen und elegantem Holz ausgestattet. Über unseren Köpfen entdecken wir komische Schränke. Später werden wir darüber aufgeklärt, dass es sich um Schlafkojen handelt. Wie die wohl da rauf gekommen sind?
Um viertel nach acht geht unsere Fahrt unter lautem "gehorne" los. Überall stehen Menschen an den Schienen und winken uns zu. Es ist jedes Mal ein Erlebnis Durango mit der dampfenden und schnaufenden Lokomotive zu verlassen. Die Fahrt führt uns genau in das Tal, das wir vorher mit unserem Camper abgefahren haben. Schade, dass der Zug nicht bei unserem Campingplatz hält, hätte uns einen Weg gespart. Doch was soll's. Wir geniessen den strahlenden Sonnenschein und die herrliche Landschaft, die an uns vorüberzieht.
Evi und Jürg sitzen gerne auf ihren Plätzen, doch Mäthu und mich zieht es immer wieder nach draussen, wo wir uns die frische Brise um die Nase wehen lassen und viele Fotos schiessen. Führten die Schienen lange dem Animas River entlang, gelangen wir immer mehr in die Höhe, vorbei an Bauernhöfen, Ferienhäusern, durch schöne Wälder und wilde Schluchten.
Nach einer Stunde erreichen wir bereits einer der Höhepunkte der Strecke, die Schlucht des Animas Rivers. Langsam windet sich der Zug in Schwindel erregender Höhe den Berghängen entlang und zu unseren Füssen oder eben Schienen öffnet sich dramatisch die Schlucht. Die Schienen sind so nah am Abgrund, dass es einem Angst und Bange wird.
Langsam führt die Strecke von der Höhe hinunter an den Fluss und auf der restlichen Strecke ist der wilde Animas River unser stetiger Begleiter. Wir durchqueren wilde Schluchten, fahren mehrere Male über Holzbrücken und machen ab und zu einen Halt, wenn die Lokomotive wieder Wasser tanken muss.
Es ist eine unglaublich schöne Strecke. Ab und zu verdunkelt sich der Himmel zu einem Gewitter und plötzlich scheint wieder die Sonne. Die Berge zu unserer Linken und rechten werden immer höher und eindrücklicher. Schnee bedeckt ihre Kuppen. Und ... Eva und Jürg schlafen! Das gleichmässige Rumpeln macht müde. Zudem kämpft Eva seit heute morgen mit einer bösen Erkältung. Man sieht, dass sie auf den Felgen ist.
Doch ich sitze meistens hinten auf der Plattform und geniesse den herrlichen Ausblick auf den tosenden Fluss und die vorbeiziehende Landschaft. Es ist wieder einer der Momente, wo die Zeit einfach stehen bleiben sollte. Ein Moment, an den man sich ein Leben lang erinnert.
Immer wieder werden wir von einer Stewardess mit Kaffee oder Tee verwöhnt. Auch erzählt sie uns, dass gestern hier ein Sturm tobte und es stark gehagelt hat. Die Ausläufer haben wir ja gesehen. Doch heute scheint die Sonne und ich schicke Petrus ein kleines Dankesgebet!
Gegen Mittag wird das schmale Tal offener und wir erreichen Silverton, unser heutiges Ziel. Silverton ist wilder Westen pur! Die meisten Strassen sind ungeteert und staubig und die Vergangenheit ist in jedem Gebäude sichtbar. Alte Postkutschen führen Touristen durchs Dorf. Natürlich sitzt ein waschechter Cowboy mit Sheriffstern und Knarre auf dem Bock! Der Randstein besteht aus Holzplanken und führt teilweise unter den Vordächern der Häuser durch und ein Restaurant heisst geschichtsträchtig "High Noon".
Silverton ist eine kleine Gemeinde mitten in den San Juan Mountains. Gegründet wurde das Städtchen nach Silberfunden in den 1870er Jahren. Zehn Jahre später kam die Eisenbahn nach Silverton. Schliesslich musste man das Edelmetall ja irgendwie abtransportieren. Heute führt auch der Highway 550 (wir erinnern uns: der Million Dollar Highway) über den Molas Pass nach Silverton und weiter über den Red Mountain Pass nach Ouray.
1998 fuhren wir mit dem Auto nach Silverton, da der Zug so früh im Jahr noch nicht fuhr. Gerade waren wir am Spazieren durch die schönen Strassen als ein Schneesturm aufkam. Wir flohen schnellstens zurück nach Durango, da wir fürchteten, der Pass könnte geschlossen werden. Die Meter hohen Schneewände sprachen auf der Hinfahrt Bände... Wir schafften es knapp, da der Schneesturm mehr auf der anderen Bergseite wütete.
Silverton wird heute vorallem vom Tourismus am Leben erhalten. Im Winter ist das Städtchen häufig von der Umwelt abgeschnitten. Doch es gibt Verdrossene, die hier leben. Der historische Kern von Silverton rund um die Blair Street wurde 1961 in die National Historik Landmark aufgenommen. Zu Recht!
Gemütlich bummeln wir durch die Vergangenheit des wilden Westens. Es gibt viele süsse Lädeli, wo man herrlich herumshoppen kann. An vielen Orten ist Sale angeschrieben, so dass ich für fein paar Dollar eine schöne Collegejacke und einen langarm Pulli erstehe. Wir sind hungrig! Es gibt verschiedene Restaurants. Wir entscheiden uns für eine richtig tolle Westernbar. An den Wänden hat es viele ausgestopfte Tiere, Knarren und Fotos aus alten Zeiten. Rund um die Bar sind hunderte von Fotos von Gästen aufgehängt. Und auch der Kellner trägt eine lustige schwarze Melone als Hut und sieht wie ein Original Bar-Pianist aus alten Zeiten aus.
Wir erhalten einen gemütlichen Tisch und bestellen leckeren Mampf: für Eva und mich gibt es Sandwiches mit Tomaten und Avocados und die Herren tun sich an riesigen Elch-Burgern gütlich. Es schmeckt alles hervorragend!
Wir spazieren weiter durch die Vergangenheit und in einem Shop finde ich wunderschönen Silberschmuck mit Türkissteinen, welchem ich nicht widerstehen kann. In einem Hutshop probiert Jürg tolle Cowboyhüte aus und nur der hohe Preis kann ihn von einem Kauf abhalten, obwohl er darin wirklich sexy aussieht. Aber das Foto muss als Erinnerung reichen. Handgefertigte Cowboyhüte kosten locker über 200 Dollar.
Um viertel nach zwei sind wir wieder am Bahnhof, wo wir einen anderen Wagen kriegen, den Alamosa Parlos Car. Nun, die Bequemlichkeit ist bei weitem nicht mehr so gross wie auf der Hinfahrt. Es handelt sich um einen Loungewagen mit Tischen und Stühlen. An Schlafen ist da wohl nicht mehr zu denken. Doch wiederum ist es der letzte Wagen, so dass ich die Rückfahrt draussen geniessen kann.
Drei Stunden dauert die Rückfahrt. Einmal durchfahren wir eine starke Regenfront und unterwegs halten wir, so dass zehn Riverrafter zusteigen können. Dummerweise in unseren Wagen. Es wird schnell laut und feucht an alkoholischen Getränken, was wir als ziemlich störend empfinden. Doch sie bringen uns auf die Idee, dass auch wir die Heimfahrt mit einem leckeren Glenfiddich Single Malt geniessen könnten. Das schmeckt lecker!
Evchen geht es immer schlechter. Ihre Nase ist rot und trieft munter vor sich hin und sie fühlt sich immer mieser. Armes Kerlchen! Sie hatte wirklich nicht viel von unserem Ausflug. Um viertel nach sechs erreichen wir Durango, wofür Evi sehr dankbar ist. Sie ist todmüde und froh nach "Hause" zu kommen.
Nach 20-minütiger Fahrt mit dem Camper sind wir zurück in unserem Resort (und wir finden die Abfahrt auf Anhieb ... sind wir nicht gut?). Eva und Mäthu ziehen sich zurück. Evchen gehört ins Bett. Jürg und ich sind nicht sonderlich hungrig und essen was Kleines aus dem Kühlschrank. Da wir hier Wireless Lan haben, versuchen wir eine Verbindung herzustellen, was halbherzig klappt. Immerhin kann ich meine Mails lesen, doch der Wetterbericht will sich nicht herstellen lassen. So lassen wir uns halt überraschen, was sich Petrus fürs Monument Valley einfallen lässt.
Um halb zehn sind auch wir todmüde im Bett. Was war das für ein schöner Tag!
Aufbruch: | 21.05.2009 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 16.06.2009 |
Route 66