Durch die Wüste - Sahara 2003

Reisezeit: Januar - März 2003  |  von Angelika Gutsche

Der Weg zum Dinosaurierfriedhof

Zuerst folgen wir einer holprigen Piste, kommen an Gräberfeldern vorbei, durchfahren wunderschön wilde Sand-Fels-Landschaften bis wir an einem großen Felsen den Lagerplatz aufschlagen. Hier finden wir durch Depression zu Sumpfeisenerz umgewandelte Pflanzenstängel, die immer noch an ihrem einstigen Wuchsort stehen. Sie verweisen neben im Sand gefundenen Muschelschill und Fischgrätenstreu auf die einstigen Süßwasserseen-Phasen der Sahara, von denen es mindestens drei gab: um 120 000, um 33 000 und zwischen 11 000 und 7 000 Jahren vor heute.

Sumpfeisenerzstängel am Wüstenboden

Sumpfeisenerzstängel am Wüstenboden

Der nächste Tag bringt eine sehr mühselige Fahrt durch die sogenannte "Seebodenténéré". Die Ebene ist von harten Querriffeln durchzogen. Damit unsere Autos keinen Schaden nehmen, holpern wir langsam über Riffel für Riffel. Nur eine dünne Sandschicht bedeckt die Sedimente ehemaliger Seealgen. Die Ausdehnungen weisen darauf hin, dass hier im erdgeschichtlichen Holozän einige zehntausend Quadratkilometer von einem flachen See bedeckt waren. Schon lange gibt es keine Pisten mehr, wir fahren nur noch nach den GPS-Daten auf meinem Zettel, die mir der freundliche Tubu in Seguedine mit auf den Weg gab.

Dann türmt sich vor uns ein Gürtel aus Sichel- und sogenannten Transversaldünen auf. Es wäre sicher klüger gewesen, den Dünengürtel zu umfahren. Nur solche Tipps sind von GPS-Daten halt nicht zu erwarten. So kämpfen wir uns Düne für Düne vorwärts. Besser gesagt, wir schaufeln uns Düne für Düne vorwärts, denn wir bleiben bei jeder Düne mindestens einmal stecken. Immer wieder trägt der sonst feste Sand nicht mehr und die Räder sinken tief in ein Weichsandloch und wühlen sich fest. Sandbleche vom Autodach holen, unterlegen, Sand wegschaufeln, mit erstem Gang auf das Sandblech fahren und versuchen, mit zweitem Gang wieder festen Boden zu gewinnen. Immer wieder. Und immer wieder. Weiterfahren - stecken bleiben - weiterfahren - Steckenbleiben. Und wohin wir auch schauen, überall wölben sich um uns die Dünenberge auf. Langsam wird aus der Genervtheit Verzweiflung. Hassan und Hellmut laufen zu Fuß voraus, testen, wo der Sand trägt und suchen einen Durchschlupf durch diesen mörderischen Dünengürtel. Es dauert Stunden bis endlich hinter einer Düne nicht die nächste, noch höhere Düne auftaucht, sondern endlich die Dünenberge abflachen und den Blick in die Ebene freigeben. Abends werden wir durch einen unbeschreiblich schönen blau-violett-rosa-rot-orange-farbenen Sonnenuntergang am Rande einer Sicheldüne für die Schuftereien des Tages belohnt.

Bei uns stellen sich Zipperlein ein. Einer leidet unter Kopfschmerzen, den anderen plagt ein Hexenschuss, der Dritte hat Durchfall und den Nächsten quält eine Sonnenallergie. Doch schnell ist alles vergessen, als wir am nächsten Tag endlich den ersehnten Dinosaurier-Friedhof von Gadoufawa erreichen. Dank GPS halten wir auf den Punkt genau vor im Sand bläulich-weiß schimmernden fossilen Knochenresten aus der Kreidezeit. Man kann die einzelnen Wirbel noch erkennen, genauso wie das sich darin bräunlich abzeichnende Knochenmark. Wir rätseln, welche Funktionen die einzelnen Knochenstücke, Pfannen und Gebeine, die hier überall im Sand verstreut liegen, wohl ehemals hatten. Hassan findet versteinerte Hornzähne, vielleicht aus dem Halskamm einer Drachenechse stammend, die hier vor Jahrmillionen in den Sümpfen des Urtschadsees ihren Lebensraum hatte. Der Dinofriedhof ist über eine riesige Sandebene verstreut. Weit und breit kein Hauch von Leben. Nur das Pfeifen des Harmattan. Wir könnten auch auf dem Mars gelandet sein. Beim Berühren lösen sich einzelne der fossilen Knochenstücke in Staub auf. Gestorben vor sechzig Millionen Jahren, zu Stein geworden, jetzt im Wüstenwind verweht. Ein Gruß aus der Unendlichkeit. Nachdenklichkeit macht sich breit.

Prähistorische, versteinerte Knochenfunde

Prähistorische, versteinerte Knochenfunde

© Angelika Gutsche, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Reisebericht Sahara: Tunesien - Algerien - Niger - Algerien - Tunesien
Details:
Aufbruch: 12.01.2003
Dauer: 8 Wochen
Heimkehr: 05.03.2003
Reiseziele: Tunesien
Algerien
Niger
Der Autor
 
Angelika Gutsche berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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