Wild West im Motorhome und eine Woche NY
Schafft es Mäthu?
Es wird eine kurze Nacht. Mit starken Kopfschmerzen erwache ich um sechs Uhr. Es gibt hier ein Continental Breakfast, das im Zimmerpreis inbegriffen ist. Um neun Uhr begeben wir uns in den Frühstücksraum. Mit unserem diesjährigen "Glück" ist bereits eine Angestellte am Abräumen, da es Frühstück nur von sieben bis neun gibt. Wir sind allerdings nicht die einzigen Gäste, die das nicht wussten, und nun ziemlich sauer sind. Bevor die gute Dame alles wegräumt, schnappen wir uns einen Teller und häufen noch ein paar Bagles und Früchte drauf, was die Dame vom Hotel ziemlich in Rage bringt. Auf dem Zimmer geniessen wir das wenige, das wir ergattert haben, und machen uns Kaffee, was wenigstens die Lebensgeister wieder weckt. Mäthu ist nach wie vor am Fliegen, und wir können nichts anderes tun als hoffen, dass die Immigration in Chicago grosszügig ist.
Es ist an der Zeit nun zu planen wie es weitergehen soll. Evi will ihre Ferien abbrechen, wenn Mäthu nicht in die USA reisen kann. Sie will hier im Hotel bleiben bis sie weiss, was Sache ist. Heute sind unsere Camper abholbereit. Um 10 Uhr kommt ein Angestellter von Road Bear und bringt uns zu ihrem Standort. So vereinbaren wir, dass Jürg und ich unseren Camper nun holen werden und Road Bear über die Situation aufklären. Sollte Mäthu nicht einreisen können, dann annullieren wir ihre Reservation und Evi fliegt zurück. Sollte die Einreise aber klappen, dann bleiben Jürg und ich eine Nacht länger am Lake Mead um auf sie zu warten.
Traurig verabschieden wir uns von Evi. Wir bewundern sie wie sie das Ganze cool und stark einsteckt! Um zehn Uhr werden wir von einem Van abgeholt. Bei andern Hotels werden noch zwei weitere Paare aufgeladen, dann geht es in einen Vorort von Las Vegas zu Road Bear. Auf Schweizerdeutsch werden wir von einem jungen Mann begrüsst. Road Bear wurde vor 25 Jahren von einem ausgewanderten Schweizer, notabene einem Berner, gegründet. Einer der grossen Vorteile - nebst guten Fahrzeugen und hoher Qualität - ist die Tatsache, dass sie Angestellte haben die in Deutsch, Französisch und Italienisch Auskunft geben können. So ist es nicht verwunderlich, dass die beiden anderen Paare aus Deutschland kommen.
Am Schalter erklären wir die Situation unserer Freunde. Die Reservation wird selbstverständlich den Umständen angepasst, so dass die Beiden morgen ihr Fahrzeug abholen können. Der junge Mann aus der Schweiz bringt uns zu unserem schönen Camper und erklärt uns alle Einzelheiten. Ich bin so was von froh, dass ich Jürg habe! Der begreift die ganzen technischen Details mit Sicherheit schneller als ich. Natürlich wird das Motorhome auch auf allfällige Schäden untersucht, nicht dass wir die dann zu tragen hätten.
Es ist tierisch heiss, die Sonne brennt vom Himmel und ich bin todmüde. Eine schlechte Kombination. Die normale Freude auf den Ferienbeginn kommt nicht auf. Der Gedanke "wir sind in Las Vegas" hätte die Glückshormone normalerweise rasen lassen, doch im Moment ist davon wenig zu spüren. Immer wieder rufen wir Eva an um zu fragen, ob sie schon mehr weiss, was aber nicht der Fall ist.
Endlich sind die Instruktionen zu Ende und ich bin so was von froh, dass ich mit einem Berufschauffeur verheiratet bin. Wenn ich mich nun noch hinters Steuer hätte setzen müssen, wäre die Pannenshow wohl definitiv dem Höhepunkt zu gegangen. Für Jürg hingegen ist das Fahren eines 8-Meter langen Fahrzeugs "Peanuts". Langsam gleiten wir auf dem vierspurigen Highway hinaus aus Las Vegas hinein in die knochentrockene Wüste. Plötzlich erblicken wir rechterhand einen grossen Wall Mart. Camping-Ferien bedeutet halt auch selber zu kochen und dafür muss zuerst mal eingekauft werden. Zum Glück habe ich schon zuhause einen langen Einkaufszettel gemacht, so dass ich mir nicht noch darüber Gedanken machen muss. Ich wäre nicht in der Gemütsverfassung über Kochmöglichkeiten nachzudenken.
Über eine Stunde schlendern wir durch die riesigen Gestelle und kaufen ein, was wir für die nächsten Tage brauchen. Abendessen, Frühstück, für Zwischendurch, aber auch einfach Dinge wie Putzmittel, Schmöckis oder Toilettenpapier. Schwer beladen schmeissen wir alle Plastiksäcke in den Camper. Einräumen können wir an unserem Standort, den wir bereits von zuhause aus gebucht haben.
Müde fahren wir über den Boulder Highway weiter und biegen irgendwann mal kurz vor dem Hoover Dam ab Richtung Lake Mead. Oberhalb des Sees erblicken wir das Trailer Village, wo wir einchecken. Auch hier müssen wir die Story von unseren Freunden erzählen. Wir haben ja zwei Stellplätze gebucht. Den einen können wir ohne Kosten annullieren, was wir sehr nett finden! Auch die zweite Nacht ist kein Problem, allerdings könnten unsere Freunde dann nicht neben uns sein. Das ist uns wirklich egal, Hauptsache sie sind da! Die drei älteren Ladies am Schalter geben sich die grösste Mühe. Es ist nämlich Memorial Day Weekend und somit sind die Plätze ziemlich ausgebucht. Doch sie schaffen es, dass wir unseren gebuchten Deluxe Platz eine Nacht länger behalten können.
Langsam fahren wir zwischen den vielen Trailers und Motor Homes hinunter zu den Deluxe Standplätzen. Erhöht über dem See haben wir unseren schönen, asphaltierten Platz mit Anschluss an Strom, Abwasser und Trinkwasser. Der Ausblick ist schlicht grandios und ... es ist tierisch heiss! Die Sonne brennt erbarmungslos hinunter und ich hoffe nur, dass wir die Klimaanlage so schnell wie möglich zum Laufen bringen. Hitze bringt mich um, zusammen mit meiner bleiernen Müdigkeit, ist dies eine blöde Verbindung. Unseren ersten Campingtag haben wir uns definitiv anders vorgestellt.
Jürg übernimmt das Zepter! Mein technisch begabter Göttergatte hat schon bald Wasser, Abwasser und Strom an das Fahrzeug angehängt. Die Slide Outs funktionieren, so dass unser Schlafzimmer eingerichtet werden kann. Doch die Hitze im Wagen ist kaum auszuhalten und ... die Klimaanlage funktioniert nicht!
Nun ist es mit meiner Kraft definitiv am Ende: im Camper herrscht das nackte Chaos, die Hitze ist unerträglich, ich habe einen hochroten Kopf mit Kopfschmerzen, bin todmüde und den Tränen nahe. Auf dem Bett sitzend erkläre ich Jürg, dass ich Camping hasse und mir ein Hotelzimmer mit Bett und Klimaanlage wünsche und nie mehr im Leben solche Ferien machen wolle. Wenn ich so aufgebe, ist das wirklich alarmierend! Jürg holt mir sofort Wasser zum Trinken, rennt nach draussen um nachzuschauen, warum die Klimaanlage nicht funktioniert und merkt, dass es da noch einen Sicherungsschalter gibt, den man zuerst drücken muss und plötzlich weht ein herrlich kühler Wind durchs Motorhome, so dass ich wieder atmen kann! Viel Wasser trinken und etwas Essen helfen weiter und langsam finde ich wieder zu meinen Lebensgeistern.
Plötzlich klingelt das Handy. Es ist Eva und sie hat wunderbare News: MÄTHU KONNTE EINREISEN! Wir können es kaum glauben und jubeln gemeinsam herum. Eva erzählt, dass er bei der Immigration in ein Büro für "suspect person" musste. Dort erzählte er einem älteren Beamten die ganze Story. Dieser knallte ihm den Stempel in den Pass und meinte, es sei okay, er könne einreisen. Seit langem muss ich zugeben, dass die Amis in dieser Hinsicht nicht so schlimm sind wie ihr Ruf. Wir sind so was von glücklich! Endlich werden wir unsere Ferien gemeinsam angehen können! Mäthu wird nun ebenfalls mitten in der Nacht in Las Vegas ankommen. Er sei nervlich ziemlich am Ende, meint Eva. Wir geben ihr den Rat morgen alles langsam anzugehen bis sie zu uns stossen!
Nun ist die Welt definitiv wieder in Ordnung: Mäthu ist da, die Ferien können gemeinsam losgehen, die Klimaanlage funktioniert und dank Wasser und Essen fühle ich mich wieder gut. Also los von Rom: Wir verräumen das ganze Gepäck in die vorhandenen Schränke, die Lebensmittel in den Kühlschrank, die Koffern in den Kofferraum und so ordnet sich das Chaos im Innern langsam. Als alles an seinem Ort ist, holen wir unsere Campingstühle und setzen uns in den Schatten vor unser Motorhome und geniessen einen kühlen Drink. Was für ein Ferienanfang...
Lange geniessen wir den Ausblick auf den strahlendblauen See, auf die umliegenden roten Berge und die karge Vegetation. Es ist ein herrlicher Abend! Über unsere Köpfe fliegen immer wieder Flugzeuge, welche im Landeanflug auf Las Vegas sind. Und so prosten wir regelmäßig den Maschinen zu, denn schon bald wird auch Mäthu über unsere Köpfe fliegen. Herzlich willkommen in Vegas!!
Irgendwann rufen wir Eva nochmals an. Wir schlagen vor, dass wir mit unserem Motorhome nochmals zurück nach Vegas fahren um sie und Mäthu abzuholen. Die beiden werden nervlich wohl ziemlich strapaziert sein, so dass wir ihnen beim ersten Einkauf helfen und ihnen natürlich den Weg zum Lake Mead zeigen können. Eva ist darüber äusserst erfreut. So vereinbaren wir, dass wir uns um halb eins beim Wall Mart treffen.
Abendessen steht an! Wir haben leckere Steaks eingekauft, merken jedoch, dass wir noch kein Brennmaterial haben. Vor unserem Auto befindet sich ein toller Grill und den wollen wir heute Abend ausprobieren. Neben uns parkt ein weiteres Motorhome. Eine Familie mit Tochter richtet sich häuslich ein und schon bald merken wir, dass es Neuseeländer sind. Was für ein schöner Zufall!
Ein älterer Herr mit Golfwagen hat die Leute an ihren Platz geführt. Wir fragen ihn, ob man im Laden oben Kohle für den Grill kaufe kann. Logisch kann man! Wir dürfen gleich bei ihm einsteigen. Dafür sind wir äusserst dankbar, denn der steile Marsch zum Laden bei der Hitze hätte uns wenig behagt. Er erzählt uns, dass er nun seit 4 Jahren hier mit seiner Frau lebe. Als wir im Laden eingekauft haben, anerbietet er sich uns wieder hinunterzuführen. Das nehmen wir natürlich gerne an. Als er hört, dass wir aus der Schweiz sind, erzählt er uns, dass er letztes Jahr in Edinburg war und dort das Tattoo besuchte. Dort hätte er die Basler Secrets Drums gesehen, und die wären absolute Spitze gewesen. Wir staunen nicht schlecht. Da ist man irgendwo im Südwesten der USA mitten in der Wüste und man erzählt uns mit Begeisterung von den Basler Secret Drums. Die Welt ist wirklich ulkig.
Unserem Grillabend steht nun nichts mehr im Weg. Jürg feuert ein. Ich spaziere mit meinem Fotoapparat die ganzen Trailerplätze ab und staune nicht schlecht über die "Einfamilienhäuser" auf Rädern. Da ist unser 8-Meter-Wagen schlicht bescheiden. Da ein verlängertes Weekend ansteht, sind natürlich viele Leute mit Kind und Kegel hier. Camping-Profis! Man hat alles dabei, was man für eine Party braucht. Da gibt es doch sogar jemanden, der einen Beamer hat, der auf die Seitenwand seines Campers gerichtet ist, damit die Kiddies TV schauen können. Kaum zu glauben! Überall riecht es herrlich nach gebratenem Fleisch. Die untergehende Sonne verwandelt die umliegenden Berge in die herrlichsten Farben und langsam nimmt auch die Hitze ab.
Jürg grilliert die Steaks perfekt. Dazu gibt es Gemüse mit Dip, Chips und eine Flasche leckeren Beringer White Zinfandel. Die Welt ist nun schlicht in Ordnung und wir geniessen den herrlichen Abend in vollen Zügen.
Irgendeinmal kommen wir mit den Neuseeländern ins Gespräch. Sie sind aus Auckland und fliegen morgen weiter in die Rockies, wo sie noch eine Woche auf einer Ranch verbringen wollen. Da sie gewisse Sachen hier lassen wollen, schenken sie uns zwei Säcke mit Kohlebrickets, die wir natürlich gerne annehmen.
Lange sitzen wir draussen und beobachten wie die Nacht langsam hereinbricht. Der Sternenhimmel ist einmalig schön und ich beginne zu begreifen, was das Geheimnis des Campings ausmacht. Das Hotelzimmer ist definitiv vergessen und ich freue mich auf die weiteren Tage. Im Camper haben wir zwei Betten zur Verfügung. Hinten ein grosses Doppelbett und oberhalb der Führerkabine ein weiteres. Wir entscheiden uns es einmal zusammen hinten zu versuchen. Die Matratze ist ziemlich hart und ich lasse mich überraschen wie sich meine Rückenschmerzen da entwickeln. Immerhin bin ich so todmüde, dass diese Nacht wohl jedes Bett recht gewesen wäre.
Wir freuen uns auf Eva und Mäthu!
Aufbruch: | 21.05.2009 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 16.06.2009 |
Route 66