Durch die Wüste - Sahara 2003

Reisezeit: Januar - März 2003  |  von Angelika Gutsche

Durch die südliche Ténéré

Auf unserer weiteren Fahrt wollen wir den Erg der Ténéré durchqueren, das heißt von Chirfa aus südöstlich zur Oase Seguedine, dann in den Süden, bis Bilma, dann südwestlich über Fachi zum Arbre du Ténéré. "Ténéré" ist übrigens ein Wort aus der Tuareg-Sprache, dem Tamaschek, und bedeutet soviel wie Traurigkeit und Einsamkeit.

Das erste Lager nach Chirfa beziehen wir auf einem felsigen Hügel mit wunderschönem Blick hinunter in die Ebene. Beim Frühstück bekommen wir Besuch. Mit Karacho fährt ein vollbesetzter Pick-up unseren Felshügel herauf. Man weiß immer nicht so genau, wer da auf einen zukommt: Militär? Banditen? Auch Hassan wirkt etwas angespannt. Doch groß ist das Hallo, als Hassan seine Stammesbrüder erkennt. Diese sind auf den Weg nach Bilma. Dort hätte die Unesco ein Treffen organisiert, bei dem es um Gelder und Hilfsleistungen für die Tubu ginge. Da wir zu der Zeit in Bilma sein werden, sagt auch Hassan sein Kommen zu.

Bei den Kontrollpunkten hatten wir schon bemerkt, dass sich Hassan, der Wüstennomade und Tubu, und die Militärs, aus dem schwarzen Süden stammend, mit gegenseitiger Verachtung strafen. Tuareg und Tubu, deren Stämme über die Länder Libyen, Mali, Algerien und Niger verstreut sind, erkennen die willkürlich gezogenen Grenzen zwischen diesen Ländern ebenso wenig an wie die Regierungen dieser Zentralstaaten. Sie wollen die Herrschaft über die Sahara, ihrer angestammten Heimat, selbst ausüben. So begruben die beiden großen saharischen Nomadenvölker, Tuareg und Tubu, ihre traditionelle Feindschaft, um sich Anfang der neunziger Jahre zu verbünden und gemeinsam die Zentralregierung des Niger zu bekämpfen. Stets galten die Tubu als der kriegerischste Stamm der Sahara. Hier tragen sogar die Frauen ständig ein am Oberarm festgebundenes Messer bei sich. Die Geschichten über die Ausdauer und den Mut der Tubu sind legendär. Auch Hassan erzählt mit Stolz von seiner Zeit als Freiheitskämpfer in den neunziger Jahren und zeigt uns die Plätze, wo er sich mit seinen Rebellen versteckt hatte. Leider haben die Tubu seinerzeit auch Gebiete des Djado-Plateaus vermint, obwohl es dort im Enneri-Blaka-Tal die berühmtesten Felszeichnungen des Nigers gibt. Hassan versichert uns zwar, er wisse genau, wo keine Minen liegen und könne uns sicher führen. Doch wir nehmen von einem Ausflug ins Enneri-Blaka Abstand. Erst vor einigen Wochen flog dort ein Geländewagen mit italienischen Touristen in die Luft, nachdem er auf eine Mine aufgefahren war. Alle Insassen starben. So fordert dieser Konflikt, obwohl 1995 beigelegt, immer noch seine Opfer.

Wir erreichen die kleine Oase Seguedine. Hassan fragt, ob sein Onkel von hier bis nach Bilma mitfahren dürfe. Warum nicht? Wir haben Platz. Bei der militärischen Kontrollstelle, an allen Oasen werden die Ein- und Ausfahrten kontrolliert, spricht uns ein Tubu an. Er hätte die GPS-Punkte für die Fahrt vom Arbre du Ténéré direkt nach Süden zum Dinosaurierfriedhof von Gadoufawa. Wir schreiben die Daten, die wir gegen eine schicke Sonnenbrille tauschen, von einem verknüllten Blatt Papier ab.

Hassans Onkel

Hassans Onkel

Heute war zur Abwechslung mal der Rote mit angezogener Handbremse unterwegs bis die Reifen qualmten. Und gleich darauf übersieht der Fahrer bei einer rasanten Dünenabfahrt Felsen im Sand und hoppla! Wir fliegen durch die Luft! Auf drei mal hebt das Gefährt ab, hopp - hopp - hopp - um jeweils wieder heftig aufzukrachen. Wir kommen zu stehen und Hellmut besieht sich den Schaden: der Stoßdämpfer ist ab, die Ölwanne hat eine Delle. Ohne Stoßdämpfer setzen wir die Fahrt nach Dirkou fort. Der aufziehende Harmattan macht sich immer stärker bemerkbar. Die Luft ist nicht mehr klar sondern bräunlich, von Sand erfüllt. Das Licht wird diffus. Die Fahrt durch die Dünen wird immer schwieriger, weil sich Konturen kaum noch abheben. Wir begegnen den ersten Schmuggel-Lkws, hochbeladen mit Gütern und Menschen. Sie winken freundlich. In welche Zukunft mögen sie unterwegs sein?

Harmattan

Harmattan

Am nächsten Morgen kündigt sich ein Sandsturm an. Bei der Einfahrt zur Oase Dirkou, dem Knotenpunkt des saharischen Schmuggelverkehrs, parken hinter Stacheldrahtverhau einige der überladenen Transporter. Die Mitfahrenden klettern von ihren Hochsitzen auf der Ladung, setzen sich in den Sand. Es weht ein starker Wind. In dem trüben, sandigen Licht wirkt die Szene unwirklich. Wir fahren nach Dirkou hinein, zur Polizeistation, um auch hier unsere Pässe abstempeln zu lassen. Es ist viel los in Dirkou. Endlich können wir am Markt unsere Euro in CFA-Francs umwechseln, bisher waren wir im Niger praktisch bargeldlos unterwegs. Und wir suchen nach einem Stoßdämpfer. Ich vermute, dass man in Dirkou alles, aber wirklich alles, kaufen kann. Der Ort wirkt irgendwie beklemmend. Er atmet Chaos und Gewalt. Wir sind froh, als wir die Oase hinter uns lassen. Einen passenden, gebrauchten Stoßdämpfer haben wir natürlich bekommen.

LKW-Abfahrtsstelle in Dirkou

LKW-Abfahrtsstelle in Dirkou

© Angelika Gutsche, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Reisebericht Sahara: Tunesien - Algerien - Niger - Algerien - Tunesien
Details:
Aufbruch: 12.01.2003
Dauer: 8 Wochen
Heimkehr: 05.03.2003
Reiseziele: Tunesien
Algerien
Niger
Der Autor
 
Angelika Gutsche berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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