Die Slowakei per Fahrrad erkunden
von Monika zum Paradies, dem slowakischen
Montag, 2.September 2002
Beim Zahlen meiner Zeche bin ich erstaunt: 14 €uro hat mich hier die Halbpension gekostet, hier lohnt es sich, wieder herzukommen!
Heute soll der Kamm der Hohen Tatra an ihrem Westende mit dem Rad überwunden werden. Die Schönheit der Strecke ist mir schon von verschiedenen Leuten angepriesen worden, aber per Fahrrad ist es zunächst ein strapaziöser Anstieg bis auf 1100 m ü.M. Die Straßenbauer hatten die Freundlichkeit, ab 1200 m unter der Paßhöhe auf das Pflaster zu schreiben, wieviel Strecke man bis oben noch zu überwinden hat. Diesem Countdown schließe ich mich an, mal schiebend, mal wieder tretend. Dass es nach oben hin deutlich kühler wird, merke ich bei der Anstrengung gar nicht. Beim Zurückblicken staune ich immer nur, wie klein die Orte hinter/unter mir geworden sind. Doch der Höhepunkt liegt etwas hinter der höchsten Stelle. Die Straße macht hier einen weiten Linksbogen über einen Landvorsprung hinweg, und hier hat man eine weite Sicht ins Tal des Vah (des Waag), der bei Liptovsky Mikulas zum Liptauer Meer aufgestaut ist. Hier scheint es noch viel tiefer herunterzugehen als ich heute heraufgefahren bin. In -zig Kehren sause ich hinab, das Öl fließt aus der Radnabe, weil die Rücktrittbremse sie so erhitzt hat, die Vorderradbremse muß mehr Verantwortung übernehmen. Zwischendurch immer wieder kurze Halte an besonders schönen Stellen, schade, dass heute keine Sonne scheint. Gott sei Dank, dass es nicht regnet, denke ich bei meiner Mittagsrast am Liptauer Stausee, denn im Westen schieben sich schwarze Wolken die Berge hinauf und man sieht genau, wo es bereits schüttet. Doch scheint es mir zu gelingen, vor den schwarzen Wolken wegzufahren, ich komme trocken bis Liptovsky Jan, wo ich ein Sporthotel mit einfacher Unterkunft finde. Ohne Gepäck noch einen Abstecher zum Thermalbad will ich unbedingt noch machen. Leider ist ausgerechnet montags dort geschlossen. So fahre ich zunächst ziellos durch den Kurort talaufwärts bis ich ans Ende der Autostraße komme. Weiter führt ein gesperrter asphaltierter Weg bergauf. Wenigstens ein paar Kilometer will ich ihn erkunden, am Ende werden 10 km daraus. Es geht am tosenden Bach bergauf bis weit in die Niedere Tatra. Blickt man zurück, hat man das Panorama der Hohen Tatra im Norden vor sich, an dem sich die Wolken teils abgeregnet haben, teils noch abregnen. Und hier scheint die Sonne gerade so ins Tal, dass ich auch etwas davon abbekomme. Noch schöner wird die Rückfahrt bergab, die aber äußerste Konzentration erfordert, und als ich unten bin, habe ich vom Fahrtwind eiskalte Knie und klamme Hände - bei 18 bis 20 Grad ! Abends studiere ich die neu gekaufte Fahrradkarte Nr. 3, die auch eine Fülle von Tourenvorschlägen mit genauer Angabe des Schwierigkeitsgrades und der zu überwindenden Höhen enthält. Es gibt also einen Waldweg, der 74 Kilometer bis zum slowakischen Paradies führt und der nur einmal eine Hauptstraße kreuzt. Den nehme ich mir für morgen vor.
Dienstag, 3.September 2002
Das Wetter scheint mitspielen zu wollen. Nachts hat es sich gründlich ausgeregnet, nun dampfen die Wiesen und Wälder und die Sonne strahlt von oben, richtiges Wetter zum Fotografieren. Und die Gegend, die mich erwartet, ist genauso fotogen. Ich mache kurz Rast an einer "Ranch", wie ein geschäftstüchtiger Slowake seinen malerischen Campingplatz umbenannt und für Touristen umfunktioniert hat, komme an einem Stausee vorbei, der den einen Quellfluß des Waag aufstaut, bis die Straße für Autos gesperrt ist und nur der Holzabfuhr dient. Das ist die Radroute pur, auch wenn es ab und zu mal weit am Hang hinauf und dann wieder heruntergeht, aber die Steigungen sind so gehalten, dass ein voll beladener Langholzwagen den Berg noch schaffen kann, also brauche auch ich niemals abzusteigen. Anders wird das erst vor der Wasserscheide zwischen Donau und Theiß, dem Liptauer Land im Westen und der Zips im Osten. Die Größe des neben mir fließenden Bachs gibt meist einen ungefähren Anhalt dafür, wie weit es noch zur Paßhöhe ist. Zunächst bin ich daher erfreut, dass die Straße zur Zips links aus dem Tal herausführt. Aber mit 19 % Steigung selbst für ein hochgezüchtetes Mountainbike zuviel. Am liebsten würde ich Rad und Gepäck getrennt hinaufschieben, so muß es mit immer häufigeren Pausen gehen. Tief durchatmen ist angesagt, und nach 40 Minuten geht's auf der andern Seite herunter, genauso steil und, was noch übler ist, der Straßenzustand wechselt zwischen erstklassig und chaotisch. Es bleibt nur Schritt fahren möglich und das Auge stets aufs Pflaster vor mir gerichtet. Nach 20 Minuten ist das ärgste überstanden, Zeit für eine Mittagsrast im Grünen. Ich schlage einen Seitenweg ein und picknicke mitten auf einer saftig grünen Wiese, deren Artenvielfalt kaum zu überbieten sein dürfte. Wasser liefert eine Quelle, die ich dort entdecke, es fehlt mir nur das Öl für meine Hinterradnabe. Das kann mir erst der Vermieter meines Zimmers in Myto bei Hrabovce, am Eingang zum Slowakischen Paradies bieten. Dort finde ich abends Quartier in einer alten Mühle, die bis vor kurzem noch vom Wasser des Hornad betrieben wurde. Dieser Fluß verschwindet in etwa 1 km Entfernung in hohem Bergland, und mir ist schleierhaft, wie er da überhaupt bergab fließen kann. Noch am Abend sehe ich mir die "Gurgel des Hornad" an. Er fließt dort, nachdem er sich kilometerweit durch das liebliche Zipser Hügelland geschlängelt hat in eine Felsspalte, in der außer dem Fluß nur ein schmaler Laufsteg Platz hat. Hier ist an Radfahren nicht mehr zu denken, und selbst Fußwandern kann dramatisch spannend werden. Das werde ich mir in den nächsten Tagen zu Fuß ansehen.
Mittwoch, den 4.September 2002
Autan sei hier die wichtigste Waffe, sagt mir mein Hauswirt noch, bevor ich starte. In der Tat, schon wenn man nur für ein Foto stehen bleibt, fallen die Mücken scharenweise ein. Also sich gut einsprühen und im übrigen immer in Bewegung bleiben. Im Hornaddurchbruch ist das gar nicht so einfach. Da sind die Stege teilweise von außen in senkrechte Felswände über dem Fluß eingeschlagen, manchmal geht es auf allen Vieren über Leitern. Besonders schwierig wird es, wenn Touristengruppen entgegen kommen, teilweise sogar schwer mit Wandergepäck beladen. Wer muß warten und wer geht weiter? Die Blicke nach oben, unten, vorn und hinten sind dramatisch. So stellt man sich Urwald vor, wären da nicht die gut verankerten Stege und gut erkennbaren Wegbezeichnungen und Wandermarken. Mal steht man tief unten in kühlem, tropfendem Grün, dann wieder auf Aussichtskanzeln von Felsvorsprüngen, die immer andere Aussichten bieten. Nicht nur der Hornad bildet hier eine etwa 15 km lange Schlucht, auch alle Bäche, die hier in ihn münden, haben teilweise noch engere Schluchten gebildet, mit Wasserfällen, die nur in einer Richtung, nämlich von unten nach oben, begangen werden dürfen. Dazwischen liegt ein Hochplateau, in dessen Mitte ein verfallenes Kloster steht. Hierhin zogen sich früher die Bewohner der Zips zurück, wenn fremde Völkerscharen das Land überfielen. Heute ist "Klastorisko" das beliebte Wanderziel, an dem sich alle Fährten kreuzen, mit einer Berghütte, zu der angeblich die Bierfässer hinaufgetragen werden müssen. Jedenfalls drückt sich das im Bierpreis aus, der für hiesige Verhältnisse saftig ist, nämlich 40 skk pro halben Liter (=0,95 €). Den Hinweis, die gekennzeicheten Wege nicht zu verlassen, befolge ich auf dem Rückweg gern, denn es gibt keine anderen Wege, oft genug darf man hier und dort einen Blick in tiefe Abgründe tun. Als ich meinem Hauswirt abends von meinem "Abenteuer" erzähle, empfiehlt er mir, das nächste mal die "Sucha Bela" hinaufzugehen, das sei noch spannender als der Hornaddurchbruch.
Beim Studium der Wanderkarten am Abend stelle ich fest, dass ich von hier aus eigentlich am leichtesten ohne Gepäck einen Tag die Stadt Leutschau (Levoca), 22 km von hier, besuchen könnte.
Donnerstag, 5.September 2002
Leutschau soll die Perle der Zips sein. Einst von deutschen Einwanderern gegründet, ist die Stadt noch nahezu komplett erhalten und wird - zumindest in ihrem Zentrum - jetzt aufwändig restauriert. Wie auch in anderen Städten der Liptau und des Zips scharen sich um einen riesigen Marktplatz in der Mitte der Stadt die Bürgerhäuser und in der Mitte des Platzes steht das Rathaus und je eine Kirche für jede Konfession. Dazwischen hat man schöne Parks angelegt, in denen sich das Leben abspielt. Ich bin erstaunt, an einem ganz normalen Donnerstagmittag dort ein Platzkonzert anhören zu können, vielleicht Vorgeplänkel zu einer Wahlveranstaltung, denn am 21.9. wird in der Slowakei gewählt. Die größte Orgel und den höchsten Altar der Slowakei kann ich ebenso bewundern wie den großen Kuppelbau der evangelischen Kirche, die heute fast keine Gemeinde mehr hat. Denn die vertriebenen Deutschen waren hauptsächlich evengelisch. Heute wird die Kirche von Spenden aus aller Welt erhalten, doch zum Gottesdienst versammelt sich nur eine kleine Schar.
Freitag, 6.September 2002
Sucha Bela steht heute auf meinem Programm. Im Prospekt wird empfohlen, sich für einen Tag nicht mehr als eine Schlucht vorzunehmen, andererseits soll man schon nach 2 ½ Stunden oben sein. Beim Klettern neben Wasserfällen über Hunderte von Leitersprossen vergesse ich das Fotografieren, es ist zu aufregend, im übrigen brauche ich stets beide Hände, um mich festzuhalten. Wahrscheinlich würde auch das Tageslicht nicht ausreichen, zwischen manchen Felsnischen wird es sehr finster. Wie andere Leute diese Kletterei noch mit voller Marschausrüstung bewältigen, alle Achtung ! Hat man die Wasserfälle erst hinter sich, kommt man auf das Hochplateau in eine ziemlich normale Wandergegend. So lange, bis man an an neues Bachbett gerät, das man nicht nach unten begehen darf. Blickt man ein wenig weiter das Bachbett hinab, sieht man wieder in Abgründe von Felsspalten und Steilhängen. Also immer schön auf den bezeichneten Wegen bleiben ! Und alle diese Wege führen wieder zu Klastorisko. Dieses Mal sehe ich mir die Klosterruine genauer an und treffe auf zwei Mönche, die sich zum Ziel gesetzt haben, aus den Trümmern des Klosters das ursprüngliche Kloster zu rekonstruieren und wiederaufzubauen. Wahrlich eine Lebensaufgabe, und die beiden haben durchaus schon vorzeigbare Fortschritte gemacht. Man kann die Grundrisse erkennen und die Kapelle in schlichtem Stil aus Holz ist bereits fertig - auf der einen Seite Gotteshaus, auf der Rückseite Freilichtbühne für Rockkonzerte, mit denen die nötigen Gelder eingespielt werden. Der nächste Schritt wird die Klosterküche und der Bierkeller sein. Man sollte sich das in zwei Jahren wieder ansehen....
Als ich auf dem Rückweg nach Nordwesten schaue, bin ich nicht ganz sicher, ob ich im Dunst ein aufkommendes Gewitter wahrnehme oder zackige Bergspitzen der Hohen Tatra, die genau in dieser Richtung liegen müßte. Und tatsächlich, kurz nach Sonnenuntergang kann ich vom Fenster meiner Unterkunft aus einen grandiosen Blick auf die gesamte Hohe Tatra genießen, nur zum Fotografieren reicht das Licht nicht mehr aus. Kein Wunder, dass das Slowakische Paradies (slovensky raj) als Touristenziel den gleichen Rang einnimmt wie die hohe Tatra.
Sonnabend, 7.September 2002
Auf meinem Weg ostwärts lerne ich noch das Touristenzentrum Cingov kennen, das den Zugang zu den Schluchten des Slowakischen Paradieses von Nordosten aus bietet. Hier stehen einige gute Hotels und am Parkplatz scheint man auf Hunderte von Tagesgästen vorbereitet zu sein. Dennoch wird der Naturschutz streng eingehalten, hinter der Sperre zum Nationalpark ist nicht nur das Blumenpflücken, Pilzesuchen und Waldfrüchteernten verboten, nein, sogar das Radfahren.
Aufbruch: | 29.08.2002 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 18.09.2002 |
Ungarn