Im Herzen der Basilikata
Quartier bei den Laghi Monteccio
Noch bevor wir Potenza erreichen, verlassen wir die SS 407 Richtung Norden und nehmen die Straße Richtung Melfi. Unser Weg führt über Lagopésole und Rionero zu den Laghi Montecchio. Die Landschaft ist bestimmt von grünen, hügelig-bergigen Erhebungen, durchsetzt von leuchtend-gelben, bereits abgeernteten Weizenfeldern. Dazwischen wird auch Wein angebaut, und vereinzelt wachsen Olivenbäume. Vor uns tauchen die bewaldeten, bis zu 1326 Metern aufstrebenden Vulkankegel des Vulture-Massivs auf. Steil geht die Straße hinab zu den in idyllisches Grün gebetteten zwei Kraterseen Laghi Montecchio. Wir fragen nach einem Quartier und werden freundlich zu zwei gegenüberliegenden kleinen Alberghi gelotst. Wir entscheiden uns für das rechte, das "Ristorante/Pensione Restairo". Eine bäuerliche Frau führt uns zu einem neben dem Restaurant liegenden Gebäude und dort in den ersten Stock. Das Haus ist mindestens fünfzig Jahre alt und genauso alt ist der Großteil seiner Möblierung. Aber alles ist sauber, geräumig und verströmt einen morbiden, gemütlichen Charme. Durch das Badezimmer gelangen wir sogar zu einer großen Terrasse, die zu unserem Zimmer gehört. Wir scheinen die einzigen Gäste zu sein und machen unsere Wirtin vorsichtshalber darauf aufmerksam, dass wir hier auch zu Abend essen möchten. Kein Problem, die Halbpension kostet für zwei Personen 70,00 Euro.
Neugierig erkunden wir noch vor dem Abendssen die Gegend und folgen der Teerstraße, an der unsere kleine Pension liegt. Schon nach wenigen Metern ist die Fahrbahn durch querliegende Bäume versperrt, dann bricht sie ganz ab. Wir machen uns im Reiseführer schlau: Diese Straße verlief auf der Landzunge zwischen den beiden Seen und ist bei dem Erdbeben im Jahre 1980 zerstört und nicht wieder repariert worden. Wir wohnen hier also wirklich, wenn schon nicht am Ende der Welt, so doch am Ende aller Verkehrswege. Bei unserem Spaziergang gelangen wir bald zur Ruine der Kirche Sant'Ippolito, einer Basilianerniederlassung aus dem 10. Jahrhundert. Die Basilianer beriefen sich auf die Askeselehre des Heiligen Basilius, welche auch die Benediktinerregeln prägt. Über die Ursprungskirche wurden im 11. und 13. Jahrhundert noch einmal Kirchen erbaut, die dann dem Erdbeben von 1456 zum Opfer fielen.
Nur ein paar Schritte weiter und schon sind wir wieder an der Landzunge zwischen den beiden Seen angelangt. An der Seepromenade sind einige Andenkenläden und Imbissstände geöffnet, doch es gibt kaum Besucher. Wir umrunden auf einem hübsch angelegten Spazierweg den baumumwachsenen "Lago Piccolo". Schon aus der Ferne erstrahlt weiß die Abbazia di San Michele, eine von Benediktinern im 12./13. Jahrhundert in luftiger Höhe erbaute Kirche mit Kloster und Grotte. Die Grotte gehört zu den bedeutenden süditalienschen Michaelskultplätzen. Nach einem schweißtreibenden Aufstieg müssen wir leider feststellen, dass Kirche und Kloster geschlossen sind. Wir wiederholen im Laufe unseres Aufenthalts noch dreimal den Versuch, ins Innnere der später von Augustiner-Chorherren und Kapuzinern betriebenen Abtei vorzudringen, werden aber jedesmal enttäuscht. Schade!
Zurückgekehrt in unser Pensione/Ristorante finden wir uns als die einzigen Gäste in einem sehr großen Speisesaal mit Neonbeleuchtung wieder, in dem alle Tische gedeckt sind und der über ein ungetrübtes Fünfziger-Jahre-Ambiente verfügt. Der Wirt und die Signora geben sich sehr große Mühe, uns mit Antipasto, Pasta, Secondo und Vino aus dem eigenen Garten zu verwöhnen. Als wir schließlich müde und gesättigt unsere Zimmer aufsuchen, hören wir, wie unten alles abgesperrt wird, unsere Wirtsleute ins Auto steigen und wegfahren. Von unserer Terrasse lauschen wir in die mondhell beschienene Nacht auf das Wispern des Windes in den Bäumen. Völlige Einsamkeit und Harmonie haben sich über dieses Fleckchen Erde inmitten Italiens, inmitten der Basilikata, inmitten der lukanischen Berge gesenkt. Tief und fest schlafen wir weit in den nächsten Morgen hinein.
Aufbruch: | Juli 2004 |
Dauer: | unbekannt |
Heimkehr: | Juli 2004 |