Die Slowakei per Fahrrad erkunden

Reisezeit: August / September 2002  |  von Manfred Sürig

Im slowakischen Erzgebirge

Nächstes Ziel soll der slowakische Karst sein, ein Gebiet südlich des Slowakischen Paradieses, in dem es zahlreiche Höhlen und Grotten, darunter die weltberühmte Eishöhle von Dobczina gibt. Der direkte Weg dorthin führt über einen 1100 Meter hohen Paß, den ich mir eigentlich ersparen möchte, zumal die Radwanderkarte eine Tour am Nordrand des slowakischen Erzgebirges nennt, die im Tal des Hornad bis Margecany führt. Von dort aus kann man dann talaufwärts im Tal des Hnilec, der das Slowakische Erzgebirge von Süden entwässert, wahrscheinlich mühelos zum Slovensky Karst gelangen. Zunächst führt der Weg über die Stadt Spiska Nova Ves, in der am Sonnabendvormittag geschäftiges Treiben herrscht. Platzkonzert einer Trachtenkapelle vor dem Stadttheater im Jugendstil, ringsum Stände von Handwerkern mit traditionellen Werkstätten, wie man sie bei uns nicht mehr kennt: Schmiede, die einen gußeisernen Gartenzaun vor aller Augen zusammenklopfen, Stickerinnen in Tracht, die die Wappen aller Kreise (okres) der Slowakischen Republik auf bunten Decken zusammenfügen, Goldschmiede, Kunstmaler, Holzschnitzer und Köche, die die Zipser Küche präsentieren. Hier lerne ich die berühmten Zipser Mehltaschen, gefüllt mit Liptauer Schafskäse, kennen. Eine Delikatesse, an die man sich erst gewöhnen muß, aber ungeheuer sättigend. Die Weiterfahrt talabwärts ist nicht so, wie ich sie mir vorgestellt habe. Der Hornad fließ seine eigenen Wege, die Straße führt über Berge von Seitental zu Seitental. So kommen die 650 Meter Höhenunterschied zustande, die in der Beschreibung stehen, aber 650 Meter abwärts geht es ja auch. In Margecany ist der Tiefpunkt erreicht, hier ist der Hornad aufgestaut, nach rechts geht es wieder bergauf, wenn auch mäßig. Obwohl auch hier die Landschaft malerisch ist, eine touristische Erschließung scheint es noch nicht zu geben, Unterkünfte sind unbekannt. Statt dessen sehe ich gelegentlich die Halden stillgelegter Bergwerke oder Erzhütten, auf denen Roma ihre Siedlungen mit Papp- und Blechhütten aufgeschlagen haben. Am Rand der Siedlungen meterhoher Müll von leeren Flaschen und Dosen und Kartons und Unmengen braunhäutiger Kinder. Wovon mögen diese Leute leben ? Man fühlt sich an Venezuela erinnert.

Das Wetter spielt nicht so ganz mit. Vor Golnica komme ich in ein Gewitter, das bei der herrschenden Windstille auf der Stelle zu stehen scheint. Da nützt es wenig, dass ich in einer Bushaltestelle ein trockenes Plätzchen habe, die Zeit vergeht im Fluge, bis es dämmerig wird. Nun bleibt wenig Auswahl fürs Nachtquartier, es gibt nur das Vier Sterne Hotel "Runa", wo ich für 950 SKK (=€ 22,10) ein Zimmer bekomme. Hier bin ich fürstlich untergebracht, im früheren Verwaltungsgebäude der Bergwerksgesellschaft. Die Küche läßt keine Wünsche offen zu Preisen, von denen man in Deutschland nur träumen kann. Selbst meine nassen Sachen kann ich trocknen lassen und das Fahrrad steht sicher angekettet am Eingang zur Bar an einem schmiedeeisernen Tor. Einen guten Schlummer habe ich, so meine ich heute nacht auch verdient.

Sonntag, 8.September 2002

das Hotelpersonal beglückwünscht mich zum Abschied zu dem herrlichen Wetter, das ich heute haben soll. Oder sollen das die Wünsche sein, die man seinen Gästen mitgibt ? Zumindest am Vormittag habe ich wieder schönste Sonne, die Steigungen halten sich im Rahmen und ich komme rasch voran. Schließlich ist dies auch die erste Strecke, die die Fahrradkarte mit "R" bezeichnet, was soviel heißt wie recrea, also Erholung. Alle andern bisher zurückgelegten Routen hatten die Bezeichnung S wie Sport; an Strecken mit Bezeichnung E wie Expert oder extrem, habe ich mich bisher noch nicht herangewagt. Doch heute stellt sich noch die Wahl zwischen S und E, in Studnica nämlich. Dort kann ich nach Roznava auf dem kürzesten Wege über eine extrem steile und bergige Strecke ("E") fahren, aber auch die Strecke "S" nach Osten nehmen, mit der ich allerdings einen riesigen Umweg nach Roznava in Kauf nehmen muß. Aber muß ich denn überhaupt nach Roznava ? In Studnica lasse ich das Wetter entscheiden. Im Westen rumort ein Gewitter, im Osten scheint die Sonne, also entscheide ich mich, leichten Herzens übrigens, für die leichtere Strecke mit Sonne. Es geht noch mal wieder richtig hoch, das Kirchlein von Studnica sehe ich unter mir immer kleiner werden und auf 950 m ü.M. bin ich reif für eine ausgiebige Mittagsrast. Dort, auf der Paßhöhe, begegnet mir ein Mann aus Kosice, der mit seinem Mountainbike von Kosice aus schnell mal eben eine 4-Pässe-Tour zum Sonntag macht. Abends will er wieder in Kosice sein. Man kann nur staunen, allerdings hat er auch ein Minimum an Gepäck.

© Manfred Sürig, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nur weiße Flecke auf der Karte der Slowakei wollte ich erkunden: Gegenden, wo ich noch niemals gewesen bin, nachdem ich im Herbst 2000 dieses herrliche Urlaubsland zum ersten Mal kennengelernt hatte.
Details:
Aufbruch: 29.08.2002
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 18.09.2002
Reiseziele: Slowakei
Ungarn
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.