Wild West im Motorhome und eine Woche NY
Bryce Canyon auf die besondere Art
Frühstück gibt's im Camper. Da wir keinen Strom haben, muss das Wasser auf dem Gasgrill aufgekocht werden und Jürg kann seine Toasts kalt essen. Doch es schmeckt auch so. Wichtig ist, dass wir heute nicht allzu viel trinken, denn wir wollen eine 3 stündige Tour mit Mulis in den Bryce Canyon unternehmen und da liegt eine volle Blase nicht drin!
Da wir mit dem Camper zur Bryce Lodge fahren müssen, heisst es alles einpacken, Slide Outs einziehen und losfahren. Schon bald stehen wir am Corrall und begutachten die vielen Mulis. Doch halt, da sind auch Pferde dazwischen. Das Maultier ist eine Kreuzung zwischen einer Pferdestute und eines Eselhengstes. Es gibt auch eine umgekehrte Variante, dies nennt man dann Maulesel. Das Wort "Maul" kommt aus dem Lateinischen "Mulus" und bedeutet so viel wie Mischling. Maultiere können sich selber nicht fortpflanzen. Aufgrund ihrer genetischen Veranlagung sind sie sehr trittsichere Tiere mit grosser Ausdauer und Unempfindlichkeit. Sie eignen sich besonders gut als Reittiere.
Die vielen Cowboys stellen sich vor. Es gibt verschiedene Touren, die losgehen. Unsere Truppe nimmt als letzte bei der Verteilung der Reittiere teil. Ein braunes Muli mit weissem Fleck auf der Stirn wird zu Jürgs Reittier. Ihr Name: Missis B., mein Muli ist weiss und heisst Jessica. Unser Führer stellt sich als "Kite" vor. Unsere Gruppe ist nicht so gross. Neben uns ist noch eine Mutter mit ihren drei Kiddies aus Florida dabei.
Endlich geht's los! Die drei Kinder reiten gleich hinter Kite, dann kommt, Mama, ich und zuhinterst - wie so üblich - Jürg! Für die Reitausflüge gibt es eigene Wege hinunter in den Canyon, so dass die Wanderer nicht gestört werden oder sich den Weg durch Pferdeäpfel kämpfen müssen. Meine Jessica ist ein gutes Reittier. Es hört auf die Befehle und findet das Muli vor uns eine völlig lahme Pflaume. Dem kann ich mich anschliessen. Die Florida-Mama sitzt vermutlich zum ersten Mal auf einem Pferd oder eben Muli. Das Tier kann mit ihr machen was es will. Und es scheint als ob heute eher seinen gemütlicher Tag hat... Also "lamaschelet" es mal so vor sich hin und meine Jessica versucht es immer zu überholen, was ich zu verhindern weiss.
Der Ausritt ist weitaus angenehmer als der Ritt, den ich 1995 mit Eva in den Grand Canyon unternommen habe. Dort ging es 3 ½ Stunden hinunter und dann 4 Stunden wieder hinauf. Hier ist der Ritt viel abwechslungsreicher. Es ist nicht so steil, neben dem Weg gibt es keine anderthalb Kilometer tiefe Schlucht und man reitet nicht Stunden entweder nur hinunter oder hinauf. Der Weg gestaltet sich äußert angenehm mal runter, mal rauf oder dann eben dem eben den beeindruckenden Felsen entlang. Für die Muskeln ist der Wechsel sehr angenehm.
Da Jessica ein äußerst zuverlässiges Muli ist, kann ich in Ruhe die wunderschöne Landschaft geniessen und die Tatsache, dass ich wieder mal auf einem Vierbeiner sitzen kann. Jürg ist von meiner Pferdebegeisterung nicht grad hingerissen. Er begleitet mich auf solchen Touren wirklich nur mir zuliebe, was ich sehr schätze. Trotzdem scheint es mir, dass er mit seiner Missis B. sehr gut zurecht kommt und der Ausflug nicht nur eine Tortur ist.
Nach anderthalb Stunden erreichen wir unser Ziel, einen Corrall tief unten im Canyon. Dort gibt es etwas zu trinken und ganz wichtig - es hat Toiletten! Nach einer halben Stunde geht der Reitausflug zurück. Da es sich um einen Loop handelt, geht der Weg zurück auf anderen Pfaden. Ab und zu wird es wirklich dramatisch. Da reiten wir auf schmalen kurvigen Pfaden hinauf auf einen Bergrücken um dann auf der anderen Seite steil wieder hinunter zu reiten. Ab und zu darf man wirklich kaum hinunterschauen. Doch die Pferde und Mulis sind sehr trittsicher und kennen ihren Job! Ruhig bringen sie uns von einer landschaftlichen Schönheit zur anderen. Es ist ein wunderbarer Ausflug und noch einmal eine andere - höchst reizvolle - Möglichkeit den Bryce Canyon zu erleben!
Das Wetter ist für diese Art von Ausflug höchst perfekt. Ein leichter Wolkenschleier bedeckt den Himmel und lässt die Sonne als milchige Scheibe erscheinen.
Nach drei Stunden erreichen wir wieder den Rim. Unterwegs habe ich Kite noch angehauen wie er eigentlich zu diesem Job gekommen sei. Er erzählt mir, dass er eigentlich Bullrider sei. Nach 27 Operationen ist er wohl zur Einsicht gekommen, dass es noch andere Jobs gibt, die weniger schmerzvoll sind... Ach ja, er stammt aus Nevada. Er ist wirklich ein netter Typ!
Ein kurzer Weg führt uns wieder zurück zum Corrall. Kite verabschiedet sich von uns und bittet uns darum, möglichst locker vom Pferd zu steigen, ebenso locker zum Auto zu laufen und dabei immer zu lächeln. Die Leute am Corrall seien "customers" und sollen doch einen guten Eindruck von der Tour bekommen... Er hat die Lacher voll auf seiner Seite und so versuchen wir, uns den Rat zu Herzen zu nehmen, auch wenn diverse Knochen dabei aufschreien. Wir verabschieden uns von ihm mit einem schönen Trinkgeld und bedanken uns herzlich für die tolle Tour. Natürlich gibt es auch ein anerkennendes "tätschle" für Jessica und Missis B. Jürg gibt mir den Ritterschlag mit der Bemerkung, dass auf einer Skala von 1 - 10 der Ausflug eine 7 kriegt.
Wir fahren zurück zu unserem Campingloop und stellen erneut unser Fahrzeug. Es gibt einen gemütlichen Nachmittag. Hosen, die lecker nach Pferd schmecken, müssen gewaschen werden. Zudem hat sich Jürg ein Bierchen verdient und das geniesst er nun gemütlich in seinem Campingstuhl. Irgendwann gesellt sich Mäthu zu uns. Eva ist im Camper am Schlafen. Ihr Erholungsbedürfnis ist im Moment sehr gross und das tut sie richtigerweise auf ihre Art. Mäthu ging in der Zwischenzeit wandern. Ist ein Wanderweg mit 4 - 5 Stunden angeschrieben, braucht er dazu locker höchstens 3 Stunden. Er ist wirklich ein sportliches Kerlchen und wir wünschten uns, nur 10 % seiner Kondition zu haben...
Irgendwann taucht auch Eva auf. Mäthu kann Eva zu einer kleinen Tour an den Rim überzeugen. Jürg setzt sich vor den Camper und liest und ich lege mich zu einem kleinen Nickerchen hin, das aber dann über zwei Stunden dauert. Ich glaube, dass wir noch selten so erholsame Ferien hatten.
Um fünf Uhr sind Eva und Mäthu zurück. Sie sind bis zum Sunrise Point gewandert und haben zusammen den Ausblick in den herrlichen Canyon genossen. Da es ein schöner Abend wird, entscheiden wir uns zu einem gemütlichen Grillieren. Wir packen unseren Mampf ein und spazieren hinauf zu Eva und Mäthu. Die Herren widmen sich sofort mit Hingabe dem Einfeuern und schon bald brutzeln leckere Steaks, Speckkartoffeln und Shrimps auf dem Feuer. Es wird ein gemütlicher Abend. Die Sonne scheint angenehm zu uns, ein lauer Wind weht durch den Wald und immer wieder erblicken wir Rehe, die schüchtern an uns vorbeiäsen.
Leicht melancholisch schweifen wir bereits ein wenig die Vergangenheit, was uns bis jetzt gefallen hat und was nicht. Wie wir das Campen finden und ob wir das mal wieder wiederholen wollen. Es wird uns bewusst, dass die Camperferien langsam dem Ende zu gehen.
Gegen halb acht kehren Jürg und ich zurück zu unserem Camper. Das Schöne an unseren gemeinsamen Ferien ist die Tatsache, dass wir uns gegenseitig nicht auf die Nerven gehen. Jeder macht das worauf er Lust hat. Wir geniessen es zusammen zu fahren oder Frühstück und Abendessen zu teilen. Aber wenn jemand andere Pläne hat, akzeptieren wir das. So macht gemeinsames Reisen wirklich Spass!
Gemütlich sitzen Jürg und ich noch ein wenig vor unsrem Camper und geniessen die aufkommende Nacht. War ich zu Beginn der Reise skeptisch, ob ich mit dem Campen wohl klar komme, geniesse ich heute jede Minute. Ich vermisse weder TV noch ein Hotelbett. Ich denke, dass dies nicht das letzte Mal war, dass wir so herumreisen.
Aufbruch: | 21.05.2009 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 16.06.2009 |
Route 66