Wild West im Motorhome und eine Woche NY
Der Zion Nationalpark
Heute morgen erwartet uns wieder ein strahlendblauer Morgenhimmel. Alles rund herum sieht wie frisch gewaschen aus. Doch es ist auch ziemlich kühl, so dass wir unser Frühstück im Camper geniessen. Um neun Uhr sind wir alle parat für unseren Ausflug in den Zion hinein. Wir spazieren zu den Shuttle Bussen, die uns mitten in den Nationalpark bringen. Immer wieder gibt es Stopps, wo Leute zu- oder aussteigen.
Wir fahren bis zur letzten Haltestelle, zum Temple of Sinawava. Dort geht es per pedes weiter in ein enges Tal hinein. Linkerhand fliesst der Virgin River und rundherum scheinen uns hohe Felswände zu erdrücken. Wir wandern tief im Schatten des erwachenden Morgen.
Zion ist übrigens ein altes hebräisches Wort und bedeutet so viel wie Zufluchtsort oder Heiligtum, welches oft von mormonischen Siedlern in Utah benutzt wurde. Der Nationalpark besteht aus herrlichen Bergen und tiefen Canyons. Wir befinden uns zur Zeit im bekanntesten, dem Zion Canyon. Die Canyons sind aus 170 Millionen Jahren altem braunen bis orangen Sandstein entstanden. Hier befinden wir uns am Rande des Colorado Hochplateaus zwischen dem Great Basin und der beginnenden Mojave Wüste.
Der Virgin River entspringt nahe dem Park auf rund 2700 Meter über Meer und mündet 320 Kilometer weiter südöstlich in den Colorado River.
Die ersten Menschen lebten bereits vor 6000 Jahre hier, wie Funde belegten. Um 300 nach Christus lebten auch Anasazi Indianer hier. Sie errichteten unterirdische Behausungen, wo sie ihre Vorräte horteten. Es waren Jäger und Sammler, die langsam begannen ihren Speiseplan durch Ackerbau zu erweitern. 200 Jahre später waren sie davon so abhängig, dass sie sesshaft wurden und Pueblos bauten. Jedoch blieben sie in kleinen Gruppen. Es entstanden nie grosse Siedlungen wie in Mesa Verde. Auch hier verschwanden die Anasazi um 1300 herum. War es eine lange Dürre, gefolgt von schweren Überschwemmungen, die dafür verantwortlich war? Oder der Konkurrenzkampf mit den eindringenden Ute und Pajute Indianer? Man weiss es bis heute nicht.
Im späten 18. Jahrhundert wurde der Zion von den ersten Weissen erkundet, von zwei spanischen Franziskaner-Patres. Um 1850 siedelten sich die ersten Mormonen entlang des Virgin Rivers an und entdeckten dank einem Indianer den Zion Canyon. Doch die Hoffnung auf hohe landwirtschaftliche Erträge erfüllte sich nicht, so dass viele Farmer das Tal wieder verließen.
Zahlreiche Expeditionsberichte zu Beginn des 19. Jahrhunderts liessen den damaligen Präsidenten der USA, William Howard Taft, das Mukuntuweap National Monument ausrufen, das später zum Zion Nationalpark wurde. Tourismus fand anfänglich aufgrund der fehlenden Infrastruktur nur spärlich statt. Dies änderte sich als 1920 die Zion Lodge erbaut wurde.
Heute zählt der Zion Nationalpark mit seinen roten Sandsteinfelsen und malerischen Canyons zu den schönsten Parks der USA, was rund 2,6 Millionen Besucher jährlich bestätigen.
Wir befinden uns nun auf dem Riverside Walk und wandern rund 2 Kilometer weit in die Zion Narrows hinein. Die Felsen des Canyons erreichen rund 600 Meter Höhe und lassen uns klein und hässlich erscheinen. Plötzlich hört der Wanderweg auf. Weiter geht es nur noch durch den Fluss. Eva und Mäthu haben Wasserschuhe bei sich und lassen Wanderschuhe und Rucksack bei uns. Dann klettern sie hinunter an den Virgin River und tapsen langsam ins kalte Nass. Mäthu zeigt schon bald mit einem deutlichen Handzeichen wie kalt das Wasser ist... Ich bin froh, habe ich mich gegen den Riverwalk entschieden. Meinem Schnupfen täte dies wohl nicht sehr gut.
So lassen wir die beiden gemütlich den Virgin River hinaufstapfen und beobachten die vielen Touristen, die es ihnen nach machen. Viele Leute gehören zu gebuchten Touren, die mit der professionellen Ausrüstung versehen sind. Dazu gehören richtig tolle Wasserstiefel. Natürlich hat es auch die "wir wollen mal schauen wie's ist" Touristen, die dann barfuss oder mit ihren normalen Schuhen in den Fluss latschen. Die meisten brechen den Versuch schnell wieder ab...
Jürg und ich sitzen im morgendlichen Schatten und bewachen Evas und Mäthus Gepäck. Als es mir zu langweilig wird, spaziere ich gemütlich wieder den Wanderweg zurück. Die Sonne erobert immer mehr vom malerischen Tal und entsprechend schöne Bilder warten um eingefangen zu werden. Lange sitze ich am Virgin River und geniesse das Rauschen des Wassers und den wärmenden Sonnenschein.
Irgendwann sind wir alle wieder bei der Shuttlebus Haltestelle zurück. Eva will zum Camper heimkehren um einen gemütlichen Nachmittag zu geniessen. Mäthu hat die Absicht noch ein paar Touristen frustrieren zu gehen - sprich eine Wandertour zu unternehmen (und ich gehe mal schwer davon aus, dass es frustrierend ist, wenn einer da locker beim Aufstieg an Leuten vorbeidüst, die sich "hochkrampfen").
Jürg und ich wollen uns auch noch sportlich betätigen, aber im kleineren Rahmen. Zuerst steigen wir bei der Haltestelle Big Bend aus um festzustellen, dass es außer der Hauptstrasse keinen eigentlichen Wanderweg gibt. Also nehmen wir wieder den nächsten Shuttlebus und lassen uns zum "Grotto" fahren und wandern bis zur Zion Lodge.
Dort ist schlicht die Hölle los. Es ist ein Treffpunkt für alle und die einzige Möglichkeit sich zu verpflegen. So sitzen viele Leute gemütlich in den Restaurants und dazugehörigen Terrassen oder picknicken auf der grossen Wiese unter riesigen Bäumen. Wir wollen noch zu den Emerald Pools. Eine Brücke führt uns über den Virgin River. Die Mittagssonne lässt die herrliche Umgebung völlig unwirklich erscheinen. Die Farben wirken wie unter gleissendem Flutlicht. Das Rot, Weiss, Orange und Braun der umliegenden Berge, dann das lindengrün der Bäume im Tal, der smaragdgrüne Virgin River und darüber der tiefblaue Himmel mit den aufkommenden schneeweißen Kuschelwolken. Man fühlt sich wie in einer gemalten Kulisse gefangen. Einfach nur schön...
Der Wanderweg steigt langsam an. Plötzlich zeigt Jürg auf einen Ast am Boden. Doch dieser bewegt sich. Es ist eine grünliche Schlange mit zwei gelben Streifen. Sie scheint ungiftig zu sein, aber so sicher weiss man das nie. Zuerst schlängelt sie sich dem Weg entlang, dann verschwindet sie im Gras.
Viele Leute wandern mit uns dem Berghang entlang hinauf zu den Pools. Nach einer weiteren Wegbiegung erblicken wir plötzlich einen riesigen überhängenden Felsen, der wie eine breite Höhle aussieht. Und genau unter diesen Felsen führt der Wanderweg, zum Abgrund hin gesichert durch ein eisernes Geländer. Und über unseren Köpfen entfaltet sich ein Vorhang aus glitzernden Wassertropfen, die sich in einen kleinen Pool unterhalb unseres Weges ergiessen. Es ist ein wunderbarer Anblick und viele Leute bleiben stehen und geniessen den Ausblick. Je nach Windrichtung kann man plötzlich unter einer frischen Dusche stehen, was bei der Mittagshitze nicht weiter tragisch ist.
Wir wandern auf die andere Seite des Pools und geniessen auch hier den schönen Ausblick. Dann geht unsere Wanderung wieder zurück zur Zion Lodge. Immer mehr Gewitterwolken entstehen über den schroffen Felsen, doch die Sonne scheint nach wie vor heiss zu uns hinunter.
Jürg und ich setzen uns wie viele andere untern einen der grossen Bäume und geniessen einen kleinen Lunch. Dann fahren wir mit dem Shuttlebus zurück zu unserem Campingplatz. Bei jedem Nationalpark ist es ein Muss, das Visitorcenter zu besuchen und das tun wir nun auch. Es gibt viele Informationen über den Park und ein grosses Modell zeigt uns die Ausmasse des Zions. Ein beeindruckender Anblick! Viele Bücher, Postkarten und Posters zeigen fantastische Stimmungen, die im Park entstehen können, und wir heute auch erleben durften.
Die Kumuluswolken werden immer höher und höher und langsam verbinden sie sich zu währschaften Gewitterzellen. Also schnell zurück zum Camper!
Jürg legt sich hin und ich setze mich in einen Campingstuhl und lese in meinem Buch. Es ist äußerst spannend die Wetterentwicklung zu verfolgen. Doch schon bald fallen die ersten Tropfen und bedrohlicher Donner ertönt aus den Canyons. So ziehe auch ich mich in den Camper zurück und lege mich zu einem Nickerchen hin. Es ist äußerst romantisch im Bett zu liegen und draussen toben die Elemente. Es blitzt, donnert und gewaltige Wassermassen ergiessen sich auf unser blechernes Dach. Schön, dass man sich da in warme Decken kuscheln kann. Schon bald bin ich eingeschlafen und erwache erst wieder gegen Abend.
Mäthu und Eva gesellen sich zu uns. Das Gewitter ist weitergezogen, nur noch ein bewölkter Himmel zeugt vom Donnerwetter. Mäthu hat eine tolle Wanderung hinter sich und Eva hat sich herrlich ausgeruht. Leider gibt es in unserer Pannenstatistik noch Zuwachs. Bei ihrem Camper ist die Toilette verstopft! Am ersten Tag unserer Ferien hat mir Jürg einen Vortrag gehalten, was alles das ich NICHT in die Toilette werfen darf. Dazu gehörten auch die allseits beliebten Feuchttüchlein. Leider war Eva bei diesem Vortrag noch nicht anwesend und so kommt doch Jürg zu seinem Highlight der Ferien: ER HATTE RECHT! Das mögen wir ihm doch alle von Herzen gönnen. Und so erfreuen sich Mäthu und Jürg nun noch der abendlichen Aufgabe, die sanitäre Anlage wieder in Schuss zu bringen.
Nach dem Gewitter ziehen nun auch die Wolken ab und zurück bleibt ein traumhafter Abendhimmel.
Es ist der zweitletzte Abend unseres Campingabenteuers. Traurig stellen wir das fest! Doch diesen Abend wollen wir bei einem weiteren leckeren Abendessen geniessen. Mäthu und Eva gediegen bei Lachs, Jürg und Fränzchen echt amerikanisch mit Hot Dogs. Wir haben Brötchen, deutsche Würstchen und natürlich viel Ketchup und Senf. Es schmeckt lecker.
Gemütlich sitzen wir wieder beieinander und lassen die vergangenen Wochen Revue passieren. Und morgen bricht unser letzter Tag an. Es geht zurück an den Lake Mead. Die Reise durchs Colorado Hochplateau war wunderschön und inspirierend. Es ist wahrlich eine der schönsten Landschaften unserer Erde. Die Farbenpracht, die unglaublichen Felsformationen, die eindrücklichen Canyons und die endlose Weite ist etwas vom Schönsten, was man erleben kann. Viele Male hatten wir nun schon die Freude und das Glück den Südwesten der USA kennenzulernen und jedes Mal ist es wieder ein Erlebnis. Doch dieses Mal war es ein besonderes. Ein naturverbundeneres.
Aufbruch: | 21.05.2009 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 16.06.2009 |
Route 66