Ecuador

Reisezeit: November 2007 - Januar 2008  |  von Philippe Lehmann

3 Wochen Quito

Anfang Dezember ging es dann nach Quito, wo ich mir über ein paar Kontakte auf die Schnelle ein Voluntariat organisiert hatte.
Und so machte ich mich am 3. Dezember auf die 10 stündige, nächtliche Busreise. Eine Nacht, in der ich dank schnarchender, sich laut unterhaltender und ständig durch den Gang zum Klo rammelnder Mitfahrer kein Auge zugemacht habe. Aber darauf war ich ja schon eingestellt und so kam ich morgens in Quito ein wenig verschlafen an. Die Organisation, die mein erster Anlaufpunkt war, hatte sogar noch geschlossen.
Aber wenig später wurde ich freundlich begrüßt und nachdem nach 2 Stunden der Papierkram erledigt war, wurde ich von meiner Gastmutter abgeholt und meinem neuen Zuhause für die nächsten 3 Wochen vorgestellt.
Wie ich erst so nach und nach feststelle, "besteht" meine Gastfamilie aus einer Mutter, die (leider) ein Fischrestaurant führt, einer jungen Schwester, die Modedesign studiert, einem mittlerem Bruder, der Architektur studiert, und einer großen Schwester, die angehende Ärztin ist und eine wahnsinnig nervende Tochter hat.

Meine Gastmutter und die Freundin von meinem Gastbruder und im Hintergrund das nächtliche Quito

Meine Gastmutter und die Freundin von meinem Gastbruder und im Hintergrund das nächtliche Quito

Aber ich bin zum Glück (trotz der nervigen Tochter) in einer supernetten (und für ecuadorianischen Verhältnisse recht reichen) Familie gelandet und so werde ich noch am gleichen Tag durch die Stadt geführt und bekomme täglich ein leckeres Essen auf den Tisch gestellt.
Am nächsten Tag geht es sofort in mein Projekt, ein kleiner Kindergarten in einem der ärmeren Viertel Quitos. Allein schon das Hinkommen gestaltet sich schwierig, denn so richtig kennt sich keiner mit den Bussen aus und so werde ich eine Woche brauchen um mir aus den abertausenden Bussen die richtigen rauszusuchen, die sich allein an winzigen und wahnsinnig bunten Schildern an den Bussen unterscheiden lassen.
Im Kindergarten sehe ich schnell, dass ich mich die nächsten Wochen vor allem vor Läusen und anderen kleine Tieren in Acht nehmen muss, die die Kinder alle so mit sich rumschleppen.

Meine Kindergartentruppe

Meine Kindergartentruppe

An einem normalen Tag kommen wir (es arbeitet noch eine andere Deutsche mit im Projekt - wie gesagt, es gibt zu viele Deutsche, die reisen) zu spät zur Arbeit und verpassen das Frühstück der Kinder. Somit geht es gleich in die "Klassenzimmer" wo wir meist vergebens den Kinder versuchen etwas beizubringen. Denn die meisten Zwerge, die alle so zwischen 4-5 Jahre alt sind, stellen sich sehr blöd an. Viele beherrschen nicht mal die Grundfarben, können nicht bis 3 zählen noch einfachste Spiele verstehen oder ausmalen. Aber es gibt auch ein, zwei klevere.... Um die Gründe herauszufinden, warum den Kindern diese einfachen Aufgaben so schwer fallen, frage ich sie, was sie denn nachmittags zu Hause machen:
Und natürlich haben alle einen Fernseher zu Hause, obwohl sich manche Familien nicht mal den monatlichen Beitrag von 10 Dollar leisten können...

Meine Kindergartenchefin

Meine Kindergartenchefin

Nach 2-3 Stunden geht es dann auf den Hof, von wo man 3 schneebedeckte Berge auf der anderen Seite Quitos sehen kann. Die Kinder spielen, rammen sich gegenseitig die Köpfe ein und springen von hohen Gerüsten herunter und wir sorgen dann dafür, dass später um 12 noch alle das Mittagessen bewusst miterleben dürfen.
Und nach dem Mittagessen ist bereits der Arbeitstag vorbei, endlich!
Aber die Arbeit hat natürlich auch Spaß gemacht und viele Kinder sind einem schon ans Herz gewachsen... bis auf die ganz bösen....

Der freche Carlos

Der freche Carlos

Das war jedenfalls der Alltag...
Davon abgesehen habe ich in Quito natürlich noch anderes gemacht:
Während ich in Quito war, fanden gerade die Fiesta de Quito anlässlich des Unabhängigkeitstag am 6.Dezember (Jahr hab ich vergessen) statt.
Und allein in dieser Zeit finden Stierkämpfe statt und da ich noch nie einen gesehen hatte, habe ich mir einen angeguckt. Und ich muss ehrlich sagen (ohne auf das Thema Tierquälerei eingehen zu wollen), dass es ein recht langweiliges Spektakel war. Denn mit jedem Stier (normaler Weise 6) gab es immer das gleiche Prozedere und es "gewinnt" ja auch immer der Torero.
Ich kann also die Begeisterung, selbst wenn ich über die Tierquälerei hinwegsehe, für den Sport nicht so ganz verstehen.
Wie gesagt, es war gerade Zeit der Fiestas de Quito die 6 Tage dauern und so haben alle Quitenier 6 Tage lang durchgefeiert und ich mit ihnen. Ein wenig wie die Loveparade in Berlin nur länger und mit 13 Toten.
Eines Sonntags hat mich die Familie noch zum nahe gelegenen Äquatormuseum geführt wo mir anhand von sich in verschiedene Richtung drehendes, abfließendes Wasser, balancierten Eiern, und meiner schlechteren Balance auf der Äquatorlinie bewiesen wurde, dass ich mich tatsächlich auf dem Äquator befinde. Vor allem ist mir aber der Penisfisch in Erinnerung geblieben, der im Kindesalter in den besten Freund eines Mannes (der vorzugsweise gerade in einen Fluss pinkelt) "hineinschwimmt" und die Zacken ausfährt. Erwähnenswert sind auch noch die Schrumpfköpfe. Ein ehemaliges Ritual ecuadorianischer Ureinwohner: Man schneide den Kopf des erlegten Feindes ab, entnehme den glibbrigen Inhalt und die Knochen und Koche dann das Ganze. Danach werden noch alle bekannten Kopföffnungen zugenäht und das ganze an einem Faden um den Kopf gehängt... So ist sicher gestellt, dass die Seele des Feindes nicht entfliehen und Ruhe finden kann und außerdem dient das ganze dann auch noch als Trophäe...

Wie man Schrumpfköpfe macht

Wie man Schrumpfköpfe macht

Der gefürchtete Penisfisch

Der gefürchtete Penisfisch

Das Museum im Vordergrund und ganz hinten das von den Spaniern fälschlich gebaute Denkmal der "Mitte der Welt", weil 200 Meter zu weit im Süden...

Das Museum im Vordergrund und ganz hinten das von den Spaniern fälschlich gebaute Denkmal der "Mitte der Welt", weil 200 Meter zu weit im Süden...

Ein anderes Mal hat mich meine Familie auf das Panecillo mitgenommen, ein kleiner Hügel mitten in Quito und obendrauf die Schutzgöttin Maria.
Und so sind dann die Wochen in Quito auch recht schnell vorbeigegangen und ich durfte kurz vor Weihnachten mal wieder meine Sachen packen, mich verabschieden und zurück nach Cuenca gondeln um da mit "meiner" Familie das Fest zu verbringen.

Das Panecillo mit riesigen Krippenfiguren und Weihnachtsmarkt

Das Panecillo mit riesigen Krippenfiguren und Weihnachtsmarkt

© Philippe Lehmann, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
2 1/2 Monate durch Ecuador
Details:
Aufbruch: 10.11.2007
Dauer: 12 Wochen
Heimkehr: 30.01.2008
Reiseziele: Ecuador
Der Autor
 
Philippe Lehmann berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.